Von der Dummheit der Menschheit

 
Ja, da sind sich alle einig. Die Anderen sind blöd! Zumindest die meisten.
Und es gibt ja wohl nicht Schöneres, als darauf hinzuweisen. Zitate werden verbreitet, Kolumnen, Gedichte und Texte jeder sonstigen Art werden zu diesem Thema geschrieben oder in Umlauf gebracht. Und ein Rundum-Schulterklopfen setzt ein. Täglich. Überall.
Und besonders natürlich im Netz. Facebook und Twitter sind wunderbare Beete, aus denen solche Teilen-Texte blühen, die die Brillanz des Posters bestätigen sollen.

Und ich frage mich: Sind diese Menschen denn alle klug?
Ist es ein Zeichen für Intelligenz, in den Worten eines Brandmarkers Wahrheit zu erkennen?
Genügt es denn, um gescheit zu sein, das Anprangern der Dummheit der Anderen zu verbreiten?
Ist ein Schulterschluss zur Schadenfreude ein Zeichen für Denkvermögen?

Wo beginnt die „Dummheit“ der Menschen?
Die Dummheit der Menschen hängt nicht an der Bildung. Wissen hat noch niemals klug gemacht. Wissen manipuliert!
Intelligenz beginnt nicht im Kopf, sondern im Bauch.

Menschen, die sich korrumpieren lassen, sich Machtgefügen unterwerfen, sich von Parolen bestimmen lassen, werden auch diese Texte als Parolen an ihre Fahnen hängen.
Werden sich zur einen Seite drehen, um durch ein Nicken und Weiterverbreitung Intellekt bezeugen zu wollen und sich dann zur anderen Seite drehen, und genau das machen, das mit diesen Worten aufgezeigt wird.

Auch die selbsternannten Aufrüttler handeln nach dem gleichen Schema. Millionen von negativen Nachrichten und Gräuelfotos werden täglich durch die Medien geschleust. Und kein einziges hat jemals zur Verbesserung der Welt beigetragen.

Denken denn die Gescheiten und Guten nicht?

Wer sieht sich denn diese Bilder an? Wer liest denn diese Horrornachrichten?
Entweder begeilen sich die Psychopathen daran oder die Aufmerksamkeitshascher lachen sich in die knallharte Faust, finden sie sich als Mittelunkt der Teiler-Gemeinde.

Der gesunde Mensch sucht andere Nachrichten, überfliegt deshalb diese Hiobsbotschaften mit halbgeschlossenen Lidern.
Denn der Mensch ist mit einem ganz wichtigen Instrument ausgerüstet, um die Tragik der Menschheit überleben zu können: mit der Abstumpfung!

Abstumpfung, Verdrängung und Rationalisierung sind Überlebensmechanismen der Menschen. Sonst müssten wir uns alle schon längst vor lauter Angst und Schrecken gemeinschaftlich über die Klippe des Endes der Welt in die Tiefe gestürzt haben. Wenn wir das ganze Ausmaß der menschlichen Nachtseite, ohne Filterung und Abwehrautomatik wahrnehmen müssten.

Verbreitung von Parolen über Dummheit oder Fotos von gemarterten Kindern oder Tieren zeugen nicht von besonderer Klugheit oder besonderer Güte, sondern verleiten zum Schulterschluss der Nickergemeinde. Und zum hilflosen Achselzucken der Randgruppe von Willigen.

Ich habe eine wunderbare FB-Freundin, die sich dem Tierschutz widmet. Sie holt gequälte und kranke Tierchen zu sich, pflegt sie auf ihre Kosten gesund und sucht dann gute Plätze für sie. Unermüdlich. Sie braucht keine Horrorfotos, um Willige zu finden, die ihr zur Seite stehen. Sie braucht keine Anschuldigungen an den „Rest der Menschheit“, dass er sich um nichts kümmert. Sie braucht ihre ganze Energie für die Taten die SIE setzt!

DAS erscheint MIR klug. Das Verstärken positiver Energie. Damit könnte man die Welt retten!

Und genauso sehe ich das auch bei Texten. Überheblichkeit zu demonstrieren, indem man die Dummheit der Anderen pauschal anprangert, macht für mich noch lange keinen gescheiten Menschen aus. Abgesehen davon, dass die faschistische Grundlage mir immer ein Gruseln verursacht. Und Menschengruppen pauschal abzuurteilen, IST immer faschistoid!

© evelyne w.

 

Prominentenmund

 
Klaus Maria Brandauer:
„Wenn man sich nicht mehr erinnern kann, dann lebt man nicht mehr richtig!“

Sonya Kraus:
„Sachlich gesehen gibt es keinen Grund für ein Baby. Aber wenn einmal die
Mamahormone einschießen, möchte man nie wieder kinderlos sein.“

Zwei Aussagen, die ich in einer Zeitschrift auf aufeinanderfolgenden Seiten gelesen habe.

K. M. Brandauer dreht einen Film über einen Alzheimer Patienten und in diesem Zusammenhang hat mich seine Aussage selbstverständlich sofort auf die Barrikaden gerufen.
Ich finde es äußerst verhängnisvoll und abwertend, wenn man einem Menschen, dessen geistige Kraft nicht voll funktionsfähig ist, das Leben abspricht. Für mich ist das grundsätzlich faschistoides Gedankengut. Es wird ein Wertmaßstab angelegt, welches Leben lebenswert ist …

Man erinnert auch im Bauch. Und dort wesentlich nachhaltiger und wichtiger als sonst wo. Gefühle zu erinnern, Gefühle zu erfahren gehört zum Menschlichsten überhaupt. Dafür braucht es keine gedankliche Leistung.
Und es wundert mich dann natürlich nicht, dass Herr Brandauer Angst vor dem Gedächtnisverlust hat. Wenn er seiner emotionalen Grundlage nicht vertraut, die Wissensqualität über die emotionale Qualität seines Lebens stellt.

Ich habe in der Einleitung zu meinem Buch geschrieben, dass ich bei der Arbeit an diesem Buch die Angst vor der Demenz verloren habe.
Ich weiß gar nicht genau, wieso das so ist, aber wenn ich das lese, denke ich, dass es daran liegt, dass ich mich Krankheiten, und damit auch der Demenz, emotional zuwende. Sie nicht rational be- oder abhandle. Und natürlich auch nicht die Kranken.

Und hier komme ich zum zweiten Zitat, das ja auf den ersten Blick so gar nix mit dem ersten zu tun zu haben scheint.
Aber Frau Kraus hat es wunderbar ausgedrückt. Wenn wir das Leben nach sachlichen Kriterien einstufen, bleibt uns viel emotionale Qualität verschlossen.
Und bevor wir nicht selber in der Lage sind, unser Leben mit Gedächtnisverlust zu erfahren, sollten wir uns keine Wertung anmaßen.

 

„Flossenbürg – Ein Spürbericht“ an der Austin Peay State University in USA


Anfang dieses Jahres wurde an der Austin Peay State University in Clarksville, USA, im Rahmen eines Deutschkurses das Thema Holocaust behandelt. Im Zuge dieses Kurses wurde mein Booklet in 2 Etappen gelesen und anschließend besprochen. Auch meine Video-Lesung war Bestandteil der Auseinandersetzung der Studenten.
Im Anschluss daran erhielt ich nun den angeschlossenen Brief.

Die Motivation zum Schreiben dieses Booklets – Zitat, S. 59:

    „Ich will darüber schreiben, sagte ich, vielleicht kann ich damit ein paar Menschen erreichen. Und wenn es nur einer ist … wenn jeder, der sich damit auseinandersetzt, auch nur einen einzigen ermuntern kann, einem damit weiterhelfen kann … würde die Welt bald anders aussehen.“

 
hat damit auf eine nicht erwartete, aber umso eindrucksvollere Art für mich Bestätigung erhalten.
Darüberhinaus habe ich die Genehmigung der Studenten erhalten, Ihr Schreiben zu veröffentlichen, weil auch sie jede nur mögliche Gelegenheit ergreifen wollen, andere Menschen auf diese Weise zu motivieren.

Mein ganz besonderer Dank geht zu diesen wunderbaren jungen Leuten nach Amerika!

apsu brief

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70 Seiten
€ 7,50
ISBN 978-3951-99072-9

 

Lerne . Selbst . Lieben!


Oft werde ich gefragt, woher denn mein selbsternannter Titel „Liebesforscherin“ käme.
Ich antworte hier mit einem Teil aus dem Vorwortkapitel „Warum“ aus meinem Buch, in dem ich mich der Liebesforschung widmete.
Die Erkenntnisse, die ich in diesem Buch niederschrieb, haben die Richtung meines Lebens vor ca. 25 Jahren entscheidend verändert. Sie haben mich aus Krankheit und Sinnentleertheit in ein kreatives, glückliches Leben gewiesen.
Ich habe auch erst danach zu schreiben begonnen …

Dieses Buch ist eigentlich kein Buch, sondern ein gebundenes Manuskript. Da es leider keinen Verlag gefunden hat, ich aber bekanntlich immer wieder zu Lesungen und Diskussionen eingeladen werde, habe ich dieses Referenz- und Lektoratsexemplar angefertigt.
Gegen eine Schutzgebühr von € 9,90 gebe ich es bei meinen Lesungen an meine Hörer ab und versende es an Interessenten, die mir ein Mail schicken.

Inhaltsangaben und Textproben befinden sich
auf meiner Homepage unter Lerne Selbst Lieben!

lerne selbst lieben


Warum

Die Liebe als Phänomen zu beschreiben, ist ein schwieriges Unterfangen. Denn in dem Augenblick, in dem man die Liebe mit Worten zu erklären versucht, ist sie von der Liebe bereits weit entfernt. Sie wird zur Theorie. Ich meine nun nicht damit, dass Liebe ein theoretisches Phänomen ist, sondern es ist ganz einfach so, dass die Liebe nur zu spüren ist. Sie ist nicht zu erklären.
Warum will ich es dann überhaupt versuchen?
Ich will es deshalb versuchen, weil es so viele Erklärungen der Liebe gibt, die für mich mit dem Wesen der Liebe absolut nichts zu tun haben, die aber von einer so großen Anzahl von Menschen bereitwillig aufgenommen wurden, dass sie sich zu einer allgemeinen Meinung über die Liebe verdichtet haben. Und leider bringt sie den Menschen dadurch nicht ihre wesensmäßige Erfüllung. Denn die Liebe ist ein vollkommen autarkes Phänomen. Sie kann von Meinungen nicht verändert werden. Auch wenn viele Menschen das Gleiche meinen, so bleibt die Liebe noch immer die Liebe und ist nicht das, was die Menschen daraus zu machen versuchen.

Selbstverständlich kann auch ich nur mit meiner Meinung die Liebe zu erklären zu versuchen. Und deshalb auch der einleitende Hinweis auf Theorie. Meine Erkenntnisse über die Liebe stellen für mich einen Anhaltspunkt dar, der ein Umdenken ermöglicht. Wenn man niemals die Möglichkeit findet, eine wesensgerechte Perspektive auf die Liebe zu gewinnen, dann muss man einfach in der allgemeinen Meinung über sie verharren.

Ich selbst habe mich jahrzehntelang dieser allgemeinen Meinung angeschlossen und bin damit sehr unglücklich, und in weiterer Folge, auch krank geworden. Meine innere Leere wurde immer größer und ich konnte die Sinnhaftigkeit meines Daseins nicht erkennen.
Was sollte es für einen Sinn haben, 70 oder 80 Jahre lang auf dieser Welt zu verweilen, sich abzurackern und abzuplagen und dann, wenn man vielleicht ein bisschen etwas erreicht hatte, diese Welt wieder zu verlassen? Auch erschien mir das, was ich schon erreicht hatte, andauernd gefährdet durch meine Mitmenschen. Die Machtlosigkeit des Einzelnen gegenüber der Mehrheit schien Anstrengungen überflüssig zu machen. Was nützte es, friedlich und zufrieden dahinleben zu wollen, wenn politische Entscheidungen und Kriege, Frieden und Zufriedenheit empfindlich störten? Was nützte es, selbst gut und hilfreich sein zu wollen, wenn die Bösen alles zerstörten und die geleistete Hilfe zur eigenen Bereicherung verwendeten? Auch die Machtlosigkeit anderen einzelnen Menschen gegenüber schien dieses Dasein schwer zu beeinträchtigen. Was nützte es denn, zu lieben, wenn der, den man liebte, einen Anderen liebte? Was nützte es denn, für andere Menschen etwas zu tun, wenn einen die dann doch verließen oder zumindest das für sie Geleistete nicht anerkannten? Auch wurde das Leben immer beschwerlicher, je älter man wurde und wofür das alles? Um eines Tages in der Ewigkeit einfach zu verschwinden? Das ergab keinen Sinn.

Ich entdeckte dann den Sinn des menschlichen Daseins in der Liebe. Doch das, was ich entdeckte, unterschied sich so gravierend von der herkömmlichen Meinung, dass es mir zuerst einmal nur Angst bescherte. Angst, allein dazustehen. Und sofort traten wieder die alten Denkmuster auf: Was sollte es nützen, wenn ich den Sinn der Liebe erkennen konnte und diese Erkenntnis mich allein dastehen ließ? Weil meine Umwelt die Liebe nicht so erkennen konnte.
Doch ich war bereits infiziert. Ich sah das Scheitern meiner Mitmenschen an der Sinnlosigkeit, ich sah die Resignation meiner Mitmenschen an der Bürde ihres Lebens und ich spürte die Gefahr in mir, ebenso zu scheitern und ebenso zu resignieren. Und die Angst vor dieser Gefahr war größer als die Angst vor dem Alleinsein.
Heute weiß ich, dass dies bereits ein Akt der Selbstliebe war, ohne die es keine Liebe gibt. Ohne diesen Funken Selbstliebe wäre es mir niemals möglich gewesen, die Liebe zu finden und deshalb ist es für mich auch so furchtbar, mitansehen zu müssen, wie tief die Menschen diesen Funken Selbstliebe in sich vergraben haben, sodass es ihnen mit noch so großer Anstrengung nicht mehr möglich ist, die Liebe zu finden. Denn der Wunsch nach Liebe ist in jedem Menschen fundamental vorhanden.

Doch erschien es mir plötzlich logisch: Wenn ich nicht so leben wollte, wie die Mehrheit der Menschen, dann musste ich mich trauen, mich vom Allgemeindenken zu lösen. Dann musste ich mich trauen, mich der Allgemeinheit gegenüber zu sehen. Ich musste mich trauen, meinen eigenen Weg zu suchen, das für mich Wesentliche finden zu wollen. Ich erkannte, dass es nur so möglich war, den Anderen die Macht über mich zu entziehen, indem ich ihnen die Macht über mein Denken entzog. Mich nicht von ihrem Denken mitziehen ließ, sondern auf meine eigenen Gedanken und Gefühle achtete. Das war nun so konträr zu meiner bisherigen Einstellung und damit auch zur Einstellung der Mehrheit, dass ich mich einfach allein fühlen musste. Die Angst vor der Einsamkeit ist aber, ebenso wie die Liebe, ein fundamentaler Bestandteil der Menschlichkeit. Weil der Mensch als Gemeinschaftswesen, selbstverständlich Angst vor einem Leben ohne Gemeinschaft haben muss. Und auch meine Angst vor der Einsamkeit erschwerte mir die Sicht auf die Liebe noch längere Zeit.
Doch, wie gesagt, ich war infiziert. Ich hatte ein Zipfelchen gefunden, das ich bis dahin nie entdeckt hatte und ich wollte dieses Zipfelchen nicht mehr hergeben, weil es mir zu diesem Zeitpunkt, als ich es entdeckte, enormen Halt gegeben hatte. Doch Leben und Lieben sind lebendige Prozesse. Ausruhen auf einem entdeckten Zipfelchen kann man sich nur kurze Zeit. Dann muss man seinen Weg fortsetzen, denn sonst ist Leben und Liebe zu Ende.

 

Vom langen Leben

 

Vom langen Leben

Selbstverständlich mache ich mir auch abseits von lyrischen oder Prosatexten Gedanken über die Demenz.

Lang leben wollen wir alle, aber nicht alt werden!

Es ist noch nicht so lange her, da zog sich die Demenz noch nicht in so großem Aufkommen durch unsere Gesellschaft. Die Menschen wurden einerseits nicht so alt und andererseits waren auch die gesellschaftlichen Strukturen ganz andere. Alte Menschen lebten viel mehr in ihrem Familienverbund. Von dieser Position aus wurde die Demenz nicht so offenkundig. Und vielleicht gingen die Angehörigen damals mit ihr auch geduldiger, bzw. selbstverständlicher um. Die Individualität des Einzelnen hatte noch einen größeren Stellenwert in der zwischenmenschlichen Kommunikation.

Ich habe schon seinerzeit in meinem Buch „Lerne.Selbst.Lieben“ die verhängnisvollen Zusammenhänge der propagierten Ewige-Jugend-Gesellschaft aufgezeigt. Wir Menschen in der westlichen Welt werden als Wirtschaftsfaktor be- und gehandelt. Und haben deshalb ganz andere spezifische Probleme als z.B. die Menschen in der Dritten Welt.
Der Werbeslogan „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ ist bezeichnend für die Richtung aus der unsere Individualität über das kollektive Unbewusste gesteuert wird.

Demente Menschen sind kein Wirtschaftsfaktor. Man kann ihnen nichts mehr verkaufen!
Deshalb werden sie zu einer besonderen Randgruppe. Zu einer, die in der Öffentlichkeit keinerlei Rolle mehr spielt. Es gibt keine Werbung, keine Filme, keine Lobby, sie leben jenseits der Scheinwerfer und haben deshalb in der öffentlichen Meinung ebenfalls keinen „Wertfaktor“.

Das größte Geschäft ist mit der Angst zu machen!
Menschen in Angst zu halten, dass sie nicht dazu gehören (wozu auch immer) ist die wirksamste Methode, sie zu Konsum zu nötigen.
Und am besten eignet sich etwas, das im Prinzip nicht erreicht werden kann. Ewige Jugend z.B.
Diese ist ein unerschöpflicher Born für Konsumzwang.

Sämtlichem Anflug von Alterserscheinungen werden riesige Geschäftszweige gegenübergestellt.
Ein unendliches Ersatzteillager an Körperersatz- oder Aufmotzteilen versucht dem Menschen vorzutäuschen, dass er sich vom Alterungsvorgang freikaufen kann.

Nun kann man aber den Alterungsprozessen des Körpers sozusagen mechanisch noch einiges entgegensetzen. Gegen die geistigen alterungsadäquaten Verfallserscheinungen jedoch gibt es keine Ersatzteile. Obwohl die gigantische Pharmaindustrie uns auch hier in den Konsumzwang gaukelt.

Es ist den meisten Menschen klar, dass im Alter die Haare grau werden, dass man die Zähne verliert, dass die Haut Falten bekommt und die Muskeln schlaffer werden. Dass auch manche Organe nicht mehr so klaglos arbeiten, sich die körperlichen Bedürfnisse ändern.
Doch dass die geistige Leistung ebenfalls einem Alterungsprozess ausgesetzt ist und sich auch die geistigen Bedürfnisse ändern, das wollen Viele nicht wahrnehmen. Es wird versucht, die natürliche Alterung bereits in eine Krankheit umzuwandeln.

Alter wird von uns heute sofort gleichgestellt mit Krankheit und/oder Demenz.
Und beides passt natürlich in kein Zeitgeistkleid.

Selbstverständlich ist es noch ein gewaltiger Unterschied von der altersbedingten Vergesslichkeit zur Demenzerkrankung.
Aber durch diese krampfhaften Verschleierungsversuche der eher harmlosen Alterserscheinung gelangen wir dynamisch in den Sog, mit der Demenz nicht umgehen zu können. Weil wir nie lernen, uns auf altersentsprechende Situationen einzulassen, ihre positiven Seiten für uns zu entdecken.

Der Fortschritt brachte uns auch eine durchschnittlich längere Lebenszeit.
Der Alterungsprozess bekommt deshalb auch andere Dimensionen. Wir können uns wohl länger an Jahren „jung“ erhalten, aber auch die Jahre des Alters haben sich vermehrt. Deshalb treten die altersbedingten Erscheinungen selbstverständlich auch langfristiger auf und sind durch die zunehmende Zahl länger lebender Menschen vermehrt präsent.

Und unser Gemeinschaftsleben hat sich ebenfalls enorm gewandelt. Bei uns ist es heute fast nicht mehr möglich, die Familien über Generationen zusammen zu halten.
Wir leben in einer ganz anderen Gesellschaftsstruktur. Kleine Familienzellen in Zwei- oder Dreizimmerwohnungen. Frauen und Männer berufstätig. Oder kosmopolitsch aufgeteilt.

Bei uns ist es wichtig, dass es Pflegeeinrichtungen gibt.
Weil man einige Personen eines Haushalt oft nicht unbeaufsichtigt lassen kann. Seien es Kinder, aber oft auch die alten Menschen.

Es wäre ja auch besser, wenn die Kinder im Familienverbund aufwüchsen und nicht im Kindergarten und in der Ganztagsschule erzogen würden.
Aber heute gibt es schon ein Pflichtkindergartenalter! Weil die Kinder in den Wirtschaftsprozess eingegliedert werden müssen.

Also kommen die Kinder aus dem Haus und die Alten auch.

Aber für die Kinder gibt es Programme – denn die haben „Wert“ -, für die demenzkranken Alten nicht. Die Alten sind nur als „graue Panther“ etwas wert, weil da sind sie ein Wirtschaftsfaktor, da kann man ihnen Jugendwahn verkaufen.

Aber – was will man einem demenzkranken alten Menschen verkaufen?

Ihn erreicht keine Werbung, kein Meinungsbilder, kein Zeitgeistflüsterer.
Eigentlich ein paradiesischer Zustand …

 

wintersonne

wintersonne

 

wintersonne

hier ist das glück
der tag ist mein

die wintersonne
leckt den himmel blassblau
mildert den frost
zu milchiger kühle
badet glitzernde schleier
im frierenden see
zärtelt die reben
zu kupfernem gespinst

und ich trinke die milch
und ich trinke das glück

und ich spinne das kupfer
zu rotglühenden netzen
die dich umfangen

der tag ist mein!

© evelyne w.

 

Ein ganz besonderes Adventerlebnis

 


Heute hatte ich eine weitere Weihnachtslesung im Kurhaus im Nachbarort, wo ich ja regelmäßig lese. Das sind immer ganz kuschelige Lesungen im kleinen Rahmen (10-30 Personen), die aber immer sehr stimmungsvolle Zusammenkünfte sind. So auch heute. Und heute waren es 15 (inkl. eines Jungen mit schwerem Down-Syndrom).

Aber jetzt zum absoluten Highlight:

Vor der Lesung kamen zwei Damen mit dem Jungen zu mir. Ich kann das schwer schätzen, aber ich würde sagen, er war zwischen 12 und 14 Jhre alt.
Ein ganz armer Bursche. Sie haben mir nachher auch noch erzählt, was er erst die letzten Wochen durchmachen musste und dass er deshalb gerade besonders verstört ist. Sie versuchen gerade, ihn wieder halbwegs „ins Leben zurückzuholen“. Er wurde schwer misshandelt und so …

Ich traf sie im angeschlossenen Cafe und sie sagten, sie würden gerne zur Lesung kommen, aber es sei ihm heute schon alles zu viel. Er sei extrem unruhig.
Ich sagte dann: Aber versuchen sie es doch einfach. Wenn es nicht geht, dann können sie doch jederzeit hinausgehen. Mir macht das nichts.

Sie kamen dann in den Lesungsraum, um mir zu sagen, dass sie nun doch nicht kämen, weil er bereits herumzuschreien begonnen hatte.

Ich wieder: Das ist schade, aber wie immer sie sich entscheiden. Wenn sie es versuchen wollen, ich bin sofort dafür!

Sie gingen mit ihm ein bisschen spazieren und kamen dann. Es ließ sich schwierig an, er wollte schon gar nicht bei der Tür herein und er war während der erste Texte wirklich extrem unruhig. Er schrie zwar nicht, aber er gab dauernd irgendwelche Geräusche von sich und war auch sitzunruhig.

Ich las konzentriert und unbeeindruckt – einfach wie immer. Und konnte die Leute auch gut mitnehmen, so dass er auch für sie nicht allzu „störend“ war.

Dazwischen lächelte ich ihn auch immer an und hatte Augenkontakt mit ihm – er saß in der zweiten Reihe, mir genau gegenüber. Und plötzlich, so nach dem 3./4. Text – als dann auch die ersten gereimten Texte kamen – wurde er immer ruhiger! Die zweite Hälfte hörte man von ihm nicht einen Mucks!

Mutter und Großmutter, die ihn begleiteten, sagten nachher, meine Lesung und meine Stimme, und mit Sicherheit auch die Emotion, mit der ich las, haben ihn einfach angesprochen und beruhigt.

Ich glaube nicht, dass ich schon jemals bei einer Lesung etwas Schöneres erlebt habe!

Ich habe dann nachher auch mit ihm „gesprochen“. Er kann sich zwar nicht mit Worten artikulieren, aber er mochte mich merkbar und wir haben miteinander gelacht. Sie kauften ihm dann ein Buch und ich habe es extra für ihn mit seinem Namen signiert. Das ließ er dann nicht mehr aus den Händen …

Ich schwebe noch immer …
Es war ein überwältigendes Erlebnis, dass ich mit meiner Stimme, meiner Art zu lesen, offensichtlich Menschen erreichen kann, die Worte als Begriffe nicht verstehen.

Ach ja, und noch etwas: Alle Anwesenden waren ebenso fasziniert und fanden, dass dies ein ganz besonderes Erlebnis auch für sie war!

 

Lebe vor dem Tod!

 

Weil ich in den letzten Tage in den verschiedensten Situationen damit konfrontiert wurde, eines meiner Lieblingszitate, von einem meiner hohen geistigen Mentoren.
Leider ist er viel zu früh verstorben und es blieb mir verwehrt, ihn persönlich kennen lernen zu dürfen.

Prof. Erwin Ringel:
Ob es ein Leben nach dem Tod gibt, wir wissen es nicht.
Aber eines ist sicher: Es gibt ein Leben vor dem Tod.

Lebe es!
Denn für dich ist es nicht egal, wie dieses Leben vor dem Tod aussieht,
so lange du am Leben bist.
Unser Sinn liegt in uns selbst, nicht in dem, was uns umgibt.