Machtspiele

 
Sie sagte kein Wort. Doch jeder der sie kannte, hätte sofort an der Art, wie sie die Augen niederschlug erkannt, dass ihr die Hitze unters Herz gestiegen war. Bevor das Feuer sich in seinen Kammern breit machen konnte und Flammen aus ihrer Spucke sprühten, tötete sie die Wut mit kalten Gedanken ab.
Ihr Gegenüber schien es ihr nicht Wert, ihm Macht – und sei es auch nur in Form von Ärger – zu geben. Was heißt eigentlich „auch nur“? War das nicht eine der größten Mächte, die sie einräumen konnte?
Nur die Gewalt schien noch größere Macht über sie erreichen zu können. Aber mit dieser wollte sie nicht experimentieren. Sie schätzte ihre glückliche Lage sehr, die sie nicht in die Nähe von Gewalt brachte. Sie wollte sie keineswegs heranziehen, um ausloten zu können, wie sie damit umgehen würde. Ob es ihr möglich wäre, ihr die Macht über sie zu entziehen, und sei es in ihrem Inneren.
Sie wollte eigentlich auch nicht mit dem Ärger experimentieren. Aber es gelang natürlich des öfteren, dass jemand diese Macht für sich beanspruchen wollte. Dem Ärger war nicht so leicht auszuweichen. Nicht, dass sie der Gewalt bewusst auswich. Wie gesagt, sie schätzte die Gnade ihrer Geburt hoch, in ein Leben hineingeboren geworden zu sein, das sie ihre Zeit in einem Land verbringen ließ, das über Jahrzehnte nicht an Kriegshandlungen beteiligt war. Wo physische Gewalt nicht direkt auf sie einwirkte.
Psychische Gewalt, von der hatte sie sich weitgehend befreit. Vor Jahren schon. Es war sehr schwer gewesen, ihre Körperbühne von den Krankheiten zu säubern, welche die Grausamkeiten ihrer Kinderjahre in ihr abgelegt hatten.
Nein, sie würde dem Ärger keinen Raum geben. Sie wusste Bescheid.Über sich und über die Anderen. Über die Scharmützel, die jeder für eigene Überhebung oder Unterwerfung brauchte. Sie wollte sich nur sich selbst unterwerfen. Auch wenn das sehr schwer war. Weil die Wut einfach kam, wenn jemand auf sie einwirken wollte. Aber nur kurz. Denn auch die Macht ihrer Gedanken hatte sie in der Zwischenzeit gut erkannt.

© evelyne w.

 

Mein Gefühl ist ein Eichhörnchen

 
eichhoernchen

Wäre mein Gefühl ein Tier, wäre es wohl ein Eichhörnchen. Ich spüre ganz deutlich wie es immer wieder in meinem Bauch nagt, besonders wenn du nicht hier bist. Wie es sich bei deinem Anblick springend voranbewegt, Bäume hochklettert und Vorräte eingräbt in den Boden gemeinsamer Tage. Wenn du es mit Ärger nährst, dann vergisst es auch schon mal auf seine angelegten Vorräte, aber dann sucht es so lange, bis es wieder ein Versteck findet, in welchem es die Zapfensamen unserer Liebesfichte gelagert hat. Seine Ohrpinsel streichen meine Magenwände entlang, um sie vor dem Zusammenziehen zu bewahren, wenn die Angst um dich ihre Säfte hochpumpt. Es balanciert und rudert mit seinem Seelenschwanz, der so lang ist wie der Körper, damit unsere Mitte nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Baut viele Nester, nicht nur für dich und mich, doch geht es irgendwo bergab, dann läuft es mit dem Kopf voran, um sich selbst zu schützen. Alles frisst es, alles, aber es ist gelehrig und lernt ganz rasch, wie es die harten Schalen aufbricht und wegwirft, um deine süßen Kerne zu genießen. Ein Einzelgänger, mein Gefühl, das auf uns schaut und nicht erwartet, dass du es für mich tust.

© evelyne w.

mein spezieller dank gilt sarah, bei der ich einen text fand, der mich nicht nur begeisterte, sondern auch zur hinterfragung anregte: Der mit dem Nashorn tanzt