Gedanken über … die Wahrsprache

 
Im Augenblick beschäftige ich mich sehr mit Sprache. Nicht, dass ich Sprachen lerne, sondern ich denke über das Kommunikationsmittel Sprache nach.

Sprache ist etwas sehr Qualitätsvolles. Man kann sehr viel damit machen. Man kann sehr viel daraus beziehen. Sie kann Genuss bereiten und Leid über einen stülpen.
Sie ist natürlich das Kommunikationsmittel Nr. 1 für den Menschen. Aber auch das größte Machtmittel. Gäbe es keine Sprache, wäre es nicht möglich, Kontinente übergreifend zu beherrschen. Ohne Parolen, ohne Mehrdeutigkeiten, ohne Lügen und Missverständnisse, egal ob ungewollt oder gewollt, wäre die Welt ein Paradies.
Sprache als besondere Qualität der Menschheit ist auch ihr größter Fluch.

Viele Menschen meinen, nur wer einer Sprache mächtig ist, kann denken! Bewusstsein ist für sie gleichbedeutend mit Denkenkönnen. Und denken kann man angeblich nur in Worten, dafür benötigt man die Sprache.
Aber dem ist ganz und gar nicht so. Der Mensch denkt mit und in vielen Regionen seines Körpers.

Was ist denken denn? Denken ist bewusste Wahrnehmung und Reaktion darauf. Unbewusstes Denken gibt es nicht. Aber das heißt deshalb noch lange nicht, dass man für Denken Worte benötigt.

Die meisten Menschen denken in Bildern. Sie nehmen etwas wahr und in ihrem Kopf läuft ein Film ab.Sie sortieren die Eindrücke die sie wahrnehmen aufgrund ihrer Konditionierungen in bestimmte Schubladen.Vollkommen unwillkürlich. Dann holen sie etwas aus dieser Schublade und fügen es dem eigenen Eindruck an. Nun erst suchen sie einen Begriff dafür, mit dem sie das Erfahrene benennen können. Es entsteht also ein Gedanke, der sich aus Worten zusammen setzt. Und zwar in jedem ein anderer und in jedem Land in anderer Sprache. Und doch ist es immer die gleiche Wahrnehmung und immer der gleiche Vorgang.

Es gibt aber auch andere Möglichkeiten zur Wahrnehmung. Ein Klang oder eine Berührung muss nicht mit dem Kopffilm wahrgenommen werden. Man kann ihn auch über sein Gefühl in seine Schubladen sortieren und auch dort die Reaktion herausholen.

Nur – wir haben keinen Einfluss darauf! Dieser Prozess läuft immer unwillkürlich ab.

Wichtig an dieser Erkenntnis ist nur, dass wir akzeptieren, dass Denken nicht mit Worten stattfinden muss. Dass ein ungebildeter Mensch z.B. poetisch denken kann, obwohl ihm die Worte dafür fehlen. Gehörlosen, stummen Menschen, die womöglich auch noch blind sind, und deshalb nie ein Wort gehört oder gesehen haben, kann man keineswegs die Qualität des Denkens absprechen!

Worauf aber will ich überhaupt hinaus?

Es geht mir um die Bedeutung, die wir der Sprache geben. Diese wird oft überwertet. Viele Menschen glauben Worten mehr als allen anderen Wahrnehmungen. Wenn z.B. etwas in der Zeitung steht, dann ist es wahr. Oder wenn der Arzt eine Diagnose stellt. Schön formulierten Liebeserklärungen wird mehr Glauben geschenkt, obwohl sie oft die größten Lügen sind.

Seit ein paar Wochen experimentiere ich in meinen Texten ein bisschen mit der Sprache.
Ich mache nichts anderes, als die Zeilenumbrüche anders zu setzen, als sie im ursprünglichen Text sinngemäß angesetzt waren. Und siehe da. Die Texte bekommen oft eine ganz andere Bedeutung für die Leser. Oder tritt Verwirrung auf, ist ein Innehalten, Zurückgehen notwendig, um die an sich fließenden Texte auch wirklich fließend zu verstehen.

Ich finde das sehr spannend und vor allem als hilfreichen Denkanstoß zum Durchschauen von Missverständnissen in verbaler Kommunikation. Und ich bedanke mich herzlich dafür, dass ihr dem auch einiges abgewinnen konntet und hoffentlich noch weiter könnt. Denn noch bin ich weiter am experimentieren.

© evelyne w.