Gedankengänge

Denken ist meine Lieblingsbeschäftigung. Ich liebe es zu beobachten. Das Innen, das Außen. Zusammenhänge herzustellen. Wirkung zu durchschauen. Das Zusammenspiel der Wirkung auf mich zu ergründen. Schlüsse zu ziehen. Mich zu erkennen. Die Auseinandersetzung mit dem, was mir widerfährt. Dann Zusammenhänge zu verstehen. Und wieder: im Innen und im Außen.
Mich einerseits dem Gefühl hingeben zu können, es aber andererseits auch im Denken nachvollziehen zu können.

Spüren ist die Grundlage meines Lebens, meine Leidenschaft.
Denken ist eine andere Qualität. Die Qualität der Aktion, des Erfassenkönnes.

Gefühl ist keine Beschäftigung. Gefühl ist in uns vorhanden. Man braucht es nur anzunehmen. Es ist auch nicht zu verändern. Es ist einfach da. Und es kommt nur darauf an, was man davon zulässt.

Gedanken sind erzeugt. Man kann sie formen. Man kann sie durch Lernen erweitern, durch Fantasien beflügeln. Und man kann sie auch für sich behalten.

Schreiberlinge, wie ich, tun das allerdings selten füdilü

 

Machtspiele

 
Sie sagte kein Wort. Doch jeder der sie kannte, hätte sofort an der Art, wie sie die Augen niederschlug erkannt, dass ihr die Hitze unters Herz gestiegen war. Bevor das Feuer sich in seinen Kammern breit machen konnte und Flammen aus ihrer Spucke sprühten, tötete sie die Wut mit kalten Gedanken ab.
Ihr Gegenüber schien es ihr nicht Wert, ihm Macht – und sei es auch nur in Form von Ärger – zu geben. Was heißt eigentlich „auch nur“? War das nicht eine der größten Mächte, die sie einräumen konnte?
Nur die Gewalt schien noch größere Macht über sie erreichen zu können. Aber mit dieser wollte sie nicht experimentieren. Sie schätzte ihre glückliche Lage sehr, die sie nicht in die Nähe von Gewalt brachte. Sie wollte sie keineswegs heranziehen, um ausloten zu können, wie sie damit umgehen würde. Ob es ihr möglich wäre, ihr die Macht über sie zu entziehen, und sei es in ihrem Inneren.
Sie wollte eigentlich auch nicht mit dem Ärger experimentieren. Aber es gelang natürlich des öfteren, dass jemand diese Macht für sich beanspruchen wollte. Dem Ärger war nicht so leicht auszuweichen. Nicht, dass sie der Gewalt bewusst auswich. Wie gesagt, sie schätzte die Gnade ihrer Geburt hoch, in ein Leben hineingeboren geworden zu sein, das sie ihre Zeit in einem Land verbringen ließ, das über Jahrzehnte nicht an Kriegshandlungen beteiligt war. Wo physische Gewalt nicht direkt auf sie einwirkte.
Psychische Gewalt, von der hatte sie sich weitgehend befreit. Vor Jahren schon. Es war sehr schwer gewesen, ihre Körperbühne von den Krankheiten zu säubern, welche die Grausamkeiten ihrer Kinderjahre in ihr abgelegt hatten.
Nein, sie würde dem Ärger keinen Raum geben. Sie wusste Bescheid.Über sich und über die Anderen. Über die Scharmützel, die jeder für eigene Überhebung oder Unterwerfung brauchte. Sie wollte sich nur sich selbst unterwerfen. Auch wenn das sehr schwer war. Weil die Wut einfach kam, wenn jemand auf sie einwirken wollte. Aber nur kurz. Denn auch die Macht ihrer Gedanken hatte sie in der Zwischenzeit gut erkannt.

© evelyne w.