Rezension – „Über mich sprechen wir ein andermal“
von Edna Mazya
Nach langer Zeit wieder einmal ein Roman, der mich begeistert hat. Mich mitnahm auf die emotionale Reise dreier Frauen durch verschiedene Generationen, deren Geschichte so dicht miteinander verknüpft ist und die Dynamik gut herüberbringt, aus der Lebensabläufe erwachsen.
Die Handlung:
Nomi hat eine durch ein kleines Erbe gesicherte Existenz als Verlegerin in Tel Aviv und viele Jahre ein befriedigendes Verhältnis mit einem irischen Theaterregisseur, mit dem sie nur wenige Wochen im Jahr zusammenkommt. Sie wuchs bei ihrer geliebten Großmutter Ruth auf, wollte sich aber nie näher mit dem Warum und der Geschichte ihrer Familie beschäftigen.
In einem Alter, wo sie darüber nachdenkt, ob eine Änderung ihrer Beziehung nicht doch angebracht scheint, macht sie sich, wenn auch etwas halbherzig, auf die Suche nach der Vergangenheit.
Und der Leser erfährt, dass die liebevolle Großmutter einst in Deutschland eine höchst glamouröse und dekadente Rolle einnahm, die Familie zugunsten ihres Liebhabers vernachlässigte und sich rauschhaft aus der Fadesse des Mittelstandes ihrer Ehe entfernen wollte. Die obsessive Liebschaft zerbricht, aber Ruths Leben wird dennoch nach wie vor davon bestimmt.
Im Zuge der geschichtlichen Ereignisse wandert die Familie nach Palästina aus.
Dort gibt es ein Wiedersehen mit Robert, jedoch auf ganz anderer Basis, als Ruth sich diese vorstellte.
Die Tochter wendet sich vom bourgeoisen Leben ihrer Eltern ab, lässt die eigene Tochter in der Obhut der Großmutter, die die Erziehung der Enkelin nun zu ihrem neuen Lebensinhalt macht.
Meine Meinung zum Inhalt:
Ich selbst beschäftige mich sehr viel mit ungelösten Mutterbindungen (u.a. auch in meinen eigenen Romanen) und hier werden diese ganz besonders gut herausgearbeitet.
Faszinierend, wie eine Tochter die Probleme, die sie mit ihrer Mutter hatte, in ihrem Muttersein noch mehr ausbaut, anstatt ihrer Tochter das eigene Schicksal ersparen zu wollen. Und diese Tochter die Muster von Mutter und Großmutter dann einfach auf der ganzen Linie ins absolute Gegenteil verkehrt.
Die Egozentrik der Protagonisten, ihre daraus erwachsenden Abhängigkeiten, die sie ihr Umfeld nicht wahrnehmen lassen, sogar die tragischen geschichtlichen Ereignisse lediglich zur Belästigung der eigenen Befindlichkeit degradieren, werden so gut herüber gebracht, dass man mit der eigenen Sympathie zwischen den Personen hin- und herschwankt.
Die Geschichte nimmt einen herein, sodass man sie nicht von außen beurteilt, sondern mitfühlt. Einmal mit der/m Einen, dann wieder mit einer/m Anderen. Man bangt, man leidet, wütet, möchte die Leutchen schütteln und manchmal aus Peinlichkeit weglaufen.
Was mir besonders gut gefallen hat, sind die Szenen, wo aus der Sicht der Kinder geschrieben wird.
Auch wenn der Einstieg ein wenig flach, bzw. die Erwachsenengeschichte der Enkelin die schwächste ist, die nur in Verbindung mit der Opposition zu den Mustern von Mutter und Großmutter Bedeutung erlangt, habe ich dieses Buch in einem Rutsch gelesen.
Und wie ich eingangs schrieb, hat es mich echt begeistert.
evelyne w.