Gespräch unter Freundinnen VI

Eigentlich dachte ich bisher, mein Freundeskreis sei doch mit mir eher gleichdenkend, was menschliche Belange angeht. Und ich hab das auch richtig gefunden, dass sich in meinem direkten Umfeld keine menschenverachtenden Leute befanden. Es gehörte für mich zu meiner Authentizität. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich Menschen „mögen“ könnte, die das blau/braune Gedankengut vertreten. Ich gehe viel vom Spüren aus und die Leute, die ich kenne, die sich dieser Richtung verschrieben haben, spüren sich ja auch tatsächlich ganz anders an, als meine Freunde und engen Bekannten.

Es gibt zwei, drei Männer von Freundinnen, die dem Sozialstaat skeptisch gegenüberstehen und auch schon manchmal in Diskussionen ziemlich unreflektiert darüber aushauen. Aber alles was ich dazu dachte war, dass ICH so einen Mann wohl nicht aushalten würde, aber meine Freundinnen waren davon nicht nicht betroffen und meine Freundschaft sowieso nicht.

In den letzten Tagen wurde ich zweimal überrascht. Sehr gute Freundinnen von mir outeten sich als Basti-Fans und dadurch natürlich auch als seine Wählerinnen. Ich verstand die Welt nicht mehr.

Und immer, wenn ich etwas nicht verstehe, und es mir überdies enormes Unbehagen bereitet … schreibe ich. Ich muss meine Gedanken sortieren, muss überprüfen, wo ICH vielleicht etwas (an Basti) übersehen habe.
Erfreulicherweise geht’s wenigstens nicht um den Bumsti. Also natürlich dann in weiterer Folge auch, aber den und die FPÖ mag wirklich in meinem engen Umfeld niemand. Nicht einmal die oben erwähnten Männer.

Diese beiden Freundinnen leben in sehr angenehmen Verhältnissen. Eine ist Pensionistin, und hat einen sehr begüterten Lebenspartner, die andere ist Teilzeitsekretärin mit Kindern, die vom Sozialsystem einige Förderungen erfahren. Sie leben in eigenen Häusern, haben mehrere Autos, es gibt schöne Urlaube …

Natürlich fragte ich nach Argumenten. Und es kristallisierte sich ein eigenartiges Phänomen heraus.
 
Es muss etwas verändert werden!
 
Aha. Und was?
Ich interessiere mich nicht für Politik, aber so geht’s nicht weiter.
Ja, aber was? Dir geht’s doch gut.
Mir schon, aber es gibt sehr viele Leute, denen es nicht so gut geht.
Und für die muss sich was verändern?
Ja.
Und was wird der Basti tun, dass es denen besser geht?
Er wird das System verändern.
Aber wir haben ein gutes System, ein demokratisches, ein Sozialsystem … also für Leute, die Unterstützung brauchen.
Ja, das wird er ja auch nicht verändern.
Also was wird er verändern?
Die Politik halt. Ich interessiere mich ja nicht dafür, aber da muss einiges verändert werden.
Und der Kern hätt das nicht gemacht?
Nein, der hätte nur wieder Unsummen für irgendwelche Sozialleistungen oder Förderungen an irgendwelche Leute ausgegeben.
Und das ist nicht sozial?
Schon, aber so geht’s nicht weiter. Das können wir uns nicht leisten. Es müssen die gefördert werden, die der Wirtschaft etwas bringen, nicht die, die sie was kosten.
Dafür braucht man doch kein Sozialsystem. Das wird immer kosten.
Schon. Aber es muss verändert werden.
Er hat Arbeitsplätze gefördert. Basti hat die Förderung zurückgenommen.
Weil wir sie uns nicht leisten können.
Wer genau jetzt nicht? Du? Ich?
Der Staat! Der geht so bankrott.
Was soll also gefördert werden?
No ja, das was der Staat braucht.
Also nicht die sozialen Belange, nicht die Kultur und Bildung.
O ja natürlich, das braucht der Staat ja auch.
Aber die will er doch kürzen.
Nein, die nicht.
Aber er hat ja schon begonnen.
Na, jetzt lass ihn doch einmal arbeiten.
Aber er kürzt bereits die Sozialleistungen. Er setzt eine große Gruppe unserer Bevölkerung größerer Armut aus.
Das gilt ja nur für die Ausländer.
Wie bitte? Seit wann bist du gegen Ausländer?
Natürlich bin ich nicht gegen Ausländer, aber so geht das auch nicht, dass wir alles für irgendwelche Leute zahlen, wir haben selber genug Arme.
Ja, aber denen nimmt er ja jetzt was weg.
Ich kenn mich da nicht so aus, aber es muss einfach was verändert werden. Lass ihn doch arbeiten.
Und da darf es Bauernopfer geben?
Nein, natürlich nicht. Aber allen kann man eben nicht helfen.
Wem wird aber jetzt geholfen?
Na, dem Staat.
Aha, und wer ist der Staat?
Na wir.
Und wie wird dir jetzt geholfen?
Mir braucht keiner helfen. Ich bin davon ja nicht betroffen.
Also weshalb bist du dann dafür?
Weil etwas verändert werden muss.

 

Fazit: Wahlwerbung offensichtlich geglückt …

 

Vorherdenker statt Vordenker gesucht

Oft werde ich gefragt, warum ich mich „politisch“ so exponiere, da ichs doch eigentlich mit Politik gar nicht habe. Mich an sich nicht dafür interessiere. Also auch gar nicht mitreden könnte.

Nun, das ist leicht gesagt.

Ich richte mich nicht daran aus, was die Politiker so von sich geben. Was sie versprechen und dann halten oder nicht.
Ich richte mich danach aus, WIE sie es sagen. Welche Haltung sie Menschen gegenüber einnehmen, welche Sprache sie sprechen und nehme auch das Gesamtbild ihrer Erscheinungen her, also nicht Aussehen, sondern Körperhaltung, Gestik, Mimik. Aber das erst an letzter Stelle. Erst wenn es darum geht, ob ich ihnen ihre Aussagen bezüglich Menschenbehandlung abnehme oder nicht.
Denn es haben ja auch schon welche mit Kreide in der Stimme gesprochen.

Aber bei uns ist das gar nicht mehr nötig. Hier wird alles ausgesprochen. Die ganze furchtbare Menschenverachtung, der Hass auf Andersdenkende, Andershandelnde, AndersLEBENDE.

Und es wird in der Sprache ausgesprochen, die bei den Leuten mit der – wie es mein Mann ausdrückt – schlanken Intelligenz ankommt. Nämlich mit kleinem, aber reißerischem Wortschatz. Mit einem Deutsch, das gar nicht mehr Deutsch ist, sondern sich halt dem Bildungsniveau einer gewünschten Wählerschaft angleicht, von denen „verstanden“ wird. Einer Wählerschaft, die sich bisher nicht vertreten fand, weil sich Politiker oft in einer Sprache ausgedrückt haben, die ein Mindestmaß an Bildung erforderte. Oder tatsächlich Politisches von sich gaben.
Die Demaskierung, die dadurch auftritt, ist für mich klar ersichtlich, und daran richte ich mich aus. Mehr brauchts gar nicht.
Ich weiß genau, wem ich mich anschließen will und wem nicht.

Leuten, die Anderen etwas wegnehmen wollen, egal ob den „eigenen Leuten“ oder Fremden, die Andere ausgrenzen wollen, sie pauschal abstempeln und vorverurteilen, die zur Verfolgung von Menschengruppen aufrufen. Die natürlich auch von den entsprechenden Politikern repräsentiert werden.
Oder Menschen, die Frieden und Zusammenhalt im Auge behalten, oder zumindest ihren Wunsch dazu ausdrücken, die übergeordnete Zusammenhänge erkennen können, die etwas für Bildung und Kultur übrig haben, wozu auch die Sprachkultur gehört.
Somit auch nicht Politikern, die uns auf der ganzen Welt als unterbelichtete, blöd vor sich hin brabbelnde Wesen dastehen lassen, die keine Ahnung haben, was sie denn so eigentlich von sich geben. Das im Nachhinein erst kompliziert aufklären müssen, und es doch gar nicht können, weil es eben niemals unbeabsichtigt ist.
Die sind nämlich keineswegs naiv und ungebildet, sondern sie wollen nur diese Klientel erreichen, die keine andere Sprache annimmt. Weil sie nur mit denen stark werden können.

Ich möchte mich Menschen anschließen, mit denen ich mich weiterentwickeln kann, die dafür etwas vorgeben, auch wenn nicht alles für mich zutreffen muss. Etwas das sich lohnt, es weiter zu entwickeln. Neid lohnt sich nicht! Hass lohnt sich nicht! Die bringen keine Entwicklung, sondern Rückschritt. Rückschritt, von dem man aus der Geschichte erfahren könnte, wohin er führt, wenn man ein Mindestmaß an Bildung in sein Leben einbindet und sich aufmerksam umsieht. Diskutiert, statt streitet.
Aber für Diskussion braucht man Menschen, die ein bisschen Sprachkultur haben und nicht einfach nur unsensibel in die Welt grölen.

Nein, solchen Leute möchte ICH mich nicht anschließen, und darum ist es für mich sehr einfach, mich „politisch“ zu exponieren, obwohl ich mich für Politik gar nicht interessiere.

 

Familienweihnachten

 

familienweihnachten

Und nun ist er vorbei, der Hl. Abend. Und wie jedes Jahr habe ich ihn auf höchst angenehme Weise verbracht. Es ist DER Familienabend bei uns. Wir haben ein gutes Verhältnis zueinander, aber wir treffen einander während des Jahres nur selten und wenn, dann meistens nicht alle miteinander, sondern einmal mit denen, einmal mit den anderen.

Deshalb ist der Weihnachtsabend für mich immer etwas ganz Besonderes. Auch diesmal war alles festlich geschmückt, es gab kleine, aber liebevolle Geschenke und der diesjährige Gastgeber zauberte ein Menü der Sonderklasse. Ein für mich sehr emotionaler Abend!

Und immer wieder dachte ich: wie gut geht es mir doch, wie groß ist doch die Gnade, nicht nur ein kuscheliges Zuhause zu haben, sondern auch meine Familie um mich haben zu können und mit ihnen harmonisch und ohne Not feiern zu können.

Heute sind meine Gedanken dazu nicht ganz so harmonisch. Denn mir fallen all die Buberln ein, die dafür sorgen wollen, dass es Menschen, denen es nicht so gut geht, noch schlechter gehen wird. Nicht mir wird es vermutlich schlechter gehen, sondern Menschen, die erst gar nicht in den Dunstkreis dieser Gnade kommen, die keine Familie um sich scharen können und für die das Notwendigste schon hinter einer unüberbrückbaren Hürde liegt.

Mir fällt meine Lesung bei der Pannonischen Tafel ein und wie dort fieberhaft daran gearbeitet wird, abzumildern, was die Politik mit ihrem Machtgehabe und die Gesellschaft in ihrer Genusssucht anrichtetn

Leute, die dafür sind, dass man Anderen etwas wegnimmt, ohne daraus überhaupt nur selber einen Vorteil ziehen zu können. Ich meine, es ist auch nicht sehr menschlich für mich, anderen etwas wegzunehmen, dass es einem selber besser geht. Aber es überhaupt einzig deshalb zu tun, um Anderen zu schaden, das ist so grindig, dass ich keine Worte dafür finde. Wie nieder eine Gesinnung sein und wie sie sich wie eine Seuche ausbreiten kann.

Und es beschert mir immenses Unbehagen. Denn die Politiker handeln im Auftrag des „Volkes“. Es sind meine Mitbürger und auch Nachbarn, die sie und dieses System der Unmenschlichkeit gewählt haben. Sie sind rund um mich und grinsen hinter ihren Weihnachtsmannbärten mit hämischen Fratzen.
Ich denke an die Verschwendungsparade in der Vorweihnachtszeit, an diese Unmengen von Energie, die vergeudet wurden, an die Berge von Lebensmitteln, Verpackungen und wohl auch unsinnigen Geschenken, die heute die Mistkübel übergehen lassen.

Und denke daran, dass mir jemand einreden will, wir leben in einem so armen Land, das Menschen ausgrenzen muss, sie zur Not verdammen muss, sie zu Bettlern und Hassgestalten machen muss.

An all jene, die heute ihren Kater pflegen und mit der abgenagten Ganslkeule drohend herumfuchteln und mundfäulige Sprüche loslassen über „christliche Werte“, Heimatschutz, Traditionsbewahrung, oder solchen Schmarrn.

Nein, abgesehen davon, dass das keine christlichen Werte sind – Jesus wollte ganz was anderes von uns – das sind keine Traditionen, die ich bewahrt haben möchte! Und Heimatschutz betreibt man auf diese Art auch nicht. Denn genau so wird unsere Heimat untergehen!

Deshalb meine Weihnachtsbitte an euch: Verwendet euer Hirn zum Denken, euer Herz zum Fühlen und die Weihnacht dafür, um Einkehr zu halten und Umkehr einzuleiten.

Zu menschlichen Werten, zur Pflege unserer schönen Heimat und zur Linderung der Not Anderer. Denn nur das wird auch unsere eigene Not verhindern, niemals vergrößern!

Frohe Weihnachten!

 

 

Weihnachtslesungspodcast

 
Liebe Freunde!

Wie schon voriges Jahr, fällt in diesem Jahr die Lintschi-Weihnachtslesung ebenfalls aus.
Auch heuer werde ich keinen Weihnachtslesungspodcast betreiben.
Die Ereignisse der letzten Monate lassen in mir einfach keine Weihnachtsstimmung aufkommen. Und das Umfeld, das ich erlebe, wenn ich aus dem Haus gehe, trägt auch nicht dazu bei, mir dabei behilflich zu sein, mich in Stimmung dafür zu bringen.
Dieses furchtbar hysterische Getue geht mir ja schon seit Jahren auf den Keks, wie aufmerksame Begleiter wissen, aber heuer bekommt es zusätzlich einen höchst bitteren Geschmack des puren Hohns.

Dieser Überfluss der Unnötigkeiten, der zelebriert wird und Unmengen an Geld verschlingt, das derzeit tatsächlich wesentlich sinnvoller und weihnachtsentsprechender angelegt werden könnte.
Diese Weihnachts- und Christkindlmärkte an jeder Ecke – etwas das an sich schon vollkommen anachronistisch ist und mit Weihnachten absolut nichts zu tun hat – mit ihrem Kitschgeblühe, Alkoholgepöble und X-Mas-Rock-Gedröhne.
Die Vergeudung der elektrischen Energie für schauerliches Lichtergeschrei, wo gerade die Einsparung im Energiebereich von vielseitigster Effizienz und deshalb höchst angebracht wäre.
Der religiöse Hintergrund, der einerseits den meisten Leuten gar nicht mehr geläufig ist, aber andererseits genau von diesen eingefordert wird, indem sie auf Werte pochen, deren Ursprung sie gar nicht kennen und selber schon seit Jahrzehnten nicht danach leben.
Eine Forderung, die verschärfend und äußerst verhängnisvoll dafür verwendet wird, Religionen, die man noch weniger kennt, einfach abzulehnen und Menschen pauschalen Vorurteilen und enormer Hetze auszusetzen.

Ich gehe da nicht mit.
Ich will mich dieser Scheinheiligkeit nicht nur nicht anschließen, sondern ich möchte auch keine Texte liefern, die den falschen Leuten die Möglichkeit geben könnten, sich in Heuchelei und Selbstlüge einzugaukeln.

Ich habe jahrzehntelang versucht aufzuzeigen, was Weihnachtsfrieden ist und wie wir ihn erreichen können. Wie wir ihn in die Welt tragen können.
Und muss nun mitansehen, dass ich in der Epoche meines Lebens angelangt bin, wo viel mehr Hass in die Welt getragen wird, als Liebe.
Da gibt es diesen Rückzug in mich und Erreichung meines persönlichen Friedens, auf Art und Weise des Schreibens davon, nicht mehr. Es wäre Verdrängung des Leids, das ich rund um mich in diesen letzten Monaten erkennen muss.

Ich brauche meine Kraft, um bei mir bleiben und dadurch versuchen zu können, dieses Leid zu lindern. Und dabei helfen mir weder anklagende, noch scheinschöne Texte etwas.

Ich bitte um Verständnis und wünsche euch einen besinnlichen Advent,
der von Menschenliebe getragen ist.
Und wie immer – Alles Liebe!

Eure Lintschi

advent

 

Fremde Nähe

 
Die Musikerin Mirjam Mikacs lud Autorinnen des Burgenlandes ein, für ihre neue CD  „Fremde Nähe – Stimmen zu Grenzen, Flucht und Krieg“ Texte beizusteuern. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich an diesem Projekt beteiligt sein darf.
Am 13. Oktober 2016 fand in der NN-Fabrik in Oslip die sehr berührende Präsentation statt.
 
filo1

Hier nun mein Beitragstext:
 
zufluchten

und dann kommt sie.
angst kriecht aus meinen zufluchten. krieg tritt in mein blickfeld. lächeln, wie geht das? zufriedenheit spüre ich als hohn. glück als naivität. freude erfriert an meinem gesicht.

und dann kommen sie.
aus den trümmern ihrer gegenwart. auf den nackten füßen der hoffnung. vorurteile fluten den menschenstrom. im schlamm der unbarmherzigkeit ertrinken ideale.

und dann sind sie da.
in den gehirnen hitzt die angst. die dürftigkeit der not lockt die notdurft der dummheit aus den ärschen des volkes. die unsicherheit bricht zacken aus der krone der menschlichkeit. wellen der unwissenheit stürzen als lüge und hatz über diffuse bedrohlichkeit. abwehr bläst zum angriff des pöbels. der überfluss regiert den wert.
mensch, wohin trägt dich die gier?

und dann sind sie da.
menschen erkennen menschen. nachbarn treten aus ihren schatten. springen über die zäune der feigheit in die pferche der ignoranz. reißen der oberflächlichkeit die masken vom gesicht. lichterketten zeigen den weg in eine kriegslose zukunft. schulter an schulter pflückt sich die blume der zuversicht leichter. hände öffnen sich zum geben. umarmungen legen sich um zitterndes erwachen. belohnung fällt aus augen. glück fällt aus gemeinsamkeit. angst kehrt sich zum mut.

und dann ist sie da.
leben ist entscheidung. nur dinge haben zwei seiten. eine lebenseinstellung ist kein ding. ich weiß mich zu entscheiden.

und dann bist du da.
du lächelst. wie geht’s? fragst du. und ich denke: mir geht es gut. aber wie geht es wohl dir? denn du kannst es mir nicht sagen. dein deutsch ist noch nicht gut genug dafür. doch du lächelst. mir freude ins gesicht.

 
© evelyne w.

lintschi liest

 

zufluchten

 
und dann kommt sie.
angst kriecht aus meinen zufluchten. krieg tritt in mein blickfeld. lächeln, wie geht das? zufriedenheit spüre ich als hohn. glück als naivität. freude erfriert an meinem gesicht.

 
und dann kommen sie.
aus den trümmern ihrer gegenwart. auf den nackten füßen der hoffnung. vorurteile fluten den menschenstrom. im schlamm der unbarmherzigkeit ertrinken ideale.

 
und dann sind sie da.
in den gehirnen hitzt die angst. die dürftigkeit der not lockt die notdurft der dummheit aus den ärschen des volkes. die unsicherheit bricht zacken aus der krone der menschlichkeit. wellen der unwissenheit stürzen als lüge und hatz über diffuse bedrohlichkeit. abwehr bläst zum angriff des pöbels. der überfluss regiert den wert.
mensch, wohin trägt dich die gier?

 
und dann sind sie da.
menschen erkennen menschen. nachbarn treten aus ihren schatten. springen über die zäune der feigheit in die pferche der ignoranz. reißen der oberflächlichkeit die masken vom gesicht. lichterketten zeigen den weg in eine kriegslose zukunft. schulter an schulter pflückt sich die blume der zuversicht leichter. hände öffnen sich zum geben. umarmungen legen sich um zitterndes erwachen. belohnung fällt aus augen. glück fällt aus gemeinsamkeit. angst kehrt sich zum mut.

 
und dann ist sie da.
leben ist entscheidung. nur dinge haben zwei seiten. eine lebenseinstellung ist kein ding. ich weiß mich zu entscheiden.

 
und dann bist du da.
du lächelst. wie geht’s? fragst du. und ich denke: mir geht es gut. aber wie geht es wohl dir? denn du kannst es mir nicht sagen. dein deutsch ist noch nicht gut genug dafür. doch du lächelst. mir freude ins gesicht.

 
© evelyne w.

lintschi liest

 

Miteinander-Abend

so, ich hab mich bisher – außer in meinen schnipseln – zurückgehalten, etwas über flüchtlinge, asylanten und dgl. abzusondern. das tun eh alle anderen. und meine einstellung ist hinlänglich bekannt.
heute jedoch möchte ich eine kleine ausnahme machen. aber ich möchte nicht von not und tod, angst und krieg schreiben, oder mich mit unhaltbaren lösungsansätzen wichtig machen.
sondern darüber, was ich gestern erleben durfte.

in unserer nachbargemeinde gibt es ein flüchtlingshaus mit 80 männlichen bewohnern.
ein unglaublich engagierter betreuer versucht, nicht nur im haus für betreuung zu sorgen, sondern auch kommunikation mit der bevölkerung herzustellen.
er hat ein „cafe intercult“ eingerichtet. also im haus, nicht als lokal und gestern gab es einen miteinander-abend im seerestaurant. jeder teilnehmer lud einen flüchtling zum gemeinsamen essen ein.
erfreulicherweise kamen sogar mehr eingesessene, als zuwanderer.

hier aber nun meine ganz persönlichen eindrücke.

selten habe ich in dieser größenordnung eine ansammlung von derart freundlichen, netten, höflichen, respektvollen und sogar glücklichen männern erlebt. und durchwegs alle höchst gepflegt – mit wunderschönen zähnen, z.b.

das abschütteln der anspannung der flucht und auch des lagers traiskirchen haben die jungen männer jetzt erstmals mit entspannung und glück erfüllt.
es ist ihnen deutlich anzumerken, wie sehr sie es genießen, wieder mit menschen in berührung zu kommen, akzeptiert zu werden. sie freuen sich, deutsch lernen zu können. sie möchten kommunizieren.
sie sind offen, nicht verschlagenes ist an ihnen, und – meine damen! – den frauen absolut nicht abwertend oder despektierlich gegenüber. es ist auch so, dass viel der ehrenamtlichen betreuung von frauen bewerkstelligt wird. man merkt sofort, wie gut der emotionale draht funktioniert.
naturgemäß sind es ältere damen, aber diese werden nahezu vergöttert von ihren schützlingen.
aber auch am umgang mit den jüngeren frauen konnte ich nichts auffälliges entdecken. gerade bei uns am tisch waren welche zugegen.

selbstverständlich ist klar, SO kann es nicht bleiben. auf dauer können wir erwachsene männer nicht einfach wie kinder betüteln. wenn die erste entspannung abflaut, werden die traumata hervorkommen. die untätigkeit zu der sie verdammt sind, wird ebenfalls ihr scherflein beitragen.
aber der weg muss eindeutig auf dieser linie basieren!
so funktioniert integration und – prävention!

wir müssen dafür sorgen, dass diese menschen sich integrieren können, nicht umgekehrt!
wir können den politischen weg nur durch wahlen beeinflussen und behördenwege nicht beschleunigen, aber wir können den unterstützung suchenden dabei helfen, die zeit nicht untätig zu verbringen. unsere sprache, etwas über uns und unsere lebensweise zu lernen.
ihnen werte, wie akzeptanz und interesse am miteinander vermitteln.

denn in diesem zusammenspiel wird bald erkennbar, wer nicht lernen will, wer sich mit den gegebenheiten nicht anfreunden will. und ich glaube, dass diese zuwanderer dann selber eine distanzierung zu ihren schwarzen schafen herstellen werden.
zu gern möchten diese männer ihr leben in die hand nehmen, es auf positive beine stellen, eine perspektive haben.

man muss ihnen zeigen, wie es bei uns läuft, wie die gesellschaft funktioniert.
wie bei kindern darf man nicht davon ausgehen, dass sie es einfach von selbst wissen. sie kommen aus einem anderen kulturkreis. aber sie sind nicht gekommen, um uns hier ihren stempel aufzudrücken, sondern um mit uns zu leben. sie wollen perspektiven!
keineswegs möchte ich erwachsene männer auf kinderniveau pressen, doch das prinzip ist einfach das gleiche:
antiautoritäre erziehung ist genauso schlecht wie streng autoritäre.
forderung führt leicht zu überforderung und wird zu abwehr und aggression.
je empathischer wir vorgehen, desto besser wird das problem bewältigt werden können – das unser aller ist. DAGEGEN werden wir absolut NICHTS tun können.
aber dass wir es bewältigen, DAFÜR können wir sehr viel tun.

und noch etwas: wir in unserer übersättigten gesellschaft kennen dieses tolle gefühl ja gar nicht mehr, wie es ist, wenn sich jemand über das, was man ihm gibt, freut. unsere kinder und enkel nehmen ihre geschenke und nach minimalster zeit sind sie uninteressant. meistens wissen wir gar nicht mehr, was man ihnen schenken soll und es werden nur mehr geldbeträge abgegeben.

hier haben menschen an gebrauchten dingen freude, an einem glas cola, auf das man sie einlädt, kinder freuen sich über ein bisschen schokolade oder zuckerl. wo gibt es das bei uns denn noch?
alle sind so überfressen, dass sie nur mehr diätcola trinken und die so toll beworbene schokolade (weil konsum ja funktionieren muss) nur mehr im geheimen fressen. von freude weit und breit keine spur.

ach ja: ihre vielzitierten smartphones verwenden sie, um zu übersetzen …

ich jedenfalls bin sehr dankbar für diesen tollen abend, den ich miterleben durfte. SPÜREN durfte, wie es läuft und deshalb in zukunft nicht erst meine gedanken vom müll trennen muss, der mir täglich über den kopf geleert wird.
ich bin froh, in solcher nachbarschaft zu leben und und ich kann euch sagen, es gibt einen haufen leute in meinem umfeld, von denen ich das absolut nicht sagen kann. und das sind keine zuwanderer …