Video von meiner Lesung im Pflegeheim

 
lesung frauenkirchen

Eine Begleitperson machte einen Mitschnitt. Auch wenn das Material nicht sehr gut war, so bin ich doch sehr dankbar, dass ich es zur Verfügung habe. Es ist eine schöne Erinnerung für mich und vielleicht ja trotzdem auch ein Anstoß …

Leider fehlt der Anfang, die Begrüßung und der Einstiegs-Walzer (um den mir ein bisschen leidtut, weil der wirklich super ankam) und musste auch die Pendeluhr gestückelt werden. Natürlich habe ich auch sonst einiges herausgeschnitten. Aber 10 Minuten sind eh lang genug …

Mein Mann meinte, dass leider die Stimmung nicht so herauskommt, wie sie vor Ort war. Ich glaube, das liegt daran, weil man die Damen fast nicht sieht und die ja eher nonverbal kommunizierten.
Aber wie gesagt, eine sehr schöne Erinnerung und ein bissl was sieht man ja doch …

 

Lesung „In der Umarmung des Vergessens“

 
Am 12. Juni war es so weit, ich hatte meine erste Lesung vor Zielpublikum, in dem mir bis dahin unbekannten SeneCura Sozialzentrum Frauenkirchen. Das Literaturhaus Mattersburg hatte mich im Rahmen seiner Veranstaltungsreihe „Literatur auf Rädern“ dafür angefragt.

Die Zusammenarbeit im Vorfeld war bereits höchst angenehm. Die Betreuer waren sehr interessiert und entgegenkommend.

Selbstverständlich setzte ich mich nicht an einen Tisch für meine Lesung. Ich wollte beim Lesen auf die Menschen zugehen, Augenkontakt suchen, sie eventuell – wenn möglich – sogar berühren. Zu diesem Zwecke bildeten wir einen Halbkreis für die schon etwas fortgeschritteneren Fälle.

Die Lesung fand in der Kapelle des Hauses statt und vielleicht war das ein bisschen ein Nachteil. Nicht alle Insassen verließen ihren Wohnbereich. Ich kenne das von meinen Angehörigen, wenn etwas extern veranstaltet wird, ist die Barriere zu groß.
Andererseits war es wahrscheinlich genau die richtige Größe für die Gruppe, um nur ja jeden einzeln zu erreichen.

Ich war schon etwas früher dort, um alles in Ruhe vorbereiten, mich auf den Leseraum einspüren zu können.

Lesung frauenkirchen

Und so waren es sehr bewegende Augenblicke für mich, als die ersten Gäste eintrafen. Von ihren Betreuerinnen im Rollstuhl hereingeschoben oder an der Hand hereingeführt wurden. Nur drei oder vier konnten noch ohne Hilfe ihre Plätze einnehmen. Ich begrüßte jeden einzeln mit Handschlag und wurde beinahe enthusiastisch aufgenommen.

Nach der Begrüßung begann ich mit meinem Walzertanz.
Und ich merkte sofort, dass der Funke sprang!
Ich wiederholte den Refrain öfter als geschrieben und drehte mich zu allen Seiten. Und ja, sie wippten tatsächlich mit!

Dann die Pendeluhr, auch hier war noch Schwung und Bewegung drinnen.

Eigentlich begann ich dann erst mit der „Lesung“.
Aber da war das Interesse der HörerInnen schon gut bei mir.

Ich kann sagen, die Lesung war genauso, wie ich sie mir vorgestellt, mir gewünscht hatte.
Ich suchte immer Augenkontakt, ging auf die einzelnen Hörerinnen zu (in der ersten Reihe saßen keine Männer – es waren ja überhaupt nur drei da) und las sie direkt an. Ich unterstützte mit Körpersprache.

Und ich merkte deutlich, wie sehr sie dabei waren. Manchmal sagten sie auch etwas dazu. Wiederholten ein Wort oder eine Zeile. Kopfnicken war das Mindeste.
Einzig der Herr in der zweiten Reihe gähnte immer laut. Aber er schien auch verschnupft zu sein, hielt sich dauernd ein Taschentuch vor die Nase …

Dann bekam eine der Damen Durst und verlangte nach Wasser. Da machten wir alle eine kleine Trinkpause.

Gestärkt ging es dann ins Finale. Und es war wie vorher. Das Interesse war da und wir hatten einen guten Draht zueinander.
Zuletzt las ich dann noch Wichtig! und dabei ging ich wirklich bei jeder Zeile zu einer der Damen und las sie direkt an. Das war so, ja wichtig! Und wirklich unglaublich berührend.

Zu guter Letzt verabschiedete ich mich wieder per Handschlag und fragte natürlich auch, wie es gefallen hatte. Und von den Antworten und Reaktionen werde ich noch lange zehren.

Ja, das Projekt hat sich gelohnt! Und ich kann es wirklich nur jedem empfehlen, sich ein bisschen mit alten Menschen auseinanderzusetzen und zu beschäftigen! Da bekommt man sehr viel zurück!

lesung frauenkirchen

 

Und jetzt das Buch!


Es wird ein Buch geben! Für dieses, mein Herzensprojekt!
Illustriert mit den Bildern meines Zyklusses „Griselinas – Dementia“
Meine Freude ist riesengroß!

Veröffentlichung 25. April 2012

in der umarmung des vergessens

Nähere Infos unter In der Umarmung des Vergessens

Klappentext:

Dementielles.
Ein Wort. Ein Begriff, mit dem nicht jeder etwas anfangen kann.
Ein Untertitel für eine Sammlung, die es bisher in dieser Art noch nicht gab.

Es geht um Demenz. Das liegt wohl auf der Hand.
Evelyne Weissenbach beschäftigt sich auf verschiedene Art und Weise mit dieser Thematik.
Einerseits in kleinen Geschichten über Begegnungen mit demenzkranken Menschen.
Andererseits in nachdenklichen Texten mit Validationshintergrund.
In den Schreibpausen – Versuche, ihre Gefühle mit dem Pinsel auszudrücken.

Doch dann kommt das bisher Einzigartige dazu.
Auf der Suche nach Texten, die sie bei einer Lesung in einem Pflegeheim verwenden könnte, musste die Autorin feststellen, dass es für diese Menschengruppe keine literarischen Texte gab.
Darin sah sie eine große Herausforderung und eine schöne Aufgabe.
Und sie schrieb
Gedichte und Kurzprosa FÜR Demente.
Um jenen Menschen kleine Erinnerungen zu bescheren, die in der Umarmung des Vergessens leben.

Dementielles.
Ein Wort. Ein Begriff, der Berührendes beinhaltet.

 

MemMini No. 02 – Schürzenkinder

 
Schürzenkinder

Als ich ein Kind war …

trugen wir Schürzen.
Die Kleider mussten geschont werden. Manche hatten nur eines.
Ich trug Kleiderschürzen mit Rüschen an den Armen.
Andere trugen Latzschürzen mit großen Schleifen auf dem Rücken.

Alle Mädchen fanden sie lästig
und freuten sich, wenn es ihnen gelang,
einmal ohne Schürze zu entwischen.

© evelyne w.

schuerzenkind

 

Vom langen Leben

 

Vom langen Leben

Selbstverständlich mache ich mir auch abseits von lyrischen oder Prosatexten Gedanken über die Demenz.

Lang leben wollen wir alle, aber nicht alt werden!

Es ist noch nicht so lange her, da zog sich die Demenz noch nicht in so großem Aufkommen durch unsere Gesellschaft. Die Menschen wurden einerseits nicht so alt und andererseits waren auch die gesellschaftlichen Strukturen ganz andere. Alte Menschen lebten viel mehr in ihrem Familienverbund. Von dieser Position aus wurde die Demenz nicht so offenkundig. Und vielleicht gingen die Angehörigen damals mit ihr auch geduldiger, bzw. selbstverständlicher um. Die Individualität des Einzelnen hatte noch einen größeren Stellenwert in der zwischenmenschlichen Kommunikation.

Ich habe schon seinerzeit in meinem Buch „Lerne.Selbst.Lieben“ die verhängnisvollen Zusammenhänge der propagierten Ewige-Jugend-Gesellschaft aufgezeigt. Wir Menschen in der westlichen Welt werden als Wirtschaftsfaktor be- und gehandelt. Und haben deshalb ganz andere spezifische Probleme als z.B. die Menschen in der Dritten Welt.
Der Werbeslogan „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ ist bezeichnend für die Richtung aus der unsere Individualität über das kollektive Unbewusste gesteuert wird.

Demente Menschen sind kein Wirtschaftsfaktor. Man kann ihnen nichts mehr verkaufen!
Deshalb werden sie zu einer besonderen Randgruppe. Zu einer, die in der Öffentlichkeit keinerlei Rolle mehr spielt. Es gibt keine Werbung, keine Filme, keine Lobby, sie leben jenseits der Scheinwerfer und haben deshalb in der öffentlichen Meinung ebenfalls keinen „Wertfaktor“.

Das größte Geschäft ist mit der Angst zu machen!
Menschen in Angst zu halten, dass sie nicht dazu gehören (wozu auch immer) ist die wirksamste Methode, sie zu Konsum zu nötigen.
Und am besten eignet sich etwas, das im Prinzip nicht erreicht werden kann. Ewige Jugend z.B.
Diese ist ein unerschöpflicher Born für Konsumzwang.

Sämtlichem Anflug von Alterserscheinungen werden riesige Geschäftszweige gegenübergestellt.
Ein unendliches Ersatzteillager an Körperersatz- oder Aufmotzteilen versucht dem Menschen vorzutäuschen, dass er sich vom Alterungsvorgang freikaufen kann.

Nun kann man aber den Alterungsprozessen des Körpers sozusagen mechanisch noch einiges entgegensetzen. Gegen die geistigen alterungsadäquaten Verfallserscheinungen jedoch gibt es keine Ersatzteile. Obwohl die gigantische Pharmaindustrie uns auch hier in den Konsumzwang gaukelt.

Es ist den meisten Menschen klar, dass im Alter die Haare grau werden, dass man die Zähne verliert, dass die Haut Falten bekommt und die Muskeln schlaffer werden. Dass auch manche Organe nicht mehr so klaglos arbeiten, sich die körperlichen Bedürfnisse ändern.
Doch dass die geistige Leistung ebenfalls einem Alterungsprozess ausgesetzt ist und sich auch die geistigen Bedürfnisse ändern, das wollen Viele nicht wahrnehmen. Es wird versucht, die natürliche Alterung bereits in eine Krankheit umzuwandeln.

Alter wird von uns heute sofort gleichgestellt mit Krankheit und/oder Demenz.
Und beides passt natürlich in kein Zeitgeistkleid.

Selbstverständlich ist es noch ein gewaltiger Unterschied von der altersbedingten Vergesslichkeit zur Demenzerkrankung.
Aber durch diese krampfhaften Verschleierungsversuche der eher harmlosen Alterserscheinung gelangen wir dynamisch in den Sog, mit der Demenz nicht umgehen zu können. Weil wir nie lernen, uns auf altersentsprechende Situationen einzulassen, ihre positiven Seiten für uns zu entdecken.

Der Fortschritt brachte uns auch eine durchschnittlich längere Lebenszeit.
Der Alterungsprozess bekommt deshalb auch andere Dimensionen. Wir können uns wohl länger an Jahren „jung“ erhalten, aber auch die Jahre des Alters haben sich vermehrt. Deshalb treten die altersbedingten Erscheinungen selbstverständlich auch langfristiger auf und sind durch die zunehmende Zahl länger lebender Menschen vermehrt präsent.

Und unser Gemeinschaftsleben hat sich ebenfalls enorm gewandelt. Bei uns ist es heute fast nicht mehr möglich, die Familien über Generationen zusammen zu halten.
Wir leben in einer ganz anderen Gesellschaftsstruktur. Kleine Familienzellen in Zwei- oder Dreizimmerwohnungen. Frauen und Männer berufstätig. Oder kosmopolitsch aufgeteilt.

Bei uns ist es wichtig, dass es Pflegeeinrichtungen gibt.
Weil man einige Personen eines Haushalt oft nicht unbeaufsichtigt lassen kann. Seien es Kinder, aber oft auch die alten Menschen.

Es wäre ja auch besser, wenn die Kinder im Familienverbund aufwüchsen und nicht im Kindergarten und in der Ganztagsschule erzogen würden.
Aber heute gibt es schon ein Pflichtkindergartenalter! Weil die Kinder in den Wirtschaftsprozess eingegliedert werden müssen.

Also kommen die Kinder aus dem Haus und die Alten auch.

Aber für die Kinder gibt es Programme – denn die haben „Wert“ -, für die demenzkranken Alten nicht. Die Alten sind nur als „graue Panther“ etwas wert, weil da sind sie ein Wirtschaftsfaktor, da kann man ihnen Jugendwahn verkaufen.

Aber – was will man einem demenzkranken alten Menschen verkaufen?

Ihn erreicht keine Werbung, kein Meinungsbilder, kein Zeitgeistflüsterer.
Eigentlich ein paradiesischer Zustand …

 

Dementia Poetry – Die Idee II.

 

Memory in miniatures

Bei der geistigen Vorbereitung einer Lesung bin ich auf eine weitere Facette gestoßen. Es gibt in diesem Hörerkreis Menschen in unterschiedlichen Stadien der Demenz.
Man darf also nicht alle auf das fortgeschrittenste Stadium reduzieren. Es muss auch für die anderen etwas angeboten werden.
Die weiter fortgeschrittenen Personen werden dabei einerseits einfach als Anwesende integriert. Können aber vielleicht sogar ebenfalls noch mit dem Vortrag, oder einzelnen Erinnerungsworten angesprochen werden.

Deshalb werde ich meine Dementia-Poetry-Serie um eine Sparte erweitern:
Die Memory-Miniaturen = MemMinis.

Es handelt sich dabei um kurze einfache Prosatexte, die sich mit Erinnerungen aus längerfristig zurückliegenden Situationen beschäftigen.
Um den Bogen besser vom Vortragenden zum Hörer schaffen zu können, wähle ich als perspektivischen Eingangssatz:
„Als ich ein Kind war …“

 

DemPoem No. 6 – Waschtag ist!

Und auch heute eine kleine Hilfestellung: Waschrumpel
.

Waschtag ist!

In der Waschküche
dampft es warm
Im Kessel kocht
die Wäsche

Wir gießen sie
in den Waschtrog
Und krempeln uns
die Ärmel hoch

Und wir waschen
und reiben
die Wäsche im Waschtrog

Was nicht gekocht wird
muss gerumpelt werden
Dafür nehmen wir
die Waschrumpel

Und wir waschen
und rumpeln
die Wäsche im Waschtrog

Dann holen wir
die Kinder rein
und stellen sie
in den Waschtrog

Und wir waschen
und baden
die Kinder im Waschtrog

Und dann
auch noch uns

© evelyne w.

waschtag ist - audio