mit der kraft der worte
übertünche ich
die schwäche meiner gedanken
wände aus fantasie
bauen mein haus
in schwebende leere
auf dem kargen hof
tummeln sich
die freunde der kindheit
in einem blumenmeer
das dort niemals geblüht
Der Ohrring I.
Gehen ließ sie sich nie. Äußerlich.
Bis vor kurzem duschte sie noch allein und wusch sich selbst die Haare. Täglich.
Schöne Hände hat sie. Immer noch. Wenn ich komme, lackiere ich ihr die Fingernägel. Silber.
Schmuck war immer wichtig. Auch Kleidung. Sind es auch heute noch.
»Wo ist dein Ohrring?«
»Es hat geblutet.«
»Was hast du gemacht?«
»Ich habe nichts gemacht. Es hat geblutet.«
»Ist er kaputt?«
»Ich habe nichts gemacht.«
»Wo ist er? Wenn er kaputt ist, lasse ich ihn reparieren.«
»Sie haben ihn weggenommen.«
»Wer hat ihn weggenommen?«
»Sie stehlen wie die Raben.«
»Da ist er ja. Ich nehme ihn mit.«
»Er gehört mir.«
»Ja, aber er ist kaputt. Ich lasse ihn reparieren.«
»Ich habe nichts gemacht.«
Der Besuch III.
Die Freude fühlt sich warm an. Meine. Und auch ihre.
»Hier ist es so schön«, sagt sie. »Jedem gefällt es. Alle sagen, bei mir ist es am schönsten.«
»Es ist auch wirklich schön hier«, bestätige ich. »Von wem hast du die Puppe bekommen?«
»Die gehört mir.«
»Ja, aber von wem hast du sie bekommen? Die ist wirklich hübsch.«
Ihre Augen werden unruhig. Sie bringt ihr Gesicht ganz nahe an die Puppe. Ihr Oberkörper schaukelt von links nach rechts.
»Ich … ich …«. Sie greift nach der Puppe. »Da hast du sie«, stößt sie dann heraus.
»Nein, lass nur, es ist deine Puppe.«
»Aber … wenn … ich … du …«
Ich umarme sie. »Lass nur, ich habe keinen Platz für sie. Bei dir hat sie es schön.«
Sie strahlt.
»Es ist so schön. Jedem gefällt es bei mir.«
Ich küsse sie auf die Schläfe. Sie ist so klein geworden.
»Ich schaue dir nach«, sagt sie an der Tür. »Solange ich dich sehe.«
Ich drehe mich um. Sie winkt.
Ich drehe mich noch einmal um. Ihre Augen sind zusammengezogen.
»Sie ist weg«, höre ich sie murmeln. »Sie ist weg.« Ihr Gesicht bekommt einen leeren Ausdruck.
Ich gehe zurück. Will sie noch einmal küssen.
Ihr Gesicht leuchtet erfreut auf.
»Wie schön«, sagt sie. »Ich habe schon so lange auf dich gewartet. Ich habe gedacht, du kommst nicht mehr.«
Vom Verstehen
Am Anfang stand die Ungeduld.
Alle waren ungeduldig mit ihr. Auch ich.
Da weinte sie. Viel. Und auch ich.
Dann kam der Tag. Ich verstand das Verstehen.
Wenn sie mich nicht versteht, dann verstehe auch ich sie nicht.
Könnte ich sie verstehen, würde ich nichts von ihr fordern.
Der Augenblick wäre Geschenk. Für sie. Und auch für mich.
Warum verlangte ich es dann von ihr?
Verstehe ICH denn nicht?
Doch! Seither schon …
Die Flucht hat ein Ende
Immer war sie auf der Flucht. Vor den Prügeln ihres Stiefvaters. Vor dem Leben. Vor dem Muttersein.
In die Krankheit.
Immer floh sie in ihre eigene Welt. Ohne Partner. Ohne Kinder.
Mit Hilfe der Ärzte.
Wohlbefinden gestand sie sich nie zu. Die Krankheit schützte sie vor Verantwortung.
Die Abhängigkeit gab Struktur. Bot Halt.
Jetzt ist sie glücklich. Alles geschieht von selbst. Nichts wird von ihr verlangt.
Auf dem Balkon hat sie ein ruhiges Plätzchen. Erstmals in ihrem Leben hat sie keine Angst.
Auch ihre Suche hat ein Ende. Und ihre Flucht. Endlich ist sie angelangt.
1.
Wir wissen von verschiedenen Forschungsergebnissen, dass ein Embryo bereits die Stimmungen der Mutter übernimmt. Weiters ist, denke ich, bereits unbestritten, dass die ersten Lebensjahre (vornehmlich bis zum zweiten) für die Konditionierung des Gefühlshaushaltes eines Menschen am wesentlichsten sind, die dem Prozess der Individuation zugrunde liegt.
Daraus ergibt sich für mich eine logische Schlussfolgerung:
Ein Kind in dieser Zeitphase kann im Prinzip nur emotionale Erfahrungen machen. Erst nach und nach werden diese von den bewussten überlagert. Und dort entstehen dann natürlich enorme Ambivalenzen. Weil der bewussten Wahrnehmung oft gefühlsmäßig etwas ganz anderes zugrunde liegt.
Also –
Eine Mutter, die z.B. in ihrem Leben überfordert ist, wird keine gute Stimmung auf ihr Kind übertragen können. Das Kind wiederum hat aber keine Möglichkeit, zu unterscheiden. Es wird diese Stimmung mit sich selbst in Zusammenhang bringen.
Wenn nun beispielsweise die Mutter Streit mit ihrem Chef oder dem Finanzamt hat, dann kann es passieren, dass das Kind dies auf sich bezieht und ein Schuldgefühl entwickelt! Dieses Schuldgefühl kommt aus der untrennbaren Symbiose von Mutter und Kind. Wir werden dieses Schuldgefühl auch später empfinden, wenn wir der Selbstliebe nicht folgen. Z.B. wenn wir zu viel essen! Das ist in den meisten Fällen nicht selbstliebend – und das Schuldgefühl dafür ist ein gängiger Faktor in unserer Gesellschaft.
Wie wir sehen, sind zu diesem Zeitpunkt also Mutter und Kind eins und unterliegen deshalb miteinander dem Prinzip der Selbstliebe.
Wie man sich leicht vorstellen kann, erzeugt die Ambivalenz in diesem Einssein enormen Schmerz. Das Kind wird sich schützen. Und in den meisten Fällen wird es emotional der Mutter folgen, weil es keinen anderen Schutz kennt – und eigentlich auch gibt.
Dann kommen die bewussten Erfahrungen und die „Erziehungsphase“. Dann stimmt oft gar nichts mehr. Das Kind wird wie ein Schilfrohr im Wind schwanken zwischen dem Folgen der Mutter oder der Abwendung. Aber – und das ist jetzt der springende Punkt: Es wird ihm nie mehr im gesamten Ausmaß bewusst werden, wo und wann dieser Weg eingeschlagen oder verlassen wird. Und zwar bei allen Entscheidungen des täglichen persönlichen Erlebens. Denn auch wenn das Kind sich im Unbewussten an der Mutter orientiert, wird bei sehr vielen der bewusste Weg in das Gegenteil verfallen.
Wir alle kennen die Fälle, wo Kinder von alkoholkranken Müttern ebenfalls alkoholkrank werden, oder andererseits zu militanten Antialkoholikern werden.
Daraus ergibt sich aber wieder offenkundig, dass Mütter in den seltensten Fällen mit ihrem Leben im Einklang stehen. Schon allein aus der Dynamik, die sich daraus ergibt.
Und deshalb sage ich immer: Das Gegenteil ist nur dasselbe. Weil es keine Lösung der Mutterbindung mit sich bringt.
Man muss lernen, etwas ANDERES zu machen.
Interessant wäre natürlich in diesem Zusammenhang, wie Menschen, die sich nicht von ihren Müttern geliebt fühl(t)en, denn die Liebe ihrer Mütter als richtig angesehen hätten. Wo liegt die Wurzel dieser Aussage, woran wird sie festgemacht?
An der mangelnden Betreuung, sei es seelisch oder körperlich? Ist diese ein Kriterium dafür, dass man die Liebe der Mutter fühlen kann?
Ich glaube nicht!
Es kann auch eine schwerkranke Mutter, die ihr Kind nicht betreuen kann, ihr Kind lieben und es muss für dieses voll spürbar sein. Also – wo ist dieser Knackpunkt?
Weiterlesen >>> Gedanken über die Mutterliebe II.
2.
Daraus ergibt sich natürlich logischerweise, dass andererseits eine Mutter, die ihr Kind „perfekt“ betreut, dies noch lange nicht aus Liebe machen muss.
Sie kann das aufgrund von Neurosen machen
• aus Minderwertigkeitsgefühl – um anderen etwas beweisen zu wollen
• was auch oft vorkommt: um ihren Besitz zu pflegen
• kann ihre eigenen Defizite damit decken wollen
und da gibts noch einiges, wie sich denken lässt.
Und all das, um sich selbst den Schmerz der Erkenntnis sparen zu müssen, nicht lieben zu können.
Und wie wir vorher schon „gelernt“ haben, sich selbst nicht lieben zu können. Denn das ist der größte Schmerz im Leben eines Menschen.
Nicht, wenn ihn seine Mutter nicht liebt, oder der Ehepartner. Schon gar nicht, wenn das Kind ihn nicht liebt, sondern wenn die Selbstliebe fehlt, dann gibt es keine Liebe im Leben eines Menschen und er setzt mehr oder weniger Ersatzhandlungen, um sich diesen Schmerz zu ersparen. Füllt sein Leben mit Ersatz, weil die wesensgerechte Fülle fehlt.
Aber ein erwachsener Mensch ist für seine Selbstliebe selbst verantwortlich!
Wenn ihn seine Eltern diese also nicht lehren oder vorleben konnten, dann kann er sie als Erwachsener noch jederzeit lernen und ist dann auch dafür zuständig. Und nicht mehr die Mutter …
Da die Mutter eines Erwachsenen nicht mehr in dem Einssein-Paket enthalten ist, kann er sich eindeutig selbst dafür und dazu entscheiden, WIE er liebt.
Nur – wenn es LIEBE sein soll, und nicht das Weiterführen der dynamischen Vorgänge, die die Altvorderen in ihn abgesenkt haben, dann muss aus der Selbstliebe Liebe erwachsen, also auch die Liebe zur Mutter – egal was sie getan hat … DAS wäre das ANDERE.
Die Liebe zur Mutter ist deshalb so wichtig, weil sie Liebe zu den Wurzeln eines Menschen ist, weil er ohne seine Mutter ja nicht in und auf dieser Welt wäre. Da ist keine Dankbarkeit vonnöten, wie das leider von so vielen Müttern „gefordert“ wird, aber die Liebe schon.
Lieben ist ein Prozess der Weiterentwicklung. wo eines aus dem anderen erwächst. Wenn wir also das nicht lieben, woraus wir erwachsen sind, dann fehlt uns eindeutig die Grundlage unserer Liebe. Denn wie wir sofort erkennen können, die Grundlage zur Selbstliebe.
Und noch etwas:
In der gesamten Schöpfung ist es so, dass Eltern ihre Kinder bis zu ihrem Erwachsensein begleiten und dann werden sie losgelöst.
Nur dem Menschen ist diese selbstverständliche Loslösung verstellt und zwar aufgrund seines Bewusstseins, aufgrund der Möglichkeit, bewusst eingreifen zu können. Nun könnte der Mensch sich bewusst zur Liebe entscheiden, zu seiner menschlichsten Fähigkeit. Das tut er leider aber meistens nicht. Und zwar aufgrund von dynamischen Vorgängen! Nicht aus Mangel an Mutterliebe!
Aber Pflege, Betreuung, Betüdelung kommen aus dem Sozialbedürfnis und sind kein unbedingtes Indiz dafür, lieben und Liebe weitergeben, bzw. ausdrücken zu können.