ausgrenzung

skulptur von michael hermann

 

dann ziehst du mich
in deine alabasterarme

mein traum
wird blendendweiß

doch dann
entdecke ich das kind

schutzsuchend
seitlich an uns gedrückt
im schmerz gefangen

schält es sich ungesehen
aus der blendung

mein herz wird blind
mag dich nicht teilen

mir nicht beflecken lassen
unsere zweisamkeit

© evelyne w.

 

 

diesmal möchte ich die geschichte zu diesem gedicht erzählen.
zuerst sah ich diese wunderbare skulptur von michael hermann. ich war begeistert. und fragte, ob ich mich davon inspirieren lassen dürfte, wofür ich die genehmigung erhielt.
also ließ ich die bilder auf mich wirken. und ich wartete und wartete auf eine eingebung, die der schönheit des anblicks entsprechen sollte. doch … die skulptur erzählte mir etwas ganz anderes, als ich mir gewünscht hatte.

Weshalb es MIR nicht wurst ist II.

Zu Teil I.

 

II.

Ich denke in diesen Tagen oft: Ich bin eine der ganz wenigen, die sich nicht von einem Bart von der Situation ablenken lässt, in die uns dieser gebracht hat.
Das liegt wahrscheinlich daran, dass der Song-Contest ja eindeutig zu meinen AUS-Knopf-Programmen gehört.

Deshalb wurde mein Interesse erst durch die Berichterstattung der Nebenschauplätze geweckt.
Und da entdeckte ich mir absolut vertraute Situationen.
Weil ähnliches Verhalten mir oft das Leben schwer macht.
Denn auch ich werde hin und wieder gemobbt.

Mir geht es im kleinen oft so, wie Conchita im großen.
Wenn ich mich mit meiner Meinung exponiere, weht immer wieder starker Gegenwind. Und oft wird er im persönlichen aufgemischt.

Ich habe erst vor kurzem damit zu kämpfen gehabt, dass SchreibkollegInnen meinten, es wäre unangebracht, in meinem Alter meine Haare noch so rot zu färben.
Und ich bräuchte mich nicht zu wundern, wenn ich immer wieder anecken würde (es ging um meine Texte!), wenn ich mich doch dadurch dauernd so aggressiv in den Mittelpunkt rücken würde. Denn damit strahle ich angeblich eindeutig Aggressivität aus. Und zwar eine, die meinem Alter nicht mehr angemessen zu sein scheint.

Ich spinne also wieder aus.
Toleranz in üblichen Aussagen:
Natürlich habe ich nichts gegen Homosexuelle, mir doch egal, was die zu Hause machen. Aber in der Öffentlichkeit …Und wenn sie sich nicht „normal“ verhalten, dann brauchen sie sich nicht zu wundern.
Aha.

Lintschi denkt also darüber nach, was das für sie bedeutet:
Natürlich hat niemand etwas gegen alte Weiber, die sich die Haare rot färben, aber bitte nicht in der Öffentlichkeit. Wenn sie aus dem Haus gehen, dann bitte Grauhaarperücke aufsetzen. Sonst brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn man sie von der Gehsteigkante stößt, wenn sie doch so aggressiv auftreten.

Das scheint Euch an den Haaren herbeigezogen? Na dann denkt noch einmal in Ruhe darüber nach …

Ich selber werde nie nachvollziehen können, was Menschen dazu treibt, andere zu mobben oder zu verfolgen.
Ich denke, es geht immer um Angst.

Ich muss gestehen, ich steige in diesbezüglichen Diskussionen auch oft aus. Denke mir, man kann die Welt nicht umdrehen. Also drehe ich lieber mich um und gehe weg.
Aber dann kommt so ein zartes Dingelchen und stellt sich vor Millionen hin und zeigt so viel Mut und Konsequenz, dass mir die Spucke wegbleibt.
Und ich wünsche mir: Ich wäre gern so mutig!
Ich verschanze mich hinter meiner Tastatur und oft hinter meinem Tagebuch, in das ich all das dann nur für mich schreibe, damit ich mich nicht dauernd mit Anderen konfrontieren muss …

Und deshalb bin ich froh, dass es solche Typen gibt, mit denen man (auch ich!!!) dann zumindest mitlaufen kann. Und den Negativ-Mitläufern wenigstens auf diese Weise etwas entgegensetzen kann.

Und noch etwas. Ich verstehe schon das nicht:
Mir persönlich wäre der Wurst-Bart absolut wurst gewesen.
Ob ein/e Künstler/in einen bunten Federhut auf hat oder einen Bart im Gesicht … Andere sind seltsam gewandet oder geschminkt oder tragen Masken. Ich habe noch nie bei einem Künstler nach seiner sexuellen Orientierung gefragt. Übrigens auch nicht bei Menschen, die sonst meinen Weg kreuzen. Die geht mich doch absolut nix an, oder?

Im gesamten gesehen ist Conchita Wurst für mich eine ästhetische Erscheinung.
Wenn ich an die ganzen abgefuckten Drogenabhängigen denke, die da oft auf einer Bühne herumkollern. Oder eben diese polnischen Hausfrauenbusenwunder …

Ich denke, wenn er die wirklichen Geschlechtsmerkmale in den Vordergrund gerückt hätte …
Wie das ja oft bei Travestiekünstlern (und nicht nur bei diesen) der Fall ist. Riesige Busen, aufgepolsterte Pöpsche, oder er hätte sich ja statt dem Bart auch einen Dildo umhängen, oder ein Suspensorium das Abendkleid ausbuchten lassen können. DAS wäre schlimm gewesen …

Aber ein Bart?
Ich kämpfe jeden Morgen mit meinem!

lintschi bye

(Ende der Wurst-Wurst)

 

 

2w1758auch hier und heute noch einmal, liebe freunde …
schreiben und denken kann ich ja blind. lesen ist im augenblick noch das größere problem. nur, dass ihr euch über eventuell seltsam anmutende antwortrituale dann nicht wundert …
ps: aber es geht mir gut! und alles läuft „normal“ – ach nein, das wort ist bei mir im augenblick grad nicht so positiv besetzt sagen wir also lieber doch exakter: absolut komplikationslos …

 

 

weshalb es MIR nicht wurst ist

 
Nein, für mich ist es noch nicht vorbei.
Natürlich, wenn man sitzt und viel Zeit zum Nachdenken hat und eh schon von Haus aus dazu neigt …
Und da der Hype um die Person und um den ESC naturgemäß nicht das ist, was mich beschäftigt. Denn der ist bereits gelaufen. Da läuft jetzt nur mehr die Werbe- und Mäntelchen-in-den-Wind-häng-Maschinerie.

Aber mir geht es um das, was da alles transparent wurde.
Deshalb spinne ich an Umlegungen auf andere Bereiche, um selber vielleicht auch zu mehr Transparenz beitragen zu können. Auf Auswirkungen, die sich von der Person losgelöst, einfach durch umgelegte Situationen ergäben.

Es gibt zwei Bereiche, die mich daran beschäftigen.
Zum Einen das Umlegen des Geschehenen auf andere Menschengruppen.
Und zum Anderen das Umlegen auf meine eigenen Situationen.

Heute als erstes: das Umlegen auf andere Menschengruppen.

Ich spinne also aus, dass ein österreichischer Durchschnitts-, also „Normalo“-Typ dort gestanden wäre. Einer mit schwabbeligem Bierbauch und Trainings-Anzug, Einer, wie sie zu Massen abends mit der Bierflasche vor den Fernsehern lümmeln.
Oder eine schicke Yuppie-Tussi. An der wahrscheinlich noch viel weniger echt wäre, als an dem guten Tom.

In einem sehr ernsthaften Beitrag wurde einer dieser Typen gezeigt, die Conchita ihre Meinung geigten. Der sich schämte, dass Österreich (also er) durch sie vertreten würde. Er hatte wohl an die 120 kg, trug ein vorsintflutliches Buschhemd, ließ nicht nur seinen Bauch, sondern auch viel von schlechtem Benehmen heraushängen und die faschistischen Aussagen waren Programm.

Man kann in der Zwischenzeit auch gut erkennen, wer eindeutig am meisten wettert. Das sind die „normalen“ Typen, die sich in Scharen auf Fußballplätze oder ähnliche „ganze Männer“-Sport- oder sonstige Veranstaltungen treiben lassen, tätowiert bis an die Zähne und deren Sprachschatz auf Parolen reduziert ist. Diese schwingen sie nun auch hier und man erkennt sie am zweiten Wort schon an der mangelnden Grammatik oder Rechtschreibung …

Ich sags wies ist: Gerne gestehe ich diesen Leuten das Recht zu, zu leben, wie sie es gerne möchten, und meinetwegen auch in der Öffentlichkeit. Auch wenn sie immer wieder mein Auge oder meinen Geist beleidigen.
Aber bitte, wenn es denn schon sein müsste, dass ich wählen müsste, dann wäre ich doch auch lieber auf die Art normal wie der kleine Tom und nicht SO normal wie einer dieser Typen, oder dieser aufgespritzen Tussen …

Noch mehr beschäftigt mich aber, in die Richtung zu spinnen, dass jemand eine Gruppe von Kopftücher tragenden Muslim-Damen geschickt hätte. Oder eine Gruppe Sinti oder Roma.
Nun, da wäre wohl eine noch größere Hasswelle über Europa geschwappt.
Aber wenn ich dann weiter spinne, dass auch hier der Hass eine Absage erhalten hätte …
Dann macht das doch Hoffnung!

Vor allem kann man dann doch wirklich klar erkennen, wie der richtige Weg aus Hass und Krieg aussehen müsste. Genau so!

Es muss also Menschen geben, die nicht zu Ausgrenzung, Vergeltung und Rache auffordern, sondern welche, die sich für Akzeptanz einsetzen. Für die Freiheit des Einzelnen, zu sich selbst zu stehen. Und toll, wenn sie das unter Einbeziehung ihres eigenen persönlichen Mutes tun. Nicht auf dem Rücken Anderer.

Denen kann man dann folgen. Da muss man selber nicht einmal den kleinen Finger heben. Was den meisten bekanntermaßen ja schon zu viel ist. Verständlicherweise größtenteils aus Angst!

Doch dann kann man das Verhalten der Masse angstfrei akzeptieren. Muss die Ängstlichen nicht anprangern und diese müssen sich nicht hinter irgendeinem krausen Verhalten verstecken. Einfach, weil sie dem Positiven folgen.
Es IST und bleibt der einzige zielführende Weg.

Aber Normalo-Typen werden wohl nicht leicht als Galionsfiguren wahrgenommen. Das wissen wir doch von uns, die wir uns immer wieder als Prediger in der Wüste fühlen …

Dass die Geschmäcker unterschiedlich sind – ja, sein sollen! – das ist doch klar. Und das ist doch genau das, wofür diese Conchita eintritt. Und es kann doch auch niemand glauben, dass egal, wer immer gewonnen hätte, dieser Beitrag einhellig vom Publikum aufgenommen wäre worden.

Aber das Besondere daran ist ja nicht das Lied, ist nicht die Person, sondern ist das, was dadurch ausgelöst wurde. Ein solidarisches Bekenntnis von Millionen Menschen aus ganz Europa und darüber hinaus, zur persönlichen Freiheit. Trotz enorm starkem Gegenwind.

Den Shitstormern wurde die Scheiße ins eigene Gesicht zurückgeblasen. Sie haben sich selber angeschissen.
Denn alle anderen haben keine Scheiße gesprüht.

Ich verstehe gar nicht, wieso es Leute gibt, die glauben, nun müssten sich alle an der Kunstfigur Conchita orientieren. Nun würden Werte auf den Kopf gestellt. Nun müssten alle plötzlich schwul werden, um „normal“ zu sein. Das können doch nur Menschen glauben, die sich keine persönlichen Freiheiten erlauben und sich jeder vorgefertigten Richtung anschließen.

Genau das Gegenteil ist der Fall! Conchita tritt dafür auf, dass jeder die Freiheit besitzen sollte, so zu leben, wie es seinen Neigungen entspricht. Und da geht es nicht nur um sexuelle! Also dürfen selbstverständlich auch die Konservativen konservativ bleiben.
Aber verfolgen sollten weder die Freigeister, noch die Konservativen, irgendjemanden auf der Welt.
Wenn wir an die Missionare denken, wissen wir heute ganz genau, dass auch diese guten Leutchen, die derart angeblich hohe moralische Werte vertraten, nichts anderes wollten, als über Zwang Macht auszuüben und die Welt keineswegs verbesserten.

Freiheit heißt das Zauberwort! Nicht Zusammenrottung Gleichgesinnter.
Aber Freiheit macht Angst! Das ist ein bekanntes psychologisches Problem.

 

Fortsetzung – Teil II.

 

 

was MIR nicht wurst ist

 
Natürlich wird jetzt viel gejubelt. Beinahe jeder fühlt sich berufen, nun seine Solidarität zu bekunden. Und ja, auch ich mache das.
Sehr gerne!

Und doch denke ich immer wieder, eigentlich gehen alle Kommentare am Wesentlichen vorbei.
Für mich geht es hier nicht um einen Sieg für so schwammige Begriffe wie Toleranz, und auch nicht darum, diese Homosexuellen gegenüber schulterklopfend zu zelebrieren.

Für mich geht es schlichtweg um einen Sieg über den Hass!

Was hier im Vorfeld abgelaufen ist, diese Hetze, diese Häme, bis zu Mord- und (natürlich auch) Vergasungsaufrufen und was weiß ich … ist unbeschreiblich. Es wurde ja nur das Böse in die Welt geschwappt. Denn wie oft üblich, die Masse blieb schweigend. Und abwartend! Das darf man jetzt nicht vergessen.

Ich möchte gar nicht an die Möglichkeit denken, dass Conchita Wurst total abgesackt wäre.
Dann wäre sie nämlich Freiwild geworden. Und diese Masse an Kellerasseln, die aus ihren Löchern gekrochen wären, um sie zu jagen und weiter zu beschimpfen und zu bedrohen, da kriege ich im nachhinein noch Atemnot vor Angst.

Doch … 350 Millionen Menschen waren dabei, als dem Hass eine klare Absage erteilt wurde! Und sei es auch aus Protest- oder Mitläufergründen …

Dieser zierliche Mann, denn für mich ist und bleibt Conchita ein Mann, und zwar aus dem einzig wahren folgenden Grund – zeigte mehr Eier als die blitzblauäugigen Machos unserer Gesellschaft und waffenschwingenden Kraftprotze dieser Welt alle miteinander.
Denn Tom ist kein Dummer, das hat er in den wenigen Stunden nach seinem Sieg am allerdeutlichsten gezeigt. Er weiß genau, was er tut, er weiß, warum er es tut und er hat den Mut dafür, sich und das, was er vertritt unter Bedingungen zu vertreten, die fast keine Grauzonen bieten, die meistens entweder Liebe oder Hass hervorrufen.

Und die Mitläufer sind überall. Und in diesem Fall laufen sie nun mit dem „Guten“.
Aber sie wären wohl auch mit dem „Bösen“ gelaufen.
Wir kennen das aus der Geschichte nur allzu gut.

Die Bewunderer wären weiter schweigende Minderheit geblieben. Und ich muss gestehen, auch mir wäre ein Song-Contest und dessen Gewinner nicht einen Buchstaben Wert gewesen. Abgesehen davon, dass mich der ganze Song-Contest absolut nicht interessiert, und auch seine Teilnehmer nicht. Ich mich aber an sich nie zu Fernsehprogrammen äußern würde, weil es einfach einen AUS-Knopf am Gerät gibt.
Aber dort, wo sich Anhänger deklariert hätten, wären sie sofort ebenfalls zu Verfolgten geworden. Wie es die Anders“artigen“ eben nun einmal sind.
Denn es geht hier nicht nur um Homosexuelle!

Es geht um Menschen, „die an Frieden und Freiheit glauben“, um Menschen, die Anderen zugestehen, zu leben, wie sie es für sich richtig halten, und niemanden anderen dabei verletzen!

“ Wir sind unaufhaltbar“ sagte Conchita. Und das stimmt, wir WÄREN unaufhaltbar, wenn wir nur alle so starke Männer wären, wie die Frauen unserer Welt …

Nicht von ungefähr hat er sich wohl für seine Botschaft als Frau verkleidet.
Denn Tom Neuwirth will keine Frau sein. Er ist ein Mann, der gerne Kleider und High-Heels trägt, sich gerne schminkt und für Mode interessiert. Und der mit seiner Kunst leben will. Wie alle anderen Künstler.
Er selber sieht sich nicht als Ikone, als Berufener, die Welt zu retten. Er sieht sich als Mensch, der sich die Freiheit nimmt, so zu leben, wie er sich spürt. Und ich hoffe, er wird weiterhin genug Kraft haben, sich dem Druck derer, die ihn nun für ihre Zwecke einspannen wollen, widersetzen zu können.

Aber was ich bisher von ihm gehört habe, bin ich da sehr zuversichtlich.

Gehört … da dachte ich gerade … ja, das ist wohl der springende Punkt. Denn ich schaue ja aus bekannten Gründen derzeit eher mit geschlossenen Augen. Also HÖRE ich … und offensichtlich sieht man dann auch klarer … weil man sich nicht von einem Bart in einem hübschen Frauengesicht ablenken lässt.

Und noch einen Aspekt finde ich absolut erwähnenswert:
WIR wird diesmal nicht im Sinne von national(istisch)er Zusammengehörigkeit verwendet, sondern für völkerübergreifende Einstellung zu Frieden und Freiheit. Das gefällt mir besonders gut daran.

Conchita, du bist eine wunderbare Frau und Tom, du bist ein ganzer Kerl. Ich gratuliere dir dazu, dass du beides in dir vereinen kannst!

© evelyne w.

 

2w1758
bitte liebe freunde, nehmt es mir nicht übel, wenn ich im gegebenen fall nur minimal und höchstens einmal täglich kommentare beantworte. aber ich bin immer noch im minimal-computerprogramm.
wie sich in der zwischenzeit herumgesprochen hat, hatte ich eine augen-op.
ich hab erfahren müssen, dass wenn man eine halb“öffentliche“ person ist, man so etwas leider nicht mehr privat halten kann.
„freunde“ tragen so etwas dann gerne in welt …
kein beinbruch, aber ich bitte um verständnis, dass ich mir derzeit nur kurze computer-lese- und schreibzeit erlaube.
aber dieser beitrag war mir, der frau liebesforscherin, und hinterfragerin von „masse und macht“ wichtig …