die nackten zahlen

der tag neigt sich. unter seiner last. er schleppt die bürde seines zorns. zynismus wirft geröll auf seinen weg. müdigkeit torkelt durch seine adern. er starrt auf seine leeren hände. brot schimmelt in verschlossenen truhen. wasser verfault in geschliffenen karaffen. dagobert duck badet in seinem münzensee. voyeure des todes schaufeln gräber. bedienen die geilheit schau-lustiger. kein platz für nackte überlebende.
erst wenn auch sie zu zahlentoten werden.

 

© evelyne w.

 

Die Gefälligkeitsrezension

 
Ich rezensiere gern. Allerdings mache ich das sozusagen als schreiberische Fingerübung. Ich schreibe über etwas, worüber ich mir Gedanken mache. Schreiben ist nun mal mein täglich Brot. Ohne Schreiben würde ich verhungern. Also denke ich, das ist eine gute Übung, wieder einmal in eine andere Art von Texten einzusteigen. Sozusagen eine textliche Herausforderung.

Bei Theaterstücken ist alles so weit klar. Da habe ich etwas vorgegeben. Eine Aufführung, die ich besucht habe. Das kommt nur ein paar Mal im Jahr vor. Da liegt meine persönliche Herausforderung darin, das auszudrücken, was ich dort empfunden habe. Auch wenn die Aufführung nicht meinem Geschmack entsprach. Ich bin dort neutraler Besucher.
Aber bei Büchern? Da gibt es so viele mehr in meinem Leben. Auch begleiten mich doch einige Autoren. Da muss ich auswählen, was ich rezensiere. Und ich arbeite mit Büchern. Weiß ein bisschen was von der Arbeit daran.

Da ich ein Mensch bin, der sich nicht gern zu lange mit Negativem aufhält, bzw. das Negative nicht in den Vordergrund rücken will, ergibt es sich von allein, dass ich nur Bücher rezensiere, die mir gefallen.
Obwohl die Anzahl derer, die mir NICHT gefallen, wesentlich größer ist …

Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass ich damit in einen Sog gerate, in dem ich eigentlich gar nicht sein möchte.
Heute wird rezensiert, dass sich die Balken biegen.
Aber nicht mehr um des Austauschs willen, sondern aus Marketinggründen.

Bei etablierten Autoren und Verlagen ist es selbstverständlich, dass gute Rezensionen den Verkauf eines Buches fördern können und klarerweise auch sollen. Andererseits hat es sich aber schon oft erwiesen, dass ein Verriss einen noch größerer Kaufanreiz darstellen kann. Da geht es also in erster Linie um Medienpräsenz. Darum, in aller Munde zu sein. Egal wie.

Doch wie wir alle wissen, gibt es ja eine ganz neue Szene. Die sogenannten Indie-Autoren. Und dort geht es nicht um „aller Munde“, nicht um neutrale Leser, die angereizt werden sollen, sondern um die Dunstkreise der Autoren.
Und unter diesen wurde eine eigene Rezensionsform geschaffen: Die Gefälligkeitsrezension.
Wie du mir, so ich dir.

Das Verhängnis bei diesen Rezensionen ist genau das gleiche, wie bei den Büchern selbst. Werden von einem Autor die Fehler seines Manuskriptes nicht erkannt und selbstbewusst ein Buch damit und daraus veröffentlicht, so habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Rezensent dieses einfach auf diesem Niveau übernimmt. Kritik ist nicht gefragt.
Und oft auch gar nicht möglich. Einerseits weil der sprachliche Ausdrucksrahmen fehlt, den Eindruck eines Buches konstruktiv zu kritisieren, andererseits natürlich, weil dies nicht dem Sinn des Anliegens entspräche. Und die Retourkutsche das eigene Werk in den Schlamm fahren könnte.
Aber ein höchst faszinierender Aspekt war für mich dennoch, als ich erkennen musste, dass Rezensenten diese Bücher oft gar nicht gelesen haben! Oder nur Teile davon.
Aber auch das ist ja nicht nötig, Hauptsache, sie haben ihren Netzwerkdienst geleistet.

Als Kritiker eines solchen Buches wird man sofort als Nestbeschmutzer angesehen. Die Lobby des Autors und seines Dunstkreises kehrt augenblicklich alles ins Gegenteil und stampft die Rezension, wie natürlich auch ein mögliches Buch des Rezensenten in Grund und Boden.

Mich fasziniert es immer wieder, wie unsere Gesellschaft heute tickt. Und selbstverständlich deshalb auch die Schreiblandschaft. Niemand ist mehr interessiert daran, sich weiterzuentwickeln. Wofür konstruktive Kritik unbedingt erforderlich ist. Nein, es wird sofort dem Anderen der Schwarze Peter zugespielt und wir tanzen weiter auf dem Vulkan der Eitelkeit und der daraus resultierenden Unantastbarkeit.

An seinem Rand wahrscheinlich auch ich …

Aber mit Gefälligkeitsrezensionen habe ich nichts am Hut! Da täte mir leid um die Zeit, die ich dafür aufwenden müsste. Und über ein Buch, das ich weglegen musste, weil es so langweilig war, dass ich nicht weiterlesen wollte oder gar, weil die Fehler meine Augen beleidigten, werde ich nie und nimmer öffentlich etwas schreiben, auch wenn es aus meinem Bekanntenkreis kommt.
In diesem Fall würde ich still und leise versuchen, im direkten Kontakt auf die Mängel hinzuweisen. Wenn möglich. Wenn der Autor das zulässt. Mein Freundschaftsdienst bestünde in diesem Fall in KEINER Rezension.

Wenn ich eine Rezension schreibe, dann tue ich meine persönliche Meinung kund, dazu will und muss ich stehen können. Ich tausche mich gerne darüber aus, aber es ist niemals eine Kaufaufforderung! Das möchte ich aus aktuellen Gründen hier unbedingt vermerken!

Ach ja, und selbstverständlich: Auch umgekehrt ist das so. Ich lege ebenfalls für meine Bücher keinen Wert auf Gefälligkeitsrezensionen! Und freue mich darüber, wenn mir jemand Kritik persönlich zukommen lässt. Ich vertrage sie und hinterfrage meine Texte IMMER danach!

 

Von der Chance der Veröffentlicher oder – … aber es ernährt sich

 
Ich sehe also, ob ich will oder nicht, einen Angriff auf das Printbuch.
Aber ich sehe darin noch etwas anderes, nämlich die Chance für Autoren.
Aber nicht für die E-Book-Schreiber und -Veröffentlicher. Sondern für uns, die wir Nischenautoren waren und Nischenautoren bleiben.

Schmerzhaft könnte es für die großen Verlage werden, und noch schmerzhafter für die Druckkostenzuschussverlage.
Aber Kleinverlage und auch Selbstverleger bekommen durch diese Entwicklung eine größere Chance.
Denn ich glaube sehr wohl, dass es immer Buchleser geben wird, wie es auch Menschen geben wird, die sich nicht von Fastfood ernähren.
Printbuchautoren können zu Biobauern für die Lesergemeinden werden.

Bücher kann heute jeder drucken lassen. Aber schreiben können sie auch heute nicht mehr Leute als vor Erfindung des Digitaldrucks.
Jeder, der im Kleinverlag oder gar selbst verlegt hat, weiß, was dann zu tun ist. Man muss Aussendungen machen, Telefonate führen, sein reales Umfeld abklappern, Networking betreiben, Lesungen organisieren usw. Und verkauft Bücher. An die Leute, die lesen. Und auch welche an jene, die etwas kaufen, weil sie es in ein Regal stellen wollen und das Buch schön aussieht. Oder beides. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen, aber es ernährt sich.

Für unsereins wird sich nichts ändern. Im Gegenteil, werden die Bücher weniger, steigt die Nachfrage nach denen, die es gibt.
Da Bücher heute nicht mehr nur in Buchhandlungen verkauft werden, kommt es wieder darauf an, wie wir unsere Kreativität und Arbeitsleistung für unsere Werke einsetzen. Aber wir haben die Leser auf unserer Seite. Und zwar jene, die bereit sind, sich Qualität zu leisten, die unsere Bücher bewusst wählen und denen ihre Freude daran etwas wert ist.

Die Sparer und Schnorrer stehen auf der anderen Seite. Das Netz ist übersät von Leuten, die alles kostenlos haben wollen. Und es gibt genügend Futter für diese gefräßigen Mäuler.
Mir persönlich erscheint es absolut nicht erstrebenswert, dort dazuzugehören.

Das Argument vieler Autoren für ihre E-Book-Veröffentlichung – so werde ich wenigstens gelesen – hinkt an alle Beinen. Sie werden downgeloaded, aber gelesen? In einem Zeitalter, wo eindeutig viel weniger gelesen wird als jemals zuvor, sollen all die vielen E-Books gelesen werden?

Ich bin Autorin, auch ich möchte gelesen werden, keine Frage. Aber ich möchte meine Leser erreichen. Und jeder einzelne, den ich erreiche ist mir viel wichtiger als 1.000 anonyme Downloads, die halt gerade getätigt wurden, weil es so günstig ist und es deshalb nicht darauf ankommt, ob sie in der Masse auf irgendwelchen Speichermedien verschimmeln.

Die spürbaren Veränderungen werden in den großen Verlagen eintreten und – bei den Druckkostenzuschussverlagen. Und um die wird ja wohl niemand weinen, oder?
BOD könnte auch davon betroffen sein, denn viele Autoren, die einfach irgendwie veröffentlichen wollten, werden nun eben lieber das wesentlich günstigere E-Book wählen.
Nur die ernsthaft Interessierten werden bleiben. Auch hier kann es also zu einer Qualitätsverschiebung kommen. Und insgesamt wird sich das Image der Buchautoren dadurch wieder enorm verbessern, das in der letzten Zeit ja einige Löcher bekommen hat.

Doch in unserem arbeitsreichen Nischendasein wird sich nichts ändern. Denn wir haben ja noch unsere Leser. Diese wandern so rasch nicht ab. Und wenn sich auch das allgemeine Leseverhalten ändert, so wird es doch immer welche geben. Es wird nicht mehr die Masse sein, aber auf unserem Markt wird auch nicht mehr so ein Gedränge sein.

Vom Beruf des Schriftstellers zu leben, war immer schon schwierig, auch für die ganz großen Literaten, wie wir wissen. Der wird sicher nicht leichter. Aber wir Autoren, die wir schreiben, weil wir wirklich gelesen werden wollen, und nicht einfach nur verkaufen, wir werden auch weiter gelesen werden. Weil wir weiterhin Bücher verkaufen werden.

Auch wird in den großen Verlagen ein Umdenken stattfinden müssen. Denn nun wird die Zeit kommen, wo nicht mehr auf einzelne Autoren und Produkte riesige Summen aufgewendet werden können. Wenn die Buchlesergemeinde kleiner wird, muss sie mit einer größeren Vielfalt versorgt werden, um ausreichende Geschäfte machen zu können.
Wenn man von einem Bestseller nicht mehr 1 Million Bücher verkaufen kann, sondern nur mehr hunderttausend, wird man 10 Bestseller veröffentlichen müssen.

Das Verlags-E-Book ist sowieso nur ein Alibiprodukt, meines Erachtens nach.
Die großen Verlage haben mehr Angst vor ihren eigenen E-Books als vor der Internet-E-Book-Klientel. Müssen mehr Angst davor haben.
Denn sollten sie einmal von einem Bestsellerautor mehr E-Books verkaufen als Printbücher, dann könnte dieser doch glatt auf die Idee kommen, sich mit einem Lektor und Marketingfuzzi selbständig zu machen. Denn dann braucht der auch keinen Verlag mehr. Ein E-Book-Verlag ist ein Laptop!

Deshalb forcieren die Verlage auch so gerne diese Marktzahlen, dass das E-Book nur einen minimalen Prozentsatz ihres Umsatzes ausmacht. Logisch, weil sie es ja auch in keinster Weise fördern.
Aber ich glaube das sogar, denn wie gesagt, auch ich finde, dass die E-Book-Gesellschaft, Schreiber wie Leser, eine ganz eigene Spezies ist, die als solche dem Printbuch nicht schaden wird können.
Die allgemeine Lese- und Sprachentwicklung wird die Marktsituation des Printbuchs verändern, aber wie gesagt, das könnte für ernsthafte Autoren auch Chance bedeuten.

 

Von der Gefährlichkeit des Lesens – oder Die Kürzelleser

 
Wie ich zuletzt schon schrieb, sehe ich es so, dass im Augenblick die E-Book-Leser noch eine eigene Klientel bilden. Im Augenblick noch, denn wie ich ebenfalls schrieb, die Entwicklung des Lesens nimmt Kurven, die wir bisher so nicht kannten.

Lesen wurde früher in den Schulen gelehrt und anschließend gefördert.
Das Image des Lesers hatte etwas Elitäres. Weil in den armen Familien weder Zeit, noch Geld und Platz für Bücher vorhanden war. Es hob den Bildungsstand und bot dadurch eine Verbesserungsmöglichkeit des eigenen Status. Man konnte sich mit Lernen (und Lesen) emporarbeiten.

Heute ist das anders. Heute gibt es einen breiten Wohlstands-Mittelstand, der sich nicht durch Bildung einen höheren Status verschaffen kann. Heute kann nahezu jeder so lange studieren, wie er nur mag – und muss dort aber gar nix lernen. Die neue Armut ist eine andere als früher. Sie betrifft nicht mehr die breite Masse, sondern bestimmte stigmatisierte Gruppen, in die die Menschen eher hineingeraten als dass sie ihnen von Geburt bestimmt sind.

Dieser Mittelstand sucht andere Wege, um elitär zu erscheinen. Er sucht die Annäherung an das werbemäßig vorgefertigte Ideal.
Lesen könnte da ein empfindlicher Störfaktor sein. Denn wer liest, der denkt, setzt Fantasie ein, nimmt sich Zeit für sich selbst. Auch wenn es Groschenromane sind, was er liest. Leser suchen sich ihre eigenen Ideale, die in der Welt angesiedelt sind, die sie lesen.

Wurde also früher in den Haushalten das Lesen oft nicht gefördert, weil die Menschen keine Zeit hatten, körperlich hart arbeiteten und sich Bücher nicht leisten konnten, so griff doch die Schule den Kindern und Jugendlichen unter die Lese-Arme.

Heute wird nicht einmal mehr richtig lesen gelehrt! Geschweige denn, ein Lesestoff inhaltlich oder sprachlich bearbeitet. Auch in die Schulen hat die Schnelllebigkeit und Schnellsprachigkeit des technisierten Konsumzeitalters Einzug gehalten.

Von Eltern und Kindern wird vorausgesetzt, dass sie einen Computer haben, ein Handy. Dort können sie von den Lehrern angeregte Lehrstoffe herunterladen. Die Kinder in meinem Umfeld schreiben Deutscharbeiten, wo sie von den Lehrern auf Google verwiesen werden, um zu recherchieren und ihre Arbeiten einfach in Zitaten schreiben dürfen.

Damit mich niemand falsch versteht, das ist kein Anwurf an die Lehrer. Diese können die Vorgaben ihres Ministeriums auch nicht wesentlich verändern. Müssen schauen, dass sie die von ihnen geforderte Leistung erbringen. Unsere Schulen sind der Spiegel unserer Gesellschaft!

Und hier sehe ich den Unsicherheitsfaktor für die Zukunft des Buches. Im Nachwuchs!
Der Instant-Infos aufnehmen will, in Kürzeln kommuniziert und für eine schöne und richtige (!) Sprache und ausgeklügelte Geschichten nur mehr ein müdes Lächeln übrig hat.
Dazu kommt, dass die Wirtschaft unsere Lebensgewohnheiten bestimmt. Wenn sich die Wirtschaftsbosse also entscheiden, das Printbuch abzudrehen, weil es zu wenig lukriert, dann kommt es weg. Da können die Leser mit den Augen strampfen wie sie wollen.

Die Gefahr einer solchen Entwicklung sehe ich absolut. Die Vorbereitung ist angelaufen. Es werden Strukturen geschaffen, die dem Vermarkter große Gewinne bringen. Und NUR dem Vermarkter. Pflegeleicht und selbstlaufend, wenn die Ebenen einmal richtig angelegt sind.
Und die Printleser werden in eine Nische gedrängt. Im Augenblick gibt es noch welche, aber wie lange noch? Sie könnten sehr wohl eine vom Aussterben bedrohte Spezies sein.

Wir sehen ja in vielen Bereichen, dass der Qualität und Sinnlichkeit nicht mehr der höchste Stellenwert eingeräumt wird.
Die Leute essen Fastfood, statt geschmackvoller, inhaltsreicher Kost (die sie sich heute eigentlich leisten könnten – was ja nicht immer so war), Plastiktomaten anstatt satter roter Paradeiser, und sollte es Herrn Google gelingen, einen Ernährungsweg per Computer zu finden, hätte sich sogar das erledigt.

Denn eines ist gewiss, es geht um Technologiekonsum. Wir alle müssen an die Maschinen angeschlossen werden, von denen wir glauben, dass sie uns am Leben erhalten. Am Puls der Zeit, am Nabel der Welt, am Superhirn.

Und für diese Menschen muss es E-Books geben. In Milliarden Stückzahlen. Damit sie ihren Allerweltsarsch nur niemals von ihren Elektrodensteuerungen wegbeheben müssen.
Printbuchleser bedeuten dafür Gefahr.

< < < zum ersten Teil – „Von der Sinnlichkeit des Lesens“
„Von der Chance der Veröffentlicher“ – zum dritten Teil   > > >

 

Von der Sinnlichkeit des Lesens – oder Die Einhandleser

 

Wahrscheinlich bin ich altmodisch. In meinem Alter dürfte ich mir das doch auch schon zugestehen. Oder?
Aber dann denke ich, nein, wahrscheinlich mache ich nur wieder einmal nähere Bekanntschaft mit der überheblichen Kuh in mir.

Mit Freuden habe ich mich seinerzeit dem Computer zugewandt. Auch das Internet macht mir viel Freude. Beide sind Tummelplätze der Kreativität für mich.
Wenn ich mir als Kind etwas wünschen hätte dürfen und auch nur ein Schimmer von Ahnung damals erkennbar gewesen wäre, welche Entwicklung es geben würde, hätte ich es mir schon gewünscht.

Doch jetzt glaube ich, ich habe den Besen des Zauberlehrlings in der Hand. Und in der Ecke, wo er mich hinkehren will, wohnt der Horror.

Ich bin Autorin. Und selbstverständlich möchte ich gelesen werden. Deshalb habe ich meine Texte niemals für die Schublade oder meine Festplatte geschrieben. Ich habe viele davon veröffentlicht, in Bücher gepackt oder auf Blogs.

Doch nun entdecke ich, dass ich für die neuen Entwicklungen zu altmodisch bin. Oder zu überheblich. Das muss ich erst noch mit mir abklären.

Gestern habe ich einen Artikel gelesen, in welchem das Ende des Printbuchs vorhergesagt wird. Der Buchhandel und das Verlagswesen dementieren noch tapfer und stampfen trotzig mit den Qualitätsverarbeitungsfüßchen auf. Aber wenn man sich die Entwicklung der Lesegewohnheiten der neuen Generationen ansieht, dann wird einem schon angst und bang.
Geht man auf die Straße, sind es nur mehr die echt „älteren“ Personen, die nicht mit einem Handy oder IPod in der Hand herumlaufen. Alle diese Leutchen werden es wohl daheim auch nicht aus der Hand legen und haben deshalb keine Hand mehr frei, um ein Buch zu halten und mit der anderen die Seiten umzublättern.

Vergleiche mit der Musikbranche drängen sich auf. Und doch hinken diese gewaltig. Von welchem Tonträger ich mir Musik anhöre, erscheint mir nicht so wesentlich. Das Musikstück muss mir Hörgenuss vermitteln. Ich sitze in meinem Fauteuil, setze den Kopfhörer auf und horche. Lass mich wegtragen in die Wogen der Töne. Und es ist mir egal, wo sie herkommen.

Aber lesen? Da sitze ich in meinem Fauteuil, habe ein Buch in der Hand! Ich muss es angreifen und es vermittelt mir nicht nur über die Buchstaben sinnliche Eindrücke. Es greift sich gut an – und ja, es gibt auch welche, die greifen sich gar nicht gut an, da kann dann drinnen stehen, was immer nur will – ich werde es nicht lesen. Ich will mein Buch knuddeln, ihm Leseöhrchen zufügen, es anmalen, richtig schön abnutzen, weichlesen sozusagen. Es bekommt Patina, wird vom Leben gezeichnet, wie ich.

Und nun soll ich mich wirklich mit einem technischen Dingens dahinsetzen und mit dem Finger auf einer Bildfläche herumwischen? Im Bett mit Herrn Kindle?

Ich werde das nie wollen, ich glaube, ich würde es gar nicht können. Auch heute ist es schon so, dass ich Prosatexte und sogar lange Gedichte nicht auf dem Bildschirm lesen kann. Sachtexte dringen über den Bildschirm nur wesentlich schwerer in mein Gehirn vor als aus meinen buntmarkierten Büchern.
Tja, ich habe da scheint’s irgendein Gen nicht mitbekommen.

Deshalb zeichnet sich für mich mit dieser Entwicklung wohl nicht das Ende aber doch eine wesentliche Veränderung meiner Veröffentlichungen ab. Ich mag keine E-Books schreiben. Ich mag keine veröffentlichen. Ich kann mich mit dieser Leserklientel so gut wie nicht identifizieren, denn ich bin ein Sinnenmensch.
Das ist nicht lustig für mich. Ich bin nicht gern altmodisch und auch nicht gern überheblich. Aber ich denke, ich muss es zur Kenntnis nehmen.

Sollte es wirklich so weit kommen, dass es keine Bücher aus Papier mehr gibt, werde ich meine Texte nur mehr auf ein dann wahrscheinlich schon als altmodisch angesehenes Blog packen.
Und vielleicht zu Geschenkzwecken selbstgedruckte Werke fabrizieren.

Ich glaube, es würde meine Ideen verändern. Romane schreibe ich dann sicher keine mehr.
Allerdings werde ich wahrscheinlich nicht mehr altmodisch sein. Ich werde Kurztexte schreiben, vielleicht im Comic-Stil, damit man sie nur ja auch mit einer Hand lesen kann. Beim Spazierengehen, beim Treffen mit Freunden, auf dem Laufband im Fitness-Center oder beim Hurtigsex …
Aber dafür brauchts ja auch kein E-Book. Also frage ich mich, wofür gibt es die Dinger? Für mich sicher für gar nix. Weder zum Lesen noch zum Schreiben.

 

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Prominentenmund

 
Klaus Maria Brandauer:
„Wenn man sich nicht mehr erinnern kann, dann lebt man nicht mehr richtig!“

Sonya Kraus:
„Sachlich gesehen gibt es keinen Grund für ein Baby. Aber wenn einmal die
Mamahormone einschießen, möchte man nie wieder kinderlos sein.“

Zwei Aussagen, die ich in einer Zeitschrift auf aufeinanderfolgenden Seiten gelesen habe.

K. M. Brandauer dreht einen Film über einen Alzheimer Patienten und in diesem Zusammenhang hat mich seine Aussage selbstverständlich sofort auf die Barrikaden gerufen.
Ich finde es äußerst verhängnisvoll und abwertend, wenn man einem Menschen, dessen geistige Kraft nicht voll funktionsfähig ist, das Leben abspricht. Für mich ist das grundsätzlich faschistoides Gedankengut. Es wird ein Wertmaßstab angelegt, welches Leben lebenswert ist …

Man erinnert auch im Bauch. Und dort wesentlich nachhaltiger und wichtiger als sonst wo. Gefühle zu erinnern, Gefühle zu erfahren gehört zum Menschlichsten überhaupt. Dafür braucht es keine gedankliche Leistung.
Und es wundert mich dann natürlich nicht, dass Herr Brandauer Angst vor dem Gedächtnisverlust hat. Wenn er seiner emotionalen Grundlage nicht vertraut, die Wissensqualität über die emotionale Qualität seines Lebens stellt.

Ich habe in der Einleitung zu meinem Buch geschrieben, dass ich bei der Arbeit an diesem Buch die Angst vor der Demenz verloren habe.
Ich weiß gar nicht genau, wieso das so ist, aber wenn ich das lese, denke ich, dass es daran liegt, dass ich mich Krankheiten, und damit auch der Demenz, emotional zuwende. Sie nicht rational be- oder abhandle. Und natürlich auch nicht die Kranken.

Und hier komme ich zum zweiten Zitat, das ja auf den ersten Blick so gar nix mit dem ersten zu tun zu haben scheint.
Aber Frau Kraus hat es wunderbar ausgedrückt. Wenn wir das Leben nach sachlichen Kriterien einstufen, bleibt uns viel emotionale Qualität verschlossen.
Und bevor wir nicht selber in der Lage sind, unser Leben mit Gedächtnisverlust zu erfahren, sollten wir uns keine Wertung anmaßen.

 

Writer’s Life in miniatures III.

 

In der Schublade

Ich bin nicht so gut. Wie ich gern wäre. Damit komme ich gut zurecht.
Doch manchmal raubt es mir den Atem. In der Schublade. In die ich gern gesteckt werde. Tummeln sich oft seltsam anmutende Gestalten. Sind nicht einmal so gut wie ich. Doch haben Attitüden. Hängen den Profi in den Wind. Der von den Bergen bläst. Den sie nicht kennen.
Viel Geld wurde bezahlt. Für Keine-Qualität. Für eine Illusion. Für ein Spiegelbild. Das ein Foto zeigt. Von der Wand der eigenen Galerie.

Dann mache ich ein saures Bäuerchen. Und schon wird wieder Luft. Im Karton. Weil sich der Deckel hebt.
Wenigstens bin ich Profi. Es gibt kein Irgendwie. Kein Unter-allen-Umständen. Kein teures Pflaster für das Ego.
Besser werde ich dadurch nicht. Nicht so gut. Wie ich gern wäre. Doch damit komme ich gut zurecht.

 

Dementia-Poetry – Die Idee


Am Beginn stand die Einladung.
Die Einladung eines Pflegeheims, eine Lesung vor an Demenz erkrankten Menschen zu halten. Demenz in einem doch recht weit fortgeschrittenen Stadium.
Zuerst war ich erschrocken. Nicht wegen der Lesung an sich, sondern ich dachte – WAS kann ich dort lesen? Meine Texte eignen sich dafür nicht.

Die Betreuer meinten, darauf käme es nicht so sehr an, es wäre wichtig, WIE.

Bei den Adventveranstaltungen, die ich dann besuchte, beobachtete ich genau. Die meisten der gut 20 Personen saßen dabei und schauten mehr oder weniger interessiert auf die Bewegung, die dort ablief. Den Wechsel der Pfleger, die ihre Texte vortrugen. Ihren Worten konnten sie offensichtlich nicht folgen.
Die Musik kam gut an und – die Gebete! Denn die erkannten offensichtlich alle noch. Und viele konnten auch noch Teile davon mitsprechen.

Ich erkannte, die Veranstaltungen waren liebevoll ausgerichtet, schienen mir jedoch nicht auf die Hörer abgestimmt.

Und plötzlich drängte eine Idee in mir hoch.
Es gibt Gedichte für Kleinstkinder, deren Bewusstsein ebenfalls noch nicht begriffsorientiert ist. Sondern Klang, Rhythmus und Emotion beim Vortrag den Zugang zu ihnen schaffen.

Wieso gab es so etwas eigentlich nicht für jene Menschen, die am anderen Ende des Astes saßen?

Ich wehre mich absolut gegen die oftmals vertretene Ansicht, alte Menschen würden wieder zu Kindern. Das ist einfach nicht so. Und nimmt diesen Menschen die Würde, die ihnen meines Erachtens, nach einem erlebten Dasein zusteht.
Alte Menschen werden zu alten Menschen und zu sonst gar nix. Und es kann passieren, dass alte Menschen bestimmte Fähigkeiten, die sie im Laufe ihres Lebens erworben haben, aufgrund von Krankheiten wieder verlieren. Das ist eben so. Und nichts anderes!

Das zu akzeptieren fällt vielen Menschen schwer. Weil sie ihre eigene Angst vor einem solchen abhängigen Zustand damit verdrängen wollen.
Doch liegt es nicht gerade an uns, diesen Menschen ihre Abhängigkeit in Würde zu gestalten? Sie zu gleichwertigen Partnern zu machen? Indem wir unsere bewusst steuerbaren Handlungen dafür verwenden, uns auf ihre Augenhöhe zu begeben, um sie zu erreichen.

Kinder müssen nun einmal von den Erwachsenen lernen. Das ist der Weg, den die Entwicklung nimmt. Aber alte Menschen müssen nicht mehr lernen, Sie müssen mit dem leben, das ihnen zur Verfügung steht, weil sie nicht mehr lernen können.
Die Anerkenntnis dieser Konstellation müsste einen gesunden, mitfühlenden Menschen dazu auffordern, Hilfe auf dieser Ebene anzubieten und nicht auf der Ebene der Besserwisserei.

Gibt es deshalb keine Gedichte für Demenzkranke?
Weil Lyriker ihre Kunst nicht auf diese Augenhöhe absenken wollen?
Weil Wortdrechselei und Sprachgewalt, sowie die Dichte eines schicksalsträchtigen Inhalts viel mehr Möglichkeiten bieten, den Intellekt oder den Gefühlsausdruck eines Autors zu bewundern? Wir nicht für Menschen schreiben, sondern für Anerkennung unserer vermeintlichen Genialität?
Finden wir Schreiber alte und kranke Menschen unserer Kunst nicht würdig?
Oder fehlt uns das Können, ohne den Schutzschild des Sprachschatzes Emotion ausdrücken zu können?

Und es reifte der Entschluss in mir, diese Anregung zu verfolgen.
Die Reduktion erschien mir plötzlich verheißungsvoll zuzuwinken. Hier zeigte sich eine enorme schreiberische Herausforderung, dachte ich. Denn ich wollte keine therapeutischen Texte schreiben. Sondern Gedichte.

 

Dementia-Poetry – Handwerkliches


Ich stellte mir ein handwerkliches Grundgerüst auf.
Es geht mir darum, dass diese Menschen nicht so leicht mit Sätzen zu erreichen sind. Da sie auch oft Begriffe nicht mehr richtig zuordnen, kann man also nicht über den Inhalt an sie heran.

Es ist wichtig, in ihnen etwas zum Klingen zu bringen. Sei es durch einzelne Worte, die Erinnerung hervorrufen oder Schwingungen in ihnen auslösen. Durch Klang oder Rhythmus, oder Intensität der Wiederholung.
Ein Sing-Sang wäre gut, aber natürlich möchte ich nicht LaLeLu oder Tralala verwenden.

Also denke ich, die richtigen Ingredienzien wären

• Einzelne bekannte Begriffe aus dem Alltag
• nach Möglichkeit aus einem Alltag vor vielen Jahrzehnten
• Wiederholungen
• Klangbilder
• Auch sollte viel Raum bleiben, um den Hörern Zeit zu geben, die Worte anzunehmen, sie zuzuordnen, um sie dann in der Wiederholung wieder zu erkennen
• Der Inhalt sollte sich auf jeden Fall auf ein Erwachsenenleben beziehen
• Die Texte sollten so einfach vorzulesen sein, dass sie jeder vortragen kann – vornehmlich Angehörige. Einfach einen Rhythmus ergeben, um sich dem Hörer widmen zu können, nicht dem Vortrag.

Für eine öffentliche Lesung gäbe es natürlich noch besondere Punkte zu beachten.
• Nicht von einem Standort aus lesen, sondern auf die Leute einzeln zugehen, sie direkt ansprechen
• Blickkontakt suchen
• Eventuell mit Bewegungen oder auch Gegenständen unterstützen

Ja, und nun will ich einmal schauen, was aus meiner Idee wird. Werde ein bisschen herumexperimentieren.

Und – bin für Anregungen sehr dankbar!

Wenn jemand eine Idee hat für Begriffe, die ansprechen könnten, oder auch, wenn noch etwas wichtig erscheint, um verständlicher zu werden.
Oder auch wenn jemand einen Link weiß, wo es doch Texte für Demenzkranke gibt. Vielleicht habe ich ja nur nicht gut genug gesucht …

Da würde ich mich sehr darüber freuen und danke schon im voraus dafür!

 

Writer’s Life in miniatures II.

 

Bauchladenautor

Ich bin ein Bauchladenautor. Nein. Nein. Kein Buchladenautor.
Bauchladenautor. Ein Genre. Geboren in den Jahren des Digitaldrucks.
Grenzen wurden dichtgemacht. Andere geöffnet. Von der Marktwirtschaft. Im Verlagswesen.
Ich nütze. Möglichkeiten, die es Jahrhunderte vor mir nicht gab.

Im großen Zirkuszelt. Üben sich Clowns im Flic Flac. Unter der Peitsche der Dompteure.
In den Clubs. Tanzen Autoren nackt. An der Stange ihrer Texte. Nur in der Arschfalte findet sich Platz. Für die Geldscheine der Investoren.
Auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten. Drängt sich das teuer blutende Druckwerkvolk. Hinter den Ständen aus durchsichtigem Plexiglas. Wächst ein Müllberg. Aus verrottenden Haufen an Geschwätzpapier.

Ich drehe meine Orgel selbst. An der Ecke. Die ich mir ausgesucht. Im Tingel-Tangel ist das Leben bunt. Und echt.
Abgeschminkt steht man vor dem Publikum. Direkt. Verantwortlich.
Man liest. Man diskutiert. Man verkauft. Wird nicht verkauft. Auch nicht gekauft.

Ich stelle es geschickt an. Finde Münzen in dem Hut. Den ich am Abend leere.

Immer und überall. Trage ich meinen Bauchladen bei mir. Klappern gehört zum Handwerk.
Aktiv muss man sein. Als Bauchladenautor. Kreativ. Schreiben allein genügt nicht. Muss zu allem stehen. Können. Was man tut. Immer und überall.

Und ist kein Hampelmann. Kein Spiegelküsser. Sondern ein Profi.
Eine Ich-AG. Nennt man das heute. In der Marktwirtschaft.
Ich. Nenne mich. Verlagswesen.

 

bauchladen

 

bauchladenautor - audio