Prominentenmund

 
Klaus Maria Brandauer:
„Wenn man sich nicht mehr erinnern kann, dann lebt man nicht mehr richtig!“

Sonya Kraus:
„Sachlich gesehen gibt es keinen Grund für ein Baby. Aber wenn einmal die
Mamahormone einschießen, möchte man nie wieder kinderlos sein.“

Zwei Aussagen, die ich in einer Zeitschrift auf aufeinanderfolgenden Seiten gelesen habe.

K. M. Brandauer dreht einen Film über einen Alzheimer Patienten und in diesem Zusammenhang hat mich seine Aussage selbstverständlich sofort auf die Barrikaden gerufen.
Ich finde es äußerst verhängnisvoll und abwertend, wenn man einem Menschen, dessen geistige Kraft nicht voll funktionsfähig ist, das Leben abspricht. Für mich ist das grundsätzlich faschistoides Gedankengut. Es wird ein Wertmaßstab angelegt, welches Leben lebenswert ist …

Man erinnert auch im Bauch. Und dort wesentlich nachhaltiger und wichtiger als sonst wo. Gefühle zu erinnern, Gefühle zu erfahren gehört zum Menschlichsten überhaupt. Dafür braucht es keine gedankliche Leistung.
Und es wundert mich dann natürlich nicht, dass Herr Brandauer Angst vor dem Gedächtnisverlust hat. Wenn er seiner emotionalen Grundlage nicht vertraut, die Wissensqualität über die emotionale Qualität seines Lebens stellt.

Ich habe in der Einleitung zu meinem Buch geschrieben, dass ich bei der Arbeit an diesem Buch die Angst vor der Demenz verloren habe.
Ich weiß gar nicht genau, wieso das so ist, aber wenn ich das lese, denke ich, dass es daran liegt, dass ich mich Krankheiten, und damit auch der Demenz, emotional zuwende. Sie nicht rational be- oder abhandle. Und natürlich auch nicht die Kranken.

Und hier komme ich zum zweiten Zitat, das ja auf den ersten Blick so gar nix mit dem ersten zu tun zu haben scheint.
Aber Frau Kraus hat es wunderbar ausgedrückt. Wenn wir das Leben nach sachlichen Kriterien einstufen, bleibt uns viel emotionale Qualität verschlossen.
Und bevor wir nicht selber in der Lage sind, unser Leben mit Gedächtnisverlust zu erfahren, sollten wir uns keine Wertung anmaßen.

 

4 Gedanken zu „Prominentenmund“

  1. Ein guter Schauspieler ist nicht gleich immer ein feinfühlender Mensch. Seine Aussage ist tatsächlich sehr unglücklich formuliert und wird vermutlich nur wenig guten Anklang finden.
    Wie gut, dass es auch Menschen wie Frau Kraus gibt. Ihre Aussage zeichnet sie direkt aus.
    LG
    Fini

    1. ich glaube nicht, dass er damit keinen anklang findet, im gegenteil. ich glaube, dass viele menschen so denken. sonst könnte in unserer gesellschaft das rechte gedankengut nicht so im vormarsch sein. wenn nicht ein wertmaßstab an die menschen angelegt würde.
      es gibt nur eine kleine gruppe von menschen, die die gleichWERTigkeit der menschen nicht nur anerkennen, sondern auch danach leben.
      und deshalb sind solche aussagen von prominenten doppelt verhängnisvoll. im prinzip wäre es mir egal, wenn herr b. in angst vor der demenz lebt, aber dass er dadurch zum sprachrohr für viele wird, das ist für mich das tragische daran.

      du kennst mich – da trete ich dann gerne dagegen auf, weil ich es wichtig finde, in meinem umfeld damit zu wirken, und wenn ich nur EINEN damit zum nach- oder gar zum umdenken bringe, dann ist das mehr als KEINEN …

      immer schön von innen nach außen, von klein nach groß … mein motto.

      fein, dass ich dich nicht erst zum umdenken anregen muss.

      ganz liebe grüße
      deine lintschi

  2. als Prominenter sollte man schon darauf achten, was und wie man etwas sagt – gerade weil viele sich durch solche Formulierungen bestätigt fühlen in ihren Meinungen

    für mich ist der Knackpunkt das „man“ in seinen Worten; es verallgemeinert
    hätte er „ich“ geschrieben, dann ist das ein persönliches Statement, das man akzeptieren kann, auch wenn man die Meinung nicht teilt
    durch das „man“ wird der Satz allgemein und wertend – und dann wird’s sehr kritisch

    1. ganz genau!
      die verallgemeinerung machts.

      aber es neigt halt ein großer teil der menschheit dazu, die eigene ansicht als wertmaßstab für alle anzusetzen …

      lg

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