Das Mädl aus der Vorstadt von Johann Nestroy
Einige Nestroy-Inszenierungen habe ich in den letzten Jahren gesehen.
In berühmten Theatern, mit Schauspielern mit klingenden Namen.
Wer meine Rezensionen verfolgt, weiß, dass sie mich alle beinahe frustriert zurückließen. Auf jeden Fall so frustriert, dass ich mein Theater-Abo in diesem Jahr gekündigt habe, weil ich, unzeitgemäß wie ich bin, das Regietheater nicht goutiere. Es mir Theaterabende nicht zum Genuss bereitet.
Diesmal habe ich mich nach Hainburg begeben. Zu den Burgspielen Hainburg in deren Studiotheater im Kulturbahnhof, mit einer Winzigbühne und 35 Sitzplätzen.
Was ich dort erlebt habe? Nestroy vom Feinsten!
Wer aufmerksam liest, dem ist sicher gleich aufgefallen, dass ich nicht schrieb, was ich hier gesehen habe.
Zu fulminant war das Ereignis, das eine Handvoll Nebenerwerbsschauspieler, auf die Bretter brachte, die ihre Welt bedeuten.
Unter der Regie von Erna Frank, der jahrzehntelangen Intendantin der Burgspiele, wurde hier mitreißendes Theater geboten, an dem Nestroy mit Sicherheit selber sehr viel Freude gehabt hätte.
Allen voran brillierte ein blendend aufgelegter Wilhelm Frank als Schnoferl, der verliebte Winkeladvokat.
In der Rolle, die sich wohl Nestroy auf den Leib geschrieben hatte, blieb nicht ein Millimeter Kluft zu der Vorstellung, wie ihn dieser gespielt hätte. Niemals in den letzten Jahren hat mich einer der berühmten Schauspieler, die ich in seinen Leibrollen sah, derart überzeugt.
Ihm zur Seite in der Rolle der Frau von Erbsenstein eine köstlich maliziöse Gabriela Polasek, die aber unter ihrer Geziertheit die einerseits unsichere, andererseits nach Emanzipation strebende und zu guter Letzt warmherzige Frauensperson erkennen lassen konnte.
Ein nahezu Naturereignis – Thomas Häringer als jugendlicher Liebhaber Herr von Gigl. Seine komödiantischen Ausdrucksmöglichkeiten sind enorm, seine Stimme ließ den kleinen Raum erbeben, wenn er seinen Emotionen freien Lauf ließ.
Der Rest des Ensembles bot ebenfalls keinen Schwachpunkt. Jeder trug in seiner Rolle gekonnt, aber auch spürbar freudig zum Gelingen dieses wunderbaren Theaterabends bei.
Fehlt noch die Prinzipalin.
Aus der Not, zu wenige männliche Darsteller in ihrem Ensemble zu haben, um dem Wunsch folgen zu können, dieses Stück aufzuführen, wurde sie, wie sie in einem kleinen literarischen Vorspiel darstellt, von Nestroys Geist persönlich dazu angehalten, die Rolle des Herrn von Kauz zu übernehmen.
Eine wunderbare Idee, Herr Nestroy!
Erna Frank konnte mit ihrer Spielfreude diesem alternden und schleimigen Grapscher köstliche Präsenz geben.
Die Vorstellung dauerte mit kurzer Pause 3 Stunden! Und nicht eine Minute davon kam Langeweile auf.
Da könnten sich einige Regiegrößen ein Scheibchen abschneiden.
Denn die Handlung dieses Nestroy-Stückes ist absolut zeitgemäß, auch wenn sie in eine authentische Aufführung verpackt ist. Ein mündiger und literaturbegeisterterter Theaterbesucher benötigt dafür keine nackten Wäschermädln und erkennt einen Möchtegernverführer auch ohne offenen Hosenschlitz.
Die Spekulation mit fremdem Geld, das Zum-Sündenbock-machen des schwächsten Glieds, die überhebliche Verantwortungslosigkeit den Opfern gegenüber, die Scheinheiligkeit, die Gier nach dem großen, aber auch dem kleinen Glück, der Kampf der Frauen um gleichgestellte Positionen. All das braucht kein neues Gewand, es ist in dem alten, das Nestroy mit Wortgewalt und Humor anfertigte, viel eindrucksvoller anzusehen.
Die Kritik an der Gesellschaft braucht keine Comic-Darstellung, sondern Komik in der Darstellung, um auf unterhaltsame Weise die Köpfe der Menschen zum Denken anzuregen.
Nestroy hat ja aus gutem Grund keine dunklen metaphorischen Tragödien geschrieben, er war ein kluger Mann.
Ich kann sagen, ich habe diesen Theaterabend voll genossen.
Es war dies die letzte Vorstellung, ich kann also nicht empfehlen, ebenfalls hinzugehen. Aber da ich schon andere Inszenierungen der Burgspiele Hainburg erlebte, die allesamt sehenswert waren, empfehle ich gern, sich über die neuen Produktionen zu informieren und rechtzeitig Karten zu reservieren. Denn sie sind – absolut verdientermaßen – immer sehr rasch ausverkauft …
© evelyne w.