Weiße Weihnachten?

 
Weiße Weihnachten? Ich mag den Schnee nicht. Und ich weiß auch nicht, was der Schnee mit Weihnachten zu tun haben soll. In Bethlehem gab es sicher keinen Schnee. Aber dieses Faktum gehört auf ein anderes Blatt.

Ich mag einfach den Schnee nicht. Mochte ihn schon als Kind nicht. Das liegt wahrscheinlich daran, weil ich andauernd fror. Als ich noch sehr klein war, hatte ich nicht einmal einen Mantel. Meine Mutter bekam von der Nachbarin eine Jacke geschenkt, weil sie auch keinen hatte. Sie war ihr viel zu groß und deshalb schnitt sie Teile heraus und machte für mich einen Umhang.
Winterschuhe kannte ich nicht. Ich hatte nur ein Paar. Für alle Jahreszeiten. Das höchste der Gefühle waren gestrickte Socken, aber dann passten mir die Schuhe nicht mehr. Besonders wenn ich sie schon jahrelang trug. Durch die Löcher in den Sohlen drang es immer nass herein. Manchmal waren meine Zehen so kalt, dass ich sie gar nicht mehr spürte. Dann allerdings machte mir meine Omi einen Ziegelstein heiß, wickelte ihn in Zeitungspapier und legte ihn mir zu meinen Füßen ins Bett.
In den Händen fror ich auch ständig. Ich hatte zwar Fäustlinge, die aus der Wolle gestrickt waren, die von einem aufgetrennten Pullover stammte, aber die waren keine großen Wärmespender. Und die Schnur, an der sie befestigt waren, kratzte am Hals und wurde auch immer rasch zu kurz und spannte dann unangenehm. Und bis dann wieder jemand Zeit hatte, sie zu verlängern …
Das Christkind jedenfalls hatte nie Zeit für mich. Gut, ich konnte noch nicht schreiben und ihm deshalb keinen Brief schicken, aber ich erzählte meinem Schutzengel jeden Abend vor dem Einschlafen von meinem Frieren und bat ihn, dem Christkind meine Wünsche nach ein bisschen Wärme auszurichten.
Aber, es hatte wohl zuviel damit zu tun, Briefe zu lesen.
Oder mein Schutzengel war nicht der richtige Bote. Er war anscheinend eher dafür zuständig, meine Zehen vor dem Abfrieren zu schützen.

Und sehen ließ es sich auch nie, das Christkind. Es brachte wieder gestrickte Socken und Fäustlinge und eine kratzige Haube und verschwand, bevor ich ihm meine zu kleinen Schuhe mit den Löchern zeigen konnte.

Aber es brachte auch jedes Jahr einen Baum. Über den freute ich mich immer. Er war so lustig schief und die Glasscherben, die darauf hingen, glitzerten so schön, wenn die Kerzen angezündet wurden. Und Süßigkeiten hingen auch drauf. Da halfen meine Omi und ich dem Christkind in der Vorweihnachtszeit. Wir schnitten in kleine Papierstücke Fransen und wickelten Würfelzucker ein, banden einen Faden darum und das Christkind hängte sie dann auf den Baum. Wir sammelten schon das ganze Jahr buntes Papier dafür. Und manchmal kaufte Omi ein Stück Kochschokolade und das teilten wir dann auch in kleine Stücke und packten es ebenfalls in fransiges Papier.

Im Großen und Ganzen freute ich mich auf Weihnachten. Ich hoffte immer, dass das Christkind doch einmal auch meine Wünsche erhörte. Oder wenigstens den Schnee für sich behalten würde, damit ich nicht jeden Winter so fror.

© evelyne w.

 

11 Gedanken zu „Weiße Weihnachten?“

  1. Ich habe von Leuten aus Neuseeland gehört, dass sie sich um Weihnachten betrogen fühlen, weil es im Dezember dort keinen Schnee gibt. Wem macht es das Christkind schon recht?

    Liebe Grüße
    Helmut

    1. das christkind macht es demjenigen recht, der es in sein herz einlässt und nicht dem, der romantische wünsche an es heranträgt.

      dir jedenfalls, lieber helmut, wünsche ich weihnachten, so wie du es dir wünscht!
      und alles liebe von mir

  2. Lintschibeste,
    eine feine, eine feine, wahre Geschichte.
    Und – das bessere Christkind war und bleibt die Omi, lächel…
    Ach, und auf Engel ist auch nicht immer Verlass, deinen Wunsch gehört,
    und schon wieder vergessen, vielleicht, weil sie wussten wie das
    Christkind reagiert:)

    Gern gelesen hab ich deine Geschichte, sie ist Einstimmung – auch für Erinnerungen…

    von Herzen
    dir liebe Grüße
    Edith

    1. ach so ein schutzengel, der hatte wohl eher darauf zu schauen, dass dem kind die zehen nicht abfroren. war für botschaften wohl nicht der richtige …

      wie immer ist es schön für mich, dass du gerne hier gelesen hast!
      danke und alles liebe für dich!

  3. ich fror auch immer und leide noch heute, wenn es mir zu kalt wird. Ich erinnere mich an fast erfrorene Finger mit Schürfwunden vom Skifahren auf verharschtem Schnee im Lodenmantel (stell Dir das mal vor) oder im viel zu kleinen Anorak.
    Ich mag Schnee, wenn ich ihn vom warmen Zimmer aus betrachten kann – nicht hinaus muß und Schneeblumen, wenn sie nicht innen an den Fenstern sitzen.
    Lächelnde und sehr verständnisvolle Grüße von Bruni

    1. ja, wir etwas reiferen haben erinnerungen an ganz andere winter als heute …
      mir gehts genauso wie dir. schnee am liebsten nur zum anschauen!
      ich bin sowieso jemand, bei dem nach dem frühling gleich der herbst kommen könnte und dann der frühling … ich bräuchte keinen sommer und keinen winter …

      ich lächle und grüße zu dir zurück, liebe bruni

  4. Mir ging es in meiner Kindheit sicher ein wenig besser als dir, aber ich bin auch keine Schneefreundin. Zu Weihnachten darf er gern liegen, aber wenn ich arbeiten muss (und ich bin aufs Auto angewiesen), dann mag er doch lieber woanders fallen.

    Liebe Grüße von Anna-Lena

    1. liebe anna-lena,

      ich schreibe … und nur ganz selten autobiografisch!
      ich wuchs zwar ähnlich arm auf, aber dieses kind bin in dieser form nicht ich!
      ich schreibe im augenblick episoden einer nachkriegskindheit in wien. und da beschäftigte mich natürlich auch dieser aspekt. er unterscheidet sich ja nicht so stark von vielen, die heute noch jenseits der konsumrauschweihnacht leben müssen …

      der wunsch nach weißer weihnacht beschäftigt mich auch immer wieder, weil er an sich für mich mit weihnacht überhaupt nichts zu tun hat.
      ich bin eine weihnachtspuristin (habe ein nahverhältnis zu jesus und beschäftige mich deshalb lieber mit der botschaft, die aus der krippe kommt) und kann weder mit der romantisierung, und natürlich noch weniger mit der kommerzialisierung der weihnacht was anfangen.

      der romantik stehe ich aber bedeutend milder gegenüber 😉 weil sie positive reaktionen hervorruft.
      aber hier nun einen vortrag zu beginnen, wäre wohl verfehlt *ggg*

      ich danke dir jedenfalls sehr herzlich
      und wünsche dir schöne adventtage, und zwar so, wie du sie gerne magst!

      lieben gruß lintschi

  5. Ich passe da absolut nicht in das Bild, denn ich liebte den Schnee. Blau gefroren konnte man mich als Kind schwer davon überzeugen, dass es mir kalt war.:-) Mit der Kleidung erging es mir wie in Lintschis Geschichte. Ich stamme aus einer Großfamilie und warme Kleidung, wie Schuhe war keine Selbstverständlichkeit. Notlösungen fanden sich allerdings immer, auch wenn diese hässlich ausschauten.:-)
    Wer mit dem Gehen Probleme hat, der fürchtet den Schnee und auch den Regen, wenn Laub den Boden bedeckt und ihn zur Rutschbahn macht. Ich selbst liebte auch den Regen, aber ich bin so eine ganz Verrückte 🙂 )
    Allerdings gehe ich total damit konform:
    Zitat von Lintschi: bei dem nach dem frühling gleich der herbst kommen könnte und dann der frühling … ich bräuchte keinen sommer und keinen winter …
    Oh ja. Vielleicht ist es trotzdem gut, dass wir darauf keinen Einfluss haben.:-)
    Vielen Dank für Deine Zeilen Lintschi.
    Nebelige Grüße
    Fini

    1. ja, ich weiß, deine wintergeschichten erzählen ja davon.
      kinder … die können halt doch erfreulicherweise spaß haben,auch wenn ihre befindlichkeiten nicht so toll sind.

      in erster linie habe ich diesen text geschrieben, weil es ja auchheute solche kinder gibt. und man vor lauter romantik nicht darauf vergessen sollte, dass nicht für jeden der wunsch nach weißer weihnacht ein segen ist. wie du schreibst, für so viele alte menschen wohl auch nicht …

      das ist sicher gut, dass wir noch keinen einfluss auf das wetter haben. dann gäbs die welt wohl nicht mehr lang, wenn die wirtschaft dort auch ihre hand anlegen könnte.

      finilein, schönes wochenende!

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