Auf der Suche nach der Freiheit
II. Machtlosigkeit
II.3 –Freiheit ist machtlos

Was ich bisher über die Machtausübung geschrieben habe, ist wohl den meisten ziemlich logisch erschienen. So gut wie niemand möchte sich erklärtermaßen irgendeiner Macht beugen. Allerdings haben viele die Ansicht, dass es nicht anders geht. Aber das stimmt so nicht, wie aufgezeigt.

Doch der wesentliche Teil meiner Machtlosigkeits-Trilogie ist nun dieser letzte.
Denn für mich geht es ja um die Suche nach der Freiheit und auch darum, wie man sich bei Störfällen in der Befindlichkeit durch Einsichten selbst aus misslichen Stimmungslagen und Situationen befreien kann.

Es war aber wichtig, diese „Einleitungen“ zu schreiben, weil das Machtwesen an sich aufgedeckt werden musste. Sonst würde das Verbindungsglied fehlen.

Bisher haben wir uns also mit der Machtausübung anderer beschäftigt. Wie diese wirkt und vor allem auf uns einwirkt. Wir konnten aufdecken, wie wir besser aus Machtgefügen heraustreten können, die uns Beschwerden machen oder denen wir vermeintlich nicht freiwillig folgen.
Weiters, wo unsere wahre Positionierung im Leben sein sollte, und dass diese wesentlich mehr Sinn macht, als die von der Gesellschaft praktizierte.

Um frei werden zu können, bedarf es jedoch einer ganz besonderen Befreiung vom Machtstreben. Nämlich vom eigenen!

freiheit ist machtlos

 

Wir alle wollen Macht ausüben! Ja, ja, auch wir!

Wir bilden uns eine Meinung, ein Lebenskonzept, setzen uns Ziele für die Verbesserung unserer Lebensqualität – und offiziell auch für die der anderen. Und schwupps, schon wollen wir Verbündete dafür rekrutieren.

Wir sind nicht frei genug, uns zu vertrauen. Nicht unseren Wahrnehmungen, nicht unseren Entscheidungen, nicht unserem Geschmack, nicht unseren Ideen und Ansinnen, einfach nicht uns selbst.
Wir orientieren uns an den anderen, anstatt an uns selbst und möchten deshalb natürlich, dass die anderen, das was wir machen gutheißen und mittragen.

Würden wir uns an uns orientieren, könnten wir frei agieren. Schielen wir nach den anderen, ist die Freiheit futsch. Wir geben die Macht an sie ab, indem wir Macht über sie ausüben wollen, bzw. die Macht an uns reißen wollen.


Unser eigenes Machtstreben tritt mit gut ausgebildeter Familie auf.

Fast unerkannt ist die dicht verschleierte Tochter Erwartungshaltung!

Sie ist diejenige, die Kommunikation erschwert, Frust aufbaut, Streit und Hader erzeugt, auch Gewalt hervorrufen kann und die Menschen oft sehr unglücklich macht.

Wie man sofort erkennen kann, ist die Erwartungshaltung wieder etwas, wozu wir uns selbst entscheiden!

Ein paar Beispiele:

Wir wollen das Beste für unsere Kinder, eh klar, aber wir erwarten, dass sie das erkennen, annehmen und sich danach verhalten. Die Nachkommenden wollen aber oft ganz etwas anderes. Da wir nicht gelernt haben, auf die Bedürfnisse unserer Kinder einzugehen, sondern sie mit unseren Ideen zu erziehen versuchen, bringt uns diese Erwartungshaltung dann tiefe Konflikte.

Wir geben das Beste in unserem Job, und erwarten, dass der Chef das zumindest erkennt, uns vielleicht sogar lobt, befördert usw. Doch wir haben ein grindiges Arschloch als Chef und der meckert nur an uns herum. Da wir nicht gelernt haben, das was wir tun einfach einzubringen, den Typen zu durchschauen und loszulassen, werden wir mit Krampf in die Arbeit gehen und womöglich ein Magengeschwür aufbauen.

Beispiel aus einem Autorinnenleben gefällig?
Man schreibt ein tolles Manuskript und hängt viele Erwartungshaltungen daran. Verlagsveröffentlichung, Publikumserfolg, Pressejubel uvm.
Dann liegts zu Hause herum und keiner will es haben. Verlage antworten nicht einmal, Lesungsangebote werden ebenfalls einfach ignoriert. Die Medien? Die interessiert ganz was anderes. Das Publikum muss man sich mühsam zusammennetzwerken, usw.
Wenn man da nicht geschrieben hat, um sich selbst zu erkennen, zu unterhalten, seine grauen Zellen zu beschäftigen, na, dann können die Frustbeulen leicht bis in den Himmel wachsen.

Das alles sind Beispiele, wo wir Macht über andere ausüben wollen! Wir wollen sie auf unsere Seite ziehen, um von ihnen Bestätigung für unser Tun zu erhalten, oder dass sie sich dafür stark machen, unsere Projekte zu verwirklichen.

Wie wir schon gelesen haben, ist der Einfluss auf andere meistens sehr gering und diesen anzustreben äußerst energieraubend.

Also gibt es nur einen Weg in die Freiheit: Die Aufgabe der Erwartungshaltung.

Wir können in jeder Situation unseres Lebens die Perspektive ändern! Das ist unsere Entscheidung! Umso öfter wir das Machtstreben aus unseren Entscheidungen entfernen (egal ob das anderer oder das eigene), desto freier werden wir logischerweise werden.


Es gibt aber noch einen ganz besonderen Faktor: Die Machtausübung über uns selbst!

So hat das Machststreben z.B. noch eine wesentlich sympathischer erscheinende Tochter: Die Disziplin!

So gut wie jeder glaubt, Disziplin ist das Allheilmittel für den Ablauf des Lebens. Vergessen wird dabei jedoch, dass jeder Zwang, auch der den wir auf uns selbst ausüben, eben Zwang bleibt und sich mit Freiheit deshalb nicht verträgt.

Wir glauben, wenn wir uns der Freiheit ergeben, bricht das Chaos in unserem Leben aus. Wir wachsen wie die Rüben auf und es gibt keine Ordnung, und deshalb keinen Halt.
Das ist aber nur bei Menschen so, die in sich keinen Halt finden.

Jeder kennt den Spruch „Wenn du etwas wirklich willst, dann kannst du es auch erreichen“. Und die Idole, die wir bewundern, zeigen das höchst eindrucksvoll.
Doch niemand sieht, was in deren Leben alles auf der Strecke bleibt, weil sie sich nur einem Ziel verschrieben haben.

Im Außenbereich kann man den Prozess leicht erkennen. Wenn ein Politiker etwas erreichen will und sich diesem Ziel verschreibt, dann wird das wichtigste sein, andere zu beherrschen.
Wenn ein Sportler oder ein Künstler tolle Erfolge erzielen will, dann wird er viele Menschen brauchen, die ihn unterstützen. Nun würde sicher niemand sagen wollen, dass er diese beherrschen will. Und dennoch ist das Prinzip dasselbe. Er braucht diese Leute, also muss er sie auf seine Seite ziehen.

Ich will das jetzt nicht abwerten! Nein, wir sind eben keine Einzelwesen und wie wir bereits wissen, können sich alle zu ihrer Beteiligung frei entscheiden.

Doch das Machtgefüge wird transparent.

Mir geht es aber hier um eine noch einmal andere Ebene. Nämlich um die persönliche. Dort läuft das nämlich ganz genauso.

Wir wollen etwas erreichen, das nur uns betrifft. Abnehmen, fit sein, gesund sein oder werden usw.

Wir wollen aber Schokolade essen, oder auf dem Sofa lümmeln, oder sonstwas, das nach gängiger Meinung nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen kann.
Wir lassen jetzt einmal die Unfreiheit durch die Manipulation der Werbung oder Gesellschaft beiseite. Die ist eh so weit klar. Die Motivation zu unseren Ansinnen zu beleuchten, wäre ein eigenes Thema und würde dieses nur verbreitern.

Wir steigen direkt in die vorgegebene Situation ein.

Was werden die meisten Leute machen, um an ihr vorgefasstes Ziel zu kommen?
Sie werden sich eine Diät, ein Fitnessprogramm, Therapien oder ähnliches suchen.
Und für diese dann die hochangesehene Machttochter Disziplin anwenden wollen.

Wie wir alle wissen, sind diese Aktionen äußerst selten von bleibenden Erfolgen gekrönt.

Es ist nun nicht so, dass es etwas Negatives ist, sich ein Ziel zu setzen. Nur der Weg dahin kann leicht nach hinten führen, wenn wir nicht erkennen, dass Ziele nicht nur auf einem vorgefassten – und womöglich noch von anderen vorgefertigten – Weg erreichbar sind und vor allem, dass sie sich während des Weges ändern können!

Auch hier ein Beispiel, und zwar ein ziemlich gängiges:

Ein Mensch ist Single und plant eine große Karriere. Er arbeitet konzentriert und diszipliniert fast ausschließlich darauf hin, weil er zu wissen glaubt, dass dies zum Erreichen seines Zieles notwendig ist.
Dann trifft er jemanden und verliebt sich. Oj oj oj oj, nun wird’s ein bissl stressig. Konzentration und Disziplin werden wahrscheinlich etwas löchrig werden.
Womöglich kommt auch noch ein Kind. Ach, noch einmal passt da was so absolut gar nicht zu seinem ersten Ziel.

Was wäre denn nun wohl der dem Menschsein entsprechendere Weg?

Der, den so viele gehen, und wo versucht wird, die anderen auf die Karriere einzuschwören, die Familienaktivitäten minimalst zu halten und die Verantwortung an den Partner oder sonstjemanden – Kindergarten, Schule usw. – zu übergeben?
Oder sein Ziel unterwegs zu ändern? Die Karriere an die Familie anzupassen, sie vielleicht nicht in ganz so lichten Höhen anzusetzen?

Wie wir schon gehört haben, sollen unsere persönlichen, wie auch unsere gemeinschaftlichen Ziele immer im Einklang mit uns, aber auch mit unserem Umfeld getroffen werden.

Das heißt, dass die Wege dorthin jeden Augenblick neu erarbeitet werden müssen, weil sich die Situation ja dauernd ändert. Sich also mit Disziplin auf nur einen Weg zu machen, lässt sofort die Starre in dem Ansinnen erkennen. Das Leben am Wegrand bleibt unbeachtet und wir können nicht rechtzeitig darauf reagieren, wenn etwas aus dem Ruder läuft! Und mit Starre wird man niemals frei, auch klar.


Und noch ein fast unerkanntes Töchterlein gibt es: Die Selbstermächtigung!

Wenn Leute sagen: „Ich will die Macht über mich behalten“, oder „nur ich habe die Macht über mich“, dann haben sie die Macht bereits abgegeben. Denn sie orientieren sich an dem Machtstreben anderer und setzen das eigene Machtstreben nur dagegen!

Doch In der Machtlosigkeit liegt die wahre Freiheit!

Das wars.
Für jetzt ist hier wieder einmal Schluss mit Hilf- und Machtlosigkeit
😉

 

 

Doch noch ein paar Worte zum Abschluss:

Mir haben all diese Erkenntnisse viel gebracht. Und ich habe mir das deshalb alles aufgeschrieben und in Zusammenhänge zueinander gebracht, damit ich mich immer wieder daran orientieren kann, wenn es grad wo bei mir hakt und ich mich unfrei oder nicht ganz in meinem Leben zu Hause fühle.

Es wäre schön für mich, wenn ich auch anderen damit Denkanstöße für ein freieres persönliches Leben geben könnte. Aber Macht will ich keine ausüben. Wer mir nicht folgen will oder kann, ist dennoch immer gern auf meinem Blog oder auch sonstwo gesehen!