In der Umarmung des Alters II.

 

getarnt

Ich färbe mein Haar. Herbstrot. Lodernd. Orange. Ich werde es noch mit neunzig tun. Es ist mein Leuchtturm. Werde sofort gesehen. Und meine Tarnkappe. Bedecke ich es, bin ich unsichtbar.
Es ist angenehm. Sich selbst anknipsen zu können. In Gesellschaft. Nur mehr gesehen zu werden, wenn man es will.
Niemand stellt meiner Jugend nach. Meinem Arsch. Meinem Busen.
Und sieht nicht mich. Und hört nicht mich. Und liebt nicht mich. Ist nur verliebt. In die Jugend.

Ich gebe was ich tue. Ich gebe was ich bin. Ich gebe meine Jugend. Mir. Und dem der sie erkennt. Hört er meine Worte. Sieht er in meine Augen. Sucht nicht mein Haar.

 

In der Umarmung des Alters I.

 

Wie hoch noch?

Älter wollte ich sein. Immer schon. Die meisten Menschen wollen das. Kinder sowieso. Auch die Jugendlichen. Erwachsene verschieben ihr Leben auf später.
Bei vielen verliert sich der Wunsch des Älterwerdens. Irgendwann. An seine Stelle tritt Ambivalenz. Später die Angst. Nicht so bei mir. Ich möchte immer noch älter werden. Und bin doch für die meisten schon alt.
Die Höhe, die ich nun erreicht habe, gab es vorher nie. Zu viel Ballast beschwerte meine Tage. Jetzt ist das Fliegen leichter.
Die Spannung steigt. Wie hoch werde ich schwingen?