© evelyne w.
an manchen tagen
denke ich
wo ist die lyrik hingekommen?
gut, poesie
macht sie noch lang nicht aus
ist ein ganz anderes genre
doch warum muss
lyrik modern so schwer
an unserer zeit nagen
an ihr leiden?
ja, unsere zeit
die gibt was her
und dennoch ist sie doch
genau so gut
oder so schlecht
wie alle zeiten
vor ihr
und ist ein lyriker
wirklich dazu berufen
sich zu mokieren
über andrer leute taten
ein aufdecker
ein schmutzaufrührer
ein journalist
der mit verstümmelt‘
sätzen spricht
oder ein exhibitionist
der seinen seelenschlamm
nicht bei sich elbst
zu halten schafft
soll nicht die lyrik
vielmehr sein
ventil für sinnlichkeit
auch wenn in dunklen
tönen melancholie
und schauder
zum erklingen kommen
sogar für politik
wurde in früheren
gedichten wortgespinst
verwendet
heut ists der harte
schlag der oft geführt wird
mit einer silbenkeule
ohne melodie
der intellektuelle schein
überdröhnt stille gassen
in deren nischen
sich die emotion versteckt
vor den konstrukten
thesaurierter wortgewalt
wo sind die stirnen
hinter denen
gedichte ihre heimat fanden
in jenen tagen
wo sich ein versmaß
mit gefühlen paarte
um unseren geist
zu nähren
nicht abzustoßen ihn
von literatur und mensch
© evelyne w.
du sagst: es ist die übermacht.
ich sage: übermacht? die gibt es nicht.
du hast die macht. nur du allein.
für dich und über dich und deinen willen.
kommt die gewalt, dann kann es sein,
dass du dich ihr geschlagen geben musst.
doch macht erreicht sie niemals über dich.
erst wenn du sie ihr gibst.
© evelyne w.
zuerst war ich ein wenig bestürzt. als du mich in die mitte der tanzfläche zogst, einen schritt von mir zurücktratest und mich den augen aller so ganz allein preisgabst. dein blick fixiert am horizont hinter der rose in meinem haar. und deine starken arme fest an die hosennaht gesenkt. doch dann brandete applaus auf. unter dem ansteigenden stakkato deiner tritte bebte der boden. ein heißes schnauben drängte mir sand in die augen. mit einem einzigen ruck schwangst meine röcke du, warfst meine beine dieser ungezähmten kraft entgegen. locktest die wut der gier auf meine spur, mich zu ergeben dem strom des blutes.
© evelyne w.
er kömmt! er kömmt!
ich kann ihn riechen
rieche den duft aufbrechender erde
höre die säfte rauschen in den ästen
spüre der wurzeln fruchtbarkeitstanz
und sehe knospen zur entfaltung drängen
das lied der verheißung singt
beschwörende bilder flutender üppigkeit
die sich zum bad der seligkeit ergießen
er kömmt! er kömmt!
er ist schon da!
er klopft schon an die seelentüren
der frühling.
© evelyne w.
erwachen ohne dich.
kälte kriecht unter meine bettdecke und vor dem fenster stehen nebel.
aus dem spiegel höhnt mir ein graues gesicht entgegen. mit roten augen
und stumpfem wirrem haar.
und was ist das dort an der schläfe? oh!
der kaffee sieht aus als ob er sich verkleidet hat.
und in der vase hängen lustlos ein paar rosen.
endlich finde ich das zettelchen: bis abends! und drei kleine x-se.
die rosen straffen augenblicklich ihre schultern und röte schießt in ihre wangen.
das graue haar vergoldet sich im glanze meiner augen
und in meinem wäscheschrank gibts einen schweren schlagabtausch.
dort kämpft der rote fummel mit den schwarzen lederdessous.
nein, nein! viel zu abgedroschen und ideenlos um dich darin zu erwarten.
weiß? weiße spitze. warum nicht? schlagobersgarnitur an nunmehr wieder pfirsichhaut.
nein, nein! zu zuckersüß für die schärfe meines verlangens.
die apfelgrünen bänder würgen den kleinen leoparden
und rote herzchen erhängen sich an glitzernden perlenschnüren.
in diesem trubel werfen sich die dunkelblauen satinstrapse ihre strümpfe mit den cremefarbenen spitzen um den hals, machen sich auf den weg zu ihrem höschen
und den glänzenden körbchen und tuscheln:
kommt! macht euch bereit. sie wird uns nehmen.
sie könnten recht behalten …
© evelyne w.
Lieber Michael, ich danke dir herzlichst für die Inspiration durch deine wunderbaren Skulpturen
und dass ich sie hier auch mit meinen Texten veröffentlichen darf!