So geht das mit dem ALLE-Lieben

Und wieder geht es um die Frage: Wie kann ich denn jemanden lieben, der ein grindiges Arschloch ist, oder womöglich mich sogar bedroht oder schlägt?
Da funktioniert doch das ALLE-lieben absolut nicht.
Es kann doch nicht Liebe sein, wenn ich das alles dann verdränge, oder den Typen liebevoll behandle, obwohl er mich verletzt.

Genau das ist der Punkt. So stimmt es eben nicht.

Die Liebe ist unteilbar. Aber sie hat verschiedene Auftretungsmerkmale. Es gibt die Selbstliebe, die Nächstenliebe, die Mutterliebe, die Kinderliebe, die Frauenliebe, die Männerliebe und natürlich die allumfassende Liebe zum Leben.

Die Liebe ist immer in uns. Wie wir sie abrufen, ist eine Entscheidung unseres Willens (Entscheidungsfreiheit!).

Vor allem, müssen wir lernen, sie von Objekten – also auch Personen – zu trennen! Sie ist allumfassend! Sie umfasst die ganze Schöpfung und auch ihren Schöpfer.
Den Unterschied macht die liebevolle Kommunikation. Mit welcher Liebe ich einem anderen gegenüberstehe.

Wenn ich meinen Geliebten auf mich zukommen seh, dann werde ich ein warmes Gefühl im Bauch bekommen und ich werde auf ihn zulaufen, ihn umarmen und küssen.

Wenn ich einen Aggressor auf mich zukommen seh, dann werde ich ein Grummeln im Bauch haben und muss meine Selbstliebe einschalten, um nach einer Möglichkeit zu suchen, um mich zu schützen.
Wichtig ist, dass die Liebe Oberhand bekommt. Nicht die Angst und nicht der Hass.

Wenn ich nun tatsächlich nicht ausweichen konnte und verletzt werde, dann ist es weiterhin vorrangig, dass ich die Selbstliebe pflege und natürlich die Liebe zu meinem Leben! Das heißt, Ja zu meinem Leben zu sagen, und versuchen, weiterzugehen – auch wenn es vielleicht nur ein Auf-allen-Vieren-kriechen ist – und nicht im Hass stecken zu bleiben.

Der prominenteste Vertreter dieses Prinzips ist Viktor E. Frankl, der mit seinem Buch „Trotzdem Ja zum Leben sagen“, wohl eines der wichtigsten Bücher geschrieben hat.

frankl - trotzdem ja zum leben sagen

 

Darin beschreibt er seinen Weg, der ihn aus der ersten Hälfte seines bis dahin wohlverlaufenden Lebens ins Konzentrationslager führte. Und der danach in der zweiten Hälfte seines Lebens „trotzem Ja zum Leben“ sagte.
Auch als Arzt war er kein Privilegierter im Lager. Er sah sich lediglich als Privilegierten, weil er sein Leben behalten durfte. Das war Glücksache, wie er schrieb.

Er hatte bis dahin bereits seine Thesen entwickeln können und er konnte sie dann aktiv anwenden! Natürlich nicht indem er sich hinsetze und meditierte oder große Vorträge hielt. Er musste genauso barfuß in der Kälte herumlaufen und war täglich mit der Brutalität im Lager konfrontiert. Er litt dort genauso wie alle anderen, doch er konnte sich am Sinn seines Lebens festhalten. Er lebte, also musste er versuchen, das Beste daraus zu machen. Weil er sich sonst seinem persönlichen Tod aussetzte.

Viktor Frankl lebte danach noch mehr als 50 Jahre – er wurde 92 Jahre alt -, entwickelte seine Thesen weiter und wurde ein hoch angesehener Wissenschafter.
Das wäre nicht möglich gewesen, hätte er sich dem Hass und der Angst vor seinen Peinigern verschrieben.
Er hielt nach dem Weg Ausschau, den er WEITER gehen konnte.



Die Aggressoren und Machthaber dieser Welt muss ich dann in die Gemeinschaftsliebe abschieben.
Ich liebe mein Leben, sie sind ein Bestandteil dieses Lebens und ich muss dann Ja zu ihnen sagen. Nicht zu dem, was sie tun!

Da ist auch ein großer Irrglaube drinnen, dass man als Liebender alles gut heißen muss, was ein Anderer tut. Das führt uns doch auch direkt in die von uns gelebten Beziehungen, wo das oft ein Krisenfaktor ist. Wenn du mich liebst, dann muss alles gut an mir sein.

Das stimmt, aber auf eine andere Art als eingefordert.
Man muss auch ein Arschloch lieben können, aber man muss sich nicht von ihm anscheißen lassen.

Erstens geht das gegen die Selbstliebe, ist also keine. Und zweitens ist auch die produktive Arbeit, die ein Bestandteil der Liebe ist, davon geknebelt. Produktive Arbeit im Umgang mit Anderen bedeutet aufzuzeigen und andere Perspektiven anzubieten. Ist der Partner dafür taub, dann ist liebend loszulassen. Aus Gründen der Selbstliebe, gar nicht so sehr aus Liebe zum Partner. Diese bleibt durch die intakte Selbstliebe dann ebenfalls intakt. Aber selbstverständlich kann man diesen Vorgang mit „liebend loslassen“ auch umdrehen.

In der Praxis heißt das, meinen Mann zu lieben, wie er ist, mit all seinen Fehlerchen und eventuellen Mängeln, aber dort, wo sie sich gegen mich richten, meine Selbstliebe einzuschalten, und zu sagen: So nicht! Man merkt sofort, da geht die Liebe nicht flöten.

Konflikte austragen zu können, ist also produktive Arbeit und gehört deshalb zur Liebe.

Bei Leuten, mit denen ich nicht im direkten Kontakt stehe, wie das bei den meisten Politikern und Machthabern dieser Welt der Fall ist, habe ich nur die Möglichkeit, sie liebend loszulassen und sie in meiner Lebensliebe an irgendwelchen Außenflügeln unterzubringen. Aber diese Möglichkeit ist eine ganz, ganz wichtige und wird von uns leider viel zu oft als unmöglich angesehen. Dies führt dann in Angst und Hass und nicht in die Liebe.