hinter meiner stirn

 
an manchen tagen
denke ich
wo ist die lyrik hingekommen?

gut, poesie
macht sie noch lang nicht aus
ist ein ganz anderes genre

doch warum muss
lyrik modern so schwer
an unserer zeit nagen
an ihr leiden?

ja, unsere zeit
die gibt was her
und dennoch ist sie doch
genau so gut
oder so schlecht
wie alle zeiten
vor ihr

und ist ein lyriker
wirklich dazu berufen
sich zu mokieren
über andrer leute taten

ein aufdecker
ein schmutzaufrührer
ein journalist
der mit verstümmelt‘
sätzen spricht

oder ein exhibitionist
der seinen seelenschlamm
nicht bei sich elbst
zu halten schafft

soll nicht die lyrik
vielmehr sein
ventil für sinnlichkeit

auch wenn in dunklen
tönen melancholie
und schauder
zum erklingen kommen

sogar für politik
wurde in früheren
gedichten wortgespinst
verwendet

heut ists der harte
schlag der oft geführt wird
mit einer silbenkeule
ohne melodie

der intellektuelle schein
überdröhnt stille gassen
in deren nischen
sich die emotion versteckt
vor den konstrukten
thesaurierter wortgewalt

wo sind die stirnen
hinter denen
gedichte ihre heimat fanden

in jenen tagen
wo sich ein versmaß
mit gefühlen paarte
um unseren geist
zu nähren

nicht abzustoßen ihn
von literatur und mensch

© evelyne w.

 

auf dem kreuzweg

kreuzweg - audioversion

 
es trägt die zeit
das kreuz

beugt sich unter
seiner last
stürzt in den schlamm
aus sand und blut
der wunden

die jene
der erde schlugen
die sie geißeln
mit der unverfrorenheit
obszöner schreie
nach der macht

ein opferfest
bricht an mit
tanz auf kahlen hügeln
johlender menge
im gelichterkleid

wird sich das grab
auch diesmal leeren
die menschheit
wie oft noch
zu erretten?

© evelyne w.

 

winterspaziergang

 
da ging ich also. ich
ging allein. sah den schlittschuh
laufenden kindern zu und den hunden
die im schnee herumtollten.

ein kleiner weißer punkt
schwebte auf mich zu und
ich dachte noch:
beginnt es wieder zu schneien?
da setzte er sich auf meine lippen
und wurde heiß. brennend heiß.

ich bin’s, flüsterte er, spürst du mich?
erschrocken sah ich mich um
doch niemand war zu sehen.
ich schob meine zungenspitze
ganz nahe an ihn heran.
jaaa, raunte er, jaaa aaah!
hast du mich nicht erwartet?

doch, stotterte ich, doch
aber nicht jetzt und hier.
ich schwebe immer um dich, sagte er
und sprang auf meine zunge.

ich rollte ihn in meinem
warmen mund hin und her
er seufzte glücklich
streckte sich wohlig
und lief dann in meinen hals

wo willst du hin, rief ich
und er sagte:
nach hause. in dich.

© evelyne w.

 winterspaziergang - audio

 

 

glücksklee

 
mit regungslosen flügeln
stehe ich hoch in den lüften
beäuge suchend wiesen
nach dem das mich ernährt

sehe dich huschen
aus dem dunklen loch
unter dem klee
baust du ein nest

bewegung rührt mich an
und ich lasse mich
ins leben fallen

© evelyne w.

 gluecksklee - audio

 

noch trägt das jahr

 
und wieder trägt das jahr
ein weißes kleid

gewebt aus hoffnung
und in die säume
sind wünsche eingenäht

noch schwebt es unbeschmutzt
über verschlammte wege
tanzt ungebrandmarkt
auf den scheiterhaufen
lodernder kriege

noch trägt es einen blütenkranz
und in den lilienweißen fingern
einen becher freude

doch lauert schon der alltag
die füße werden schwer
im täglichen morast
und aus verschwielten händen
rinnt die angst

stahlhelme drücken
die gehirne dumpf
das kleid tarnt sich
oliv und braun
um in den gräben
zu beschützen

und nur die blume
mut zur liebe
reckt sich das ganze jahr
dem sonnenlicht entgegen

© evelyne w.

 noch traegt das jahr - audio

 

das lächeln der weihnacht

 
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wenn sterne fallen
aus dunkler nacht
um wege zu erleuchten

und sich die wärme
weiß und weich
über das land breitet

wenn aus den glocken
der jubel läutet
ihn zu erhören

und in den lüften
die botschaft weht
die uns befreit

wenn sich der himmel öffnet
um uns zu zeigen
gottes angesicht

dann hat das lächeln
der weihnacht
uns erreicht

© evelyne w.

weihnachtspodcast

Schön, dass du heute noch hereinschaust!
Mein Wunsch für dich:
Lächelnde Weihnachten!

laechelnde weihnachten

 

dritter advent

 
wenn die stille
nach mir greift
und ruhe
in mein herz breitet

das kerzenlicht
mich sanft umfängt
und alle schatten
aus mir spült

aus deiner stimme
glockenklänge
nach mir rufen

und dein blick
sterne
in meine augen malt

dann
ist das fest
der liebe
nicht mehr weit

© evelyne w.

weihnachtspodcast