Welche auch immer

Drei alte Männer in einem Zimmer.
Liegen mit Kathetern in ihren Betten.
Aufstehen gibt’s nicht.
Neben ihnen liegt ein „Pflegeverlaufszettel“.
Sie werden zu Untersuchungen gebracht.
Dazwischen kein Blick kein Ton.
Stundenlang.

Sie bekommen ihr Essen.
Nach einiger Zeit wird es abgeräumt.
Sie können nicht allein essen.
Manchmal ziehen sie sich aus und liegen nackt herum.
Wahrscheinlich stundenlang.

Besuche gibt’s keine.
Zumindest habe ich noch keine gesehen.
Und ich bin täglich da.
Stundenlang.

Einer telefoniert manchmal.
Mit seiner Frau.
Er will sie nicht sehen.

Und ich frage mich:
Wo ist die Liebe?
Welche auch immer.

 

 

MOhnblumen

 
mohnblumen

ich will ein bäumchen pflanzen
in meinem seelengarten
dort in dem hain
in dem die liebe austreibt
blüten der erinnerung

in seinem schatten
will ich dich finden
in deinem kleid
aus duftig mohn

das wir gemeinsam nähten
in den tagen
als wir barfuß liefen
durch die rotwogenden felder
zu den brunnen unserer kindheit

 

liebe mo,

ich danke dir
für die zeit die ich mit dir verbringen durfte
für die wunderbaren worte die du gabst
und für dein immer für mich dasein
in jedem mohnblumenfeld …

deine lintschi

 

wortreise

 
ohne dich
sind worte heimatlos

kochen in wortsuppen
denen die würze fehlt

wiederkäuen sätze
zu einem brei
aus einerlei

und doch
schicke ich täglich
meine immer gleichen
zu dir

weil ich nur so
bei dir sein kann

 

© evelyne w.

 

 

maria unter dem kreuz

 
wo gingst du hin
sohn des herrn
geboren mir
aus unbeflecktem schoß

doch übersät
vom schandmal
unseligen menschentums

vertränt hebt sich
der weg des schmerzes
aus dem auge

die schmach
grinst hämisch
mit dem schlangenkopf

es gibt
nur eine hoffnung:

auferstehung
in deinem unbeflecktem geist

 

© evelyne w.

 

 

bevor du gingst …

 
wenn du gehst
werden die tage wie ein dunkler wald vor mir liegen
und erst die umkehr in erinnerungen
wird mich auf hellen lichtungen
an neuen morgen tanzen lassen

was ist zu tun
was jetzt nicht zu verabsäumen
lichter vor meine füße zu werfen
vor die kleinen schritte dieser tage

die dir leuchten
auf deinem weg in diese
dunkle nacht der angst
die aus deinem herzen in mein herz
aus deinen händen in meine hände
aus deinen blicken in meine augen
strömt

ich möchte alles sagen
alles was ich dir immer schon gesagt
noch einmal
und einmal noch
und immer wieder

mit meinen worten ewigkeit dir geben
die dich nie von mir brechen kann

wie frisch gefallenen schnee sie streuen
auf die süße unserer gemeinsamkeit
uns zu verschmelzen
in der stummen hitze des verstehens

© evelyne w.