Gehirnamputiert?

I.

An und für sich geht es mir am sogenannten Irgendwo vorbei, was die Heroinen der Gazetten so treiben. Oder sagen wir, meistens. Größtenteils gehen die Ereignisse ja sowieso an mir vorbei, weil ich keine Hochglanzleserin bin. Aber es gibt schon Fälle, wo ich mich darüber aufregen kann. Und manchmal sehr.
Und jetzt gibt es gerade wieder einen solchen.
Ja, ja, auch mich beschäftigt der Fall der Angelina Jolie. Weil ich an der Geschichte ja beim besten Willen nicht vorbeikam, gibt es doch kein Medium, das frei davon ist.

Wie krank muss man sein, dass man sich gesunde Körperteile amputieren lässt?
Und wie krank muss eine Gesellschaft sein, dies dann noch zu bejubeln, es als heldenhaft und tapfer anzusehen?

Ich habe es schon lange vermutet. Ein großer Teil der Menschheit ist krank.
Vielleicht bereits gehirnamputiert. Um Schlaganfälle zu vermeiden.

Das Krebs-Gen. Nun ja, das tragen wir wohl alle in uns. Natürlich wahrscheinlich Manche mehr und Manche weniger. Wie bei allen Genen.
Aber kann man wirklich glauben, dass man sich durch eine Amputation davor schützen kann?

Seit Jahrzehnten predigt die Wissenschaft, dass der psychosomatische Anteil an fast so gut wie allen Krankheiten der weitaus höchste ist. Dass die Neurosenwahl als größter Verursacher, auch für Krebs, gilt.
Doch in dieser Form vorzusorgen, das fällt den wenigsten ein.

Prinzipiell kann bei mir jeder machen, was er will. Und wie er mit seinem Leben zurecht kommt, muss er für sich selbst entscheiden.
Dieser Grundsatz hört bei mir auf, wo dieses Für-sich-selber-machen Übergriffe auf Andere bedeutet. Und hier wird manipuliert! Und wie.

Ich frage mich wirklich, käme jemand auf die Idee sich die Haut abziehen zu lassen, weil er Hautkrebs gefährdet ist? Lässt sich jemand das Herz herausnehmen, weil er Herzinfarkt gefährdet ist?
Gefährdet! Nicht krank!

Ich habe noch meinen Blinddarm. Aber ich käme nicht auf die Idee, ihn mir vorsorglich nehmen zu lassen, weil ein Blinddarmdurchbruch tödlich sein könnte.

Es gibt Menschen, die gehen nicht auf die Straße, weil sie Angst davor haben, dass sie überfallen werden, dass ihnen ein Blumenstock auf den Kopf fällt oder ein Auto sie überfahren könnte.
Sie vergessen dabei, dass durch Tür- und Fensterritzen noch viel größere Gefahren schleichen können, abgesehen davon, dass jemand die Tür aufbrechen könnte und ihnen heutzutage auch ein Flugzeug auf das Haus fallen könnte.
Die krankhafte Anwandlung in einem solchen Verhalten würde aber wohl jeder sofort auf den ersten Blick erkennen.

Also frage ich mich: Wieso hier nicht?
Wieso wird hier bejubelt?

Für mich ist dieser Fall aber nicht nur ein typischer dafür, dass die Gesellschaft zur Angst manipuliert wird. Sondern auch, dass der psychischen Hygiene und Gesundheit ein viel zu geringer Aufmerksamkeitsgrad zugestanden wird.

Was diese Frau getan hat, ist ein ganz schlimmer Akt der Selbstverstümmelung! Und nichts anderes. Da ist nicht daran zu rütteln.

Die Magazine sind voll mit Selbstbeschädigungen und –verstümmelungen jeder Art. Jede Operation, die nicht der Gesundheit dient, ist eine solche. Die krausen Diäten, der Drogen-, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, Aufspritzungen und Absaugungen, und vor allem die Tätowierungen und Piercings legen Zeugnisse davon ab, wie sehr der Mensch sich an sich selbst vergreift.

Leider legen sie auch ein Zeugnis davon ab, wie wenig der Mensch Mensch bleiben will und wie wenig Mensch er heute schon ist.

 

II.

Ich gehe dann immer ins Gericht mit mir, wenn mich etwas so stark in Anspruch nimmt. weil ich weiß, dass es etwas mit mir zu tun haben muss.
Und in der Zwischenzeit glaube ich, ich weiß auch, was das ist.

Das ist diese Hilflosigkeit, die ICH manchmal verspüre, wenn ich so fassungslos davor stehe, was in dieser Welt abgeht und die Menschen wie die Lemminge hinterherhecheln.

Natürlich machen mir auch Kriege Angst, machen mich die Meldungen darüber wütend und auch dort ist es ja die Wirtschaft, die das alles lenkt und Medien und Politik sind nur willige Handlanger.
Aber ich gehe ja immer von innen nach außen, also von mir über meine Nachbarn in die Welt.
Und hier bin ich natürlich unmittelbarer betroffen. Weil ja mein Bekannten- und Freundeskreis ebenfalls entsprechende Meldungen abgibt. Diese unmittelbare Beteiligung meines Umfelds macht MIR Angst.

Und ich deshalb sehe, WARUM es in der Welt so abgeht. weil viel zu wenige Menschen wirklich nachdenken, sondern sich von ihrer Angst leiten lassen.
Und die Wut ist mein Kanal, um zu entlasten.

Hier hängt natürlich ein ganzer Rattenschwanz dran. In erster Linie die Pharmaindustrie, die ja diese Tests herstellt und sie patentiert hat.
Wofür sollten diese Tests gut sein, wenn die Frauen dann „nur“ wissen, dass sie ein erhöhtes Krebsrisiko haben? Und warum sollte man Frauen überhaupt in dieser Form zusätzlich ängstigen? Doch nur wenn Taten folgen und die Operationswirtschaft dadurch gepusht wird.
Dass Chirurgen sowieso gerne schneiden, das wissen wir sicher alle. Die fragen oder fackeln nicht lange herum, ob wirklich notwendig oder nicht. Und wenn noch Ruhm damit verbunden ist …

Dazu kommt, dass diese Tests aus finanziellen Gründen natürlich nur einer gewissen Schicht vorbehalten sind. Und Milliarden von Mittel- und Unterstandsfrauen leiden nun nicht mehr nur an ihrer Krebsangst, sondern auch daran, dass sie sich diese wunderbaren „Schutz“mittel nicht leisten können.
Da sie aber natürlich einer breiteren Masse zugängig gemacht werden müssen, um wirklich satte Kohle zu bringen, müssen alle diese Frauen ins Boot geholt werden.

Und so weiter …

Wie gesagt, die Jolie … ach, die geht mich prinzipiell nix an. Ich kenne sie nicht und will sie auch nicht kennen.
Ich habe in meinem Umfeld genug an gestörten Persönlichkeiten, mit denen ich mich auseinandersetzen kann – und da auch will.
Aber dass die eine enorm gestörte Persönlichkeit ist, das hüpft einem aus jedem Bild und jeder Zeile, die man über sie liest, entgegen. Und dass sie ein Schuldgefühl ihrer Mutter gegenüber hat, das sie zur Verstümmelung ihres eigenen Körpers führt, sollte meiner Meinung nach ein Fallbeispiel in einem entsprechenden Psychologiesachbuch sein und nicht als Heldentat der Masse vorgesetzt werden.

Dazu kommt noch etwas.
Eine Brustamputation ist ja nicht einfach, dass man sich ein Wimmerl wegschneiden lässt.
Wie wohl viele aus leidvoller Erfahrung wissen, sind diese Operationen mit viel mehr und längeren Behandlungen verbunden. Mit einschneidenden Veränderungen des weiblichen Körpers.
Wenn sich eine Frau dem freiwillig aussetzt, dann hat sie mit Sicherheit ein gestörtes Verhältnis zu ihrer Weiblichkeit.

Auf der einen Seite einen Kinderwahn zu hegen und sich auf der anderen Seite die gesunden Brüste und Eierstöcke entfernen zu lassen, deutet absolut nicht auf Verantwortungsgefühl hin, sondern auf Schuldgefühle, für die man die Verantwortung abgeben will.

Und dann frage ich mich noch, ob es bei Männern auch so leicht wäre. Ob ein Mann sich seinen gesunden Schwanz abschneiden ließe, weil er durch diesen einem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt zu sein scheint. Und vor allem, was die anderen Männer dazu sagen würden …

 

III.

Da es die manipulative und deshalb auch psychologische Seite an dem Fall ist, der mich so besonders interessiert, habe ich mich in meinen Sachbüchern hier ein bisschen umgesehen. Denn mein Wissen über Selbstverstümmelung kommt ja nicht einfach so von mir, sondern ich habe in meiner psychologischen Fortbildung darüber gelernt.

Sofort fündig geworden bin ich bei Mathias Hirsch, in seinem Buch „Der eigene Körper als Objekt“, Zur Psychodynamik selbstdestruktiven Körperagierens.
Ich habe auch noch andere hier, aber ich möchte das nicht zu wissenschaftlich hier angehen. Aber doch einige sehr aussagekräftige Punkte zitieren.

Heißen tut das Phänomen: Selbstinduzierte chirurgische Viktimisierungen

Und ich greife wirklich nur ein paar Punkte heraus (S. 159):

  • … Die Möglichkeit, dass ein trotz zahlreicher bereits stattgehabter Operationen vom Patienten selbst nahegelegter erneuter chirurgische Eingriff nicht nur etwas mit der objektiven Verursachung seiner Beschwerden, sondern auch mit psychopathologischen relevanten Faktoren zu tun haben könnte, wird nur sehr selten in Erwägung gezogen …
  • … drängen sich neurotische Patienten oft selbst dem Chirurgen auf, um ihn zu einer Operation zu veranlassen. Besser noch als durch hysterische Symptome ließen sich unbewusste Wünsche durch chirurgische Eingriffe befriedigen. Dem Patienten wird es nicht an Mitteln fehlen, einen Zustand herbeizuführen, den selbst der gewissenhafteste Chirurg als Indikation, wenn nicht als zwingenden Grund zu einer Operation ansehen wird …
  • … Indem der Patient den Chirurgen zu Handlungen verführt, die die Integrität seines Körpers beschädigen, wirkt er an seiner eigenen Viktimisierung mit …
  • … bei der Operationssucht fehle die verleugnete heimliche Selbstmisshandlung, während die Wahl des operierten Körperteils eine unbewusste Bedeutung dieser Organe symbolisiert …
  • … Es sind heimliche Selbstmisshandler beschrieben, denen auf Wunsch Glieder amputiert wurden …
  •  

    Die Frage ist natürlich nun: Warum?

    Wie gesagt, A.J. hat meines bescheidenen Erachtens nach, enorme (gerne auch zugestanden: unbewusste) Schuldgefühle. Und ziemlich sicher ihrer Mutter gegenüber, für deren Tod sie sich dadurch verantwortlich fühlt. Das muss sie selbst aber keineswegs so sehen und deshalb mit voller Absicht auf diese Art manipulativ agieren! Nur, dass kein Missverständnis entsteht.
    Und gerade deshalb ist diese Frau ein höchst bedauernswertes Geschöpf.
    Sie hat auch die entsprechende Vergangenheit und zeigt auch in ihrem Leben an vielen Seiten Bestätigung dieser inneren Landschaft.
    Ihr übertriebener Kinderwunsch, der bis zum Kinderkauf geht. Ihre Rastlosigkeit, an keinem Ort bleiben zu können, ihre Mediengeilheit, wenn es um ihre „Wohltaten“ geht, ihr in den Vordergrund gerückter Sexappeal, sie hat überdies bekanntermaßen eine Drogen- und Cuttervergangenheit, und ihr Hang zu Tätowierungen ist auch offensichtlich.
    Das ist keine Pauschalverurteilung, sondern wie gesagt, das sind Punkte, dafür muss man die Frau gar nicht näher kennen, um einiges über ihre psychologische Organisation erkennen zu können.

    Gut, das ist die eine Seite. Warum ich mich dieser so ausführlich widme, obwohl es mir gar nicht um Frau Jolie geht, liegt darin, dass ich aufzeigen möchte, wie sehr ein kranker Mensch als Heldin aufgebaut wird, um an ganz anderer Seite ungestört werkeln zu können.
    Keine Titelseite wird in diesen Tagen von den Ereignissen in Pakistan oder Syrien
    bestimmt …

    Und die Zeitgeistmafia manipuliert über die Angst 90 % der Frauenwelt und ein Gutteil der zugehörigen Männer noch dazu.

    Und dafür erscheint es mir notwendig, den Mythos dieser Frau aus dieser Perspektive zu beleuchten. Nicht, um sie anzuprangern. Sie ist ein armes Würmchen, das von Angst, Panik und Schuldgefühlen zerfressen wohl keine Nacht ruhig schlafen kann und sich in ihrem Körper nicht zu Hause fühlt. Und dafür hat sie mein liebevolles Bedauern von Frau zu Frau.

    Aber vielleicht kann ich irgendeiner anderen Frau dazu verhelfen, ihren nicht amputierten gesunden Menschenverstand dafür zu verwenden, sich nicht in diese Maschinerie hineinziehen zu lassen.

    © evelyne w.

     

    leg meine hand an deine wange

     
    leg meine hand an deine wange
    als kind schon hab ich das geliebt
    immer hast du dann gelächelt
    tust es auch jetzt mit leerem blick

    stumm sitzen wir nebeneinander
    die worte finden dich nicht mehr
    ich mag die augen nicht abwenden
    dein anblick bringt dich nah zu mir

    ich sehe dich wie niemand anderer
    für mich bist du nicht alt und grau
    die schönste warst du für das kind
    dein kind bin ich auch heut als frau

    die menschen können nicht verstehen
    was du in den momenten gibst
    dass neben dir ich ruhig werde
    weil mir die stille liebe spricht

    sie alle sehen nur dein leiden
    spüren nur ihre eigene angst
    ihr menschenbild wird unmenschlich
    dein leben zum unwert verdammt

    leg meine hand an deine wange
    fühl meine haut aus deiner haut
    erinnere mein herzgewebe
    das dich mit anderen augen schaut

    © evelyne w.

    leg meine hand - audio

     

     

    In der Umarmung des Vergessens XVI.

     

    Wie wird das sein

    Wie wird das sein. Denke ich. Wie wird das sein. Wenn sie mich nicht mehr erkennt. Werde ich auch dann noch einen Draht zu ihr finden. Sie vergisst so viele Namen. Manchmal auch meinen.
    Gestern hat sie ihren Sohn nicht erkannt. Nur kurz. Und doch. Sie weiß es. Das macht ihr Angst. Ich spüre sie. Ganz deutlich.
    Wie wird das sein. Wenn sie mich nicht mehr erkennt. Wie wird das sein. Ich spüre meine Angst. Ganz deutlich.

    (Schluss)

     

    In der Umarmung des Vergessens XV.

     

    Die einzige Antwort

    Ich fühle mich. Hilflos. Ich kann sie nicht beaufsichtigen. Nicht einsperren.
    Nicht beschützen. Vor sich selbst. Vor all dem, das sie nicht mehr weiß.
    Die Hilflosigkeit zerrt. An meiner Geduld. Mit ihr.

    Sie beugt sich nicht mehr. Geht ihren Weg.
    Unbeeindruckt. Vom Gebot. Von jeder Bitte. Unbeeindruckt von Gefahr.

    Warum? Hört sie denn nicht? Sieht sie denn nicht? Tut sie denn nicht?
    Doch Warum ist keine Frage. Die man an diese Krankheit stellen kann.
    Und die einzige Antwort ist: Die Umarmung des Vergessens.

     

    In der Umarmung des Vergessens XIII.

     

    Der Besuch IV.

    Heute geht es ihr nicht gut. Ich sehe es sofort. Das Gesicht ist teigig. Ihre Augen sind rot. Die Bewegungen fahrig.
    Sie sitzt auf dem Bett. Ich muss ganz nahe kommen. Dass sie mich erkennt. Sie sieht besonders schlecht. Wenn es ihr nicht gut geht.
    Ich setze mich neben sie. Lege den Arm um ihre Schulter.

    »Geht es dir nicht gut?«
    Sie sieht zu Boden. Das Kopfschütteln ist mehr ein Zittern.
    »Ist etwas geschehen?«
    »Ich habe nicht geschlafen. Keine Minute.« Ihre Stimme klingt weinerlich. Hoch. Kindlich.
    »Oje, warum denn nicht?«
    »Sie waren alle da.«
    »Wer war da? Die Schwestern?«
    »Sie war auch da.«
    »Die Ärztin?«
    »Sie war auch da.«
    »Gut, dass du nicht allein warst.«
    Sie lächelt. »Da kommen sie alle. Sie war auch da.«
    Ich nehme ihre Hände. Streichle sie. Auch ihren Oberarm. Ihre Wange.
    »Das kennst du doch schon. Jetzt wird es wieder besser.«
    Sie lehnt sich an mich. Nickt.
    »Du bist auch da.«

     

    In der Umarmung des Vergessens XII.

     

    Von der Kraft

    Es war nicht leicht. Nein. Ganz und gar nicht.
    Es war nicht leicht. Ihr Weggleiten zu sehen. Es wahrhaben zu wollen. Zu können.
    Sie war die Mutter. Ist plötzlich Kind.
    Die Angst fraß sich in meinen Schoß. Der sie niemals geboren.
    Die Angst fraß mich. Die ich aus ihrem Schoß geboren.
    Ein Spiegel schob sich vor ihr Gesicht. Vor mein Gesicht.
    Schon einmal ging ich ihren Weg. Beinah zu lang.

    Es war nicht leicht. Nein. Ganz und gar nicht.
    Doch endlich sah ich. Ihr Gesicht. Nicht mehr den Spiegel.
    Sah den Weg. Zu ihr.
    Von ihr.
    Zu mir.

     

    In der Umarmung des Vergessens XI.

     

    Auch ohne Worte

    Sie mag nicht essen. Will unbedingt, dass ich ihre Mahlzeit esse. Den Tee schüttet sie aus.
    Nur Kekse. Will sie immer.

    »Iss!«, drängt sie mich.
    »Nein, ich esse erst später.«
    Ihre Augen werden unruhig. Bleiben auf dem Papierkorb hängen. Sie schüttelt den Kopf.
    »Dort kann ich nicht.«
    »Dann lass es stehen. Die Schwester nimmt es wieder mit.«
    »Iss du es.«
    »Nein danke. Es ist dein Essen.«
    Sie hebt den Teller auf. Stellt ihn wieder hin. Schüttelt erneut den Kopf.
    »Dort kann ich nicht.«
    »Schmeckt es dir nicht? Soll ich dir etwas mitbringen?«
    Sie zuckt mit einer Achsel.
    »Vielleicht … ein …« In ihrem Gesicht arbeitet es. »Ein … ein … du weißt schon …«
    Ich denke nach, was sie immer gerne aß.
    »Ein Schnitzel?«
    Sie schaut zweifelnd drein.
    »Einen gefüllten Paprika?«
    Sie beißt sich auf die Lippen.
    »Krautfleckerln?«
    Sie sieht zu Boden.
    »Na so … die …« Sie macht eine rollende Handbewegung.
    »Fleisch?«
    Kopfschütteln.
    »Gemüse?«
    Kopfschütteln.
    »Du hast sie auch immer wollen. Ich habe sie für dich gemacht.«
    Sie kochte gut. Wenn sie kochte. Wenn sie konnte. Es gab vieles. Das ich gerne aß. Wenn sie kochte. Wenn sie konnte.
    »Nudeln, oder Reis oder so?«
    »So ähnlich.« Ihre Hand rollt wieder durch die Luft.
    »Was Süßes?«
    Ihr Nicken wird deutlich.
    »Palatschinken?«
    »Ja!«, ruft sie. Klatscht in die Hände. Hüpft im Sitzen. Wie ein Kind.

    Wieder geschafft …

     

    In der Umarmung des Vergessens IX.

     

    Theaterleben

    Sie lebte auf einer Bühne. Spielte ein Stück. Das niemand verstand.
    Ich brauchte Jahre. Es zu verstehen. Jahrzehnte.
    Nach vorne strahlend. Immer freundlich. Perfekte Mutter. Geliebte Frau. Schönes Heim.
    In den Kulissen wartete die Depression. Band ihr die Arme. Auf den Rücken.
    Der Text kam aus dem Souffleurkasten. Für die Mutter. Für die Frau.
    Auf dem Schnürboden hing schon das Vergessen. Auch das Vergessensein.

    Der Vorhang wurde immer schwerer. Und doch. Tägliches Öffnen. Vor dem falschen Publikum.
    Kein Applaus von mir. Nur von der Claque. Die in der ersten Reihe saß. Und von den Regisseuren in den weißen Mänteln.

    Das neue Stück hieß Mitleid. Mit allem. Mit jedem. Nur nicht mit mir.
    In den Pausen. Suche nach Botschaften. Von Hiob. Von Allen. Von Jedem. Nur nicht von mir.
    Der Dialog wurde gestrichen. Der Monolog wurde geweint.

    Das letzte Stück:
    Perfekte Mutter. Noch immer. Das Spiel: Viele Besuche. Das gibt Applaus. Von ihr. Für sie.
    Und in der Pause. Ein Eis. Von mir. Für sie.