bevor du gingst …

 
wenn du gehst
werden die tage wie ein dunkler wald vor mir liegen
und erst die umkehr in erinnerungen
wird mich auf hellen lichtungen
an neuen morgen tanzen lassen

was ist zu tun
was jetzt nicht zu verabsäumen
lichter vor meine füße zu werfen
vor die kleinen schritte dieser tage

die dir leuchten
auf deinem weg in diese
dunkle nacht der angst
die aus deinem herzen in mein herz
aus deinen händen in meine hände
aus deinen blicken in meine augen
strömt

ich möchte alles sagen
alles was ich dir immer schon gesagt
noch einmal
und einmal noch
und immer wieder

mit meinen worten ewigkeit dir geben
die dich nie von mir brechen kann

wie frisch gefallenen schnee sie streuen
auf die süße unserer gemeinsamkeit
uns zu verschmelzen
in der stummen hitze des verstehens

© evelyne w.

 

Erinnerung

 
Nur die Erinnerung gibt Unvergänglichkeit.
Wir sind die Schöpfer der Momente, die Beständigkeit erlangen.
Der Schmerz der Trennung ist kein Augenblick.
Die Trauer ist das Tal das wir durchschreiten, auf einem Weg
der zur Erinnerung sich weiten soll, an die Gelegenheiten
die wir gestalteten, um ihnen Ewigkeit zu geben.
Geschenk des Lebens, das wir selbst uns weihen
wenn wir der Freude und des Glücks gedenken
der Kostbarkeiten der Verbundenheit
die bei uns bleiben.

© evelyne w.

 

Gedanken über das Sterben

 
Der Tod ist ein Freund. Ein Freund der Liebe.
Einem Toten kann man reine Liebe schenken.

Im Leben wird die Liebe abgelenkt von Körperlichkeiten, von Stimmungen, die Kommunikation verlangt den Ausdruck der Liebe.

Nach dem Tod des geliebten Menschen bleibt nur die Nähe. Das reine Geben dessen, was man in sich findet. Das reine Nehmen dessen, was der Andere geben konnte und es dadurch noch immer kann.

Die Trauer bezieht sich auf den Verlust des realen Bezugs.
Menschen kann man nicht besitzen, also kann man sie auch nicht verlieren.
Auch die Liebe kann man nicht besitzen, also kann man auch sie nicht verlieren.

Traurigkeit ist ein warmes Gefühl, das Verbindung herstellt, zu dem, weshalb man traurig ist. Tränen spülen die Seele.
Die Traurigkeit bezieht sich meistens auf die Erinnerung an schöne Zeiten, glückliche Erlebnisse. Und das ist gut und das ist richtig. Und so soll es bleiben. Wenn man diese Traurigkeit annimmt, dann wandelt sie sich langsam und von allein in unüberschattete Liebe, die von Äußerlichkeiten nicht abhängig ist. Die Erinnerungen werden wieder glückhaft empfunden und stellen wieder Nähe her.

Manchmal bezieht sich der Verlustschmerz auf die Unwiederbringlichkeit der Möglichkeit, Verständigung herzustellen. Aber auch hier ist dieser Verlust im vorangegangen Leben angesiedelt und nicht der Tod ist dafür verantwortlich zu machen. Wer seine Belange rechtzeitig klärt, dem wird auch hier kein Verlust erwachsen.

Der Umgang mit einem Demenzkranken ist eine gute Vorbereitung auf den Weggang.
Langsam kommt man auf die Spur, wo es nur Hinwendung zu dem Anderen gibt.
Weil er nur mehr sich selbst zurückgeben kann.
Der Verlust findet gemächlich statt, hinterlässt deshalb keine schmerzende Lücke.

Wer ohne den Anderen nicht leben zu können glaubt, der wünscht sich das sicher nicht mehr, wenn er erkennen muss, wie das Leben des Geliebten immer beschwerlicher wird und keine Hoffnung auf Besserung besteht.
Man kann zwar lange Zeit dennoch viel Qualität in der Gemeinsamkeit finden, aber wenn nur mehr das Leiden das Leben des Anderen bestimmt, kann man als Liebender diese Egozentrik nicht aufrecht erhalten.
Die Linderung und Akzeptanz stehen dann wohl im Vordergrund, doch die Wünsche können einfach nicht in die Richtung Verlängerung der Anwesenheit auf der Erde liegen, die dem eigenen Besitzanspruch entsprechen würden.

Interessant sind für mich auch die Erkenntnisse, wie Menschen mit dem Sterben umgehen.
Die meisten besetzen das Sterben des Anderen mit der eigenen Angst.
Die Hinwendung zum Anderen würde diese Angst aufheben. Aber bei Vielen ist die Angst zu groß.
Was kein Vorwurf ist! Sondern eine Erkenntnis.

Aussprüche wie „Ich gehe nicht hin, weil ich will ihn/sie so in Erinnerung behalten, wie …“ oder „Es hat ja keinen Sinn, er/sie kriegt ja nix mehr mit“, tun mir persönlich in der Seele weh.

Einen geliebten Menschen begleiten zu können, ist eine große Gnade. Die vieles von allein relativiert. Man sieht die Veränderung gar nicht, weil die liebende Schau sich auf anderes konzentriert. Man verlangt von dem Sterbenden nicht, dass er aussieht, wie man ihn erträgt. Man trägt mit ihm.
Und kann deshalb den Wunsch nach Erlösung aus aufrichtigem Herzen wünschen und nicht als Floskel in den Raum stellen, die einen selber noch ängstlicher macht.
Entspricht sie doch nur dem Wunsch, selber von dem Leiden erlöst zu werden, den Anblick des Anderen ertragen zu müssen.

Viele Menschen sagen, so oder so möchte ich nicht sterben, das ist menschenunwürdig. Diese Menschen können nicht erkennen, dass auch ein leidvolles Sterben zum persönlichen Weg gehört, der in die Akzeptanz einerseits des eigenen Lebens, wie auch andererseits des eines Anderen, fallen muss, und dass gerade der Mensch dafür ausgerüstet ist, damit liebevoll umzugehen.
Das ist absolut menschenwürdig!
Dieser Ausspruch wird einzig davon genährt, dass die große Einsamkeit die eigentliche Angst ist und sie streuen deshalb Floskeln, die sie selber beruhigen sollen. Es aber niemals können.
Denn in Wahrheit haben sie Angst vor dem, wie sie mit Sterben umgehen und fürchten sich davor, dass es ihnen genauso ergehen wird, sie bestenfalls in die Obhut pflegerischer Betreuung abgeschoben werden. Doch diese große Einsamkeit kommt daher, dass sie selber sie nicht überwinden können. Aber bereits im Leben, nicht erst im Sterben.

Manchmal trifft es mich auf dem falschen Fuß, wenn ich meinen Weg der Begleitung durch Krankheit, Demenz oder Sterben gehe und mir dann von Jemandem, der an der Tür stehen bleibt und sich dort in Tränen auflöst und wieder davonrennt, sagen lassen muss:
„Ich bewundere dich. Ich kann das nicht. Ich hab da zuviel Gefühl dafür, bin nicht so hart wie du …“

Aber nur manchmal, meistens bin ich glücklich, dass ich es anders gelernt habe. Gelernt habe, das Selbstmitleid so gut als möglich aus meinem Leben auszuschalten und es wirklich nur darauf zu reduzieren, wo es auch tatsächlich mich betrifft.
Und Trauer annehmen zu können, wie sie auch Trost gibt.

© evelyne w.

 

der tag danach

 
erwachen
und ein blick in mich

da lächelst du

hast keine angst
und keine schmerzen

die augen groß
und strahlend
jung
die dichten locken
in die stirn gezogen

du hebst den arm
ganz mühelos
und winkst mir zu

ich habe
deinen schlaf bewacht
sagst du

ich strecke mich
und liebe es
wieder dein kind zu sein

© evelyne w.

 

ich lege mich an dich

 
ich lege worte an dein ohr
die dich umarmen
mit dem klang
mit dem du
meine stimme färbtest

lege die finger an dein haar
die sanft dich streicheln
mit den kuppen
die du mit
meiner haut umspanntest

ich lege blicke in dein herz
um mit dir zu ertragen
deine angst
mit der du
meine augen füllst

und lege küsse auf deine stirn
die dir erzählen
von der liebe
die du
in mir finden wirst

© evelyne w.

 

eins sind wir

 
eins sind wir
in dieser stille
in der
die worte flüstern
nur von herz zu herz

mein blick
dich taucht
in jugend
und in schönheit

ich spüre
fröhlich willst du sein
wenn du dem kinde
hinterher läufst

erreichst es nie

dein leben driftet ab
streut dich
in andere winde

ich sammelte dich ein

und nicht erst heute
und in dieser stille

© evelyne w.

 

begleitung

 
hör, meine stimme will dich wiegen
wo dich mein wort nicht mehr erreicht

will trösten dich in dunklem zagen
begleiten dich in sicherheit

hör, meine töne wollen dich locken
aus deiner angst vorm ungewiss

wollen mit dir schweben über die nebel
dorthin wo du geborgen bist

spür, meine hände wollen dich tragen
zu mir, in mich, weit weg vom weh

drum hör auf mich, auf meine stimme
auf der erlösung melodie

© evelyne w.