am tag danach

 
und wieder kam die nacht
die scherben brachte

scherben der unmenschlichkeit
des hohns
und grausamen zynismus

der tag danach führt
an jeder hand ein kind
kahlgeschoren und in lumpen

taumeln sie durch jene mengen
die tanzend ihre zukunft
als aschenhaufen hinterlassen

wirst du sie töten?

nein, schreist du
und doch wehrst du
dem halali nicht

das geblasen wird
an jedem morgen
wo du die augen senkst

um dich immun zu machen
im virtuellen schulterschluss
mit blinden und gehörlosen

© evelyne w.

 

in der gnade der geburt

75 jahre reichskristallnacht …

 

an solchen tagen
werde ich ganz klein
aus scham und angst

fünfundsiebzig jahre
legen sich auf meine haut
auf meinen rücken

der sich krümmt
unter der last
gemeinsamer verantwortung

für das was sich
nicht wiederholen
DARF

was tun
mit diesem erbe
von dem ich weiß

dass es den menschen
innewohnt
damals sowie heute

lasst uns
die namen nennen
für das kleid
in dem das totschweigen
sich präsentiert

sei es aus eitelkeit
oder aus abgestumpfter
sattheit

und dann nehmt meine hand
die euch den weg
zur liebe weist …

an solchen tagen
werde ich ganz klein
aus demut

über mein leben in der
gnade der geburt

© evelyne w.

 

lesung flossenbuerg

 

 

Gedanken über . . . die unerkannte Gewalt – I. Sprache


Die unerkannte Gewalt in der Sprache

Frieden. Ein Thema, das derzeit sehr popluär ist. In Gesprächen. Sonst leider nicht.
Und ich lausche den Diskussionen und kann bereits in den Gesprächen den Frieden nicht entdecken.

Der Frieden wird mit Anschuldigungen, Ausgrenzungen, Sanktionen und Lobbybildung gefordert. In Kontroversen ausgedrückt.
Und ich denke: Auch Frieden ist offensichtlich nur ein Wort.

Was scheinbar allen Menschen fehlt, ist eine bestimmte Fertigkeit: nämlich die Friedfertigkeit. Diese heißt nicht ohne Grund so. Denn sie erfordert eine gewisse Fertigkeit, also ein gewisses Können. Dieses muss von der Menschheit aber erst erlernt werden. Denn wie die Geschichte zeigt, ist mit den bisher angewandten Methoden kein Frieden erreicht worden.
Frieden erfordert vom Menschen FriedlichSEIN. Dieses Friedlichsein kann man jedoch selbstverständlich weder erzwingen, noch vereinbaren. Friedlichsein kann – ja muss – jeder für sich selbst erlernen. Das bringt dann den Frieden in die Welt.

Wir aber fordern Frieden, ohne uns darum zu kümmern, selbst diese Fertigkeit zu erlangen.

Verhängnisvoll steht dem entgegen, dass von Vielen die Gewalt nicht mehr als solche erkannt wird. Die hohe Flut an Information, die unser Zeitalter mit sich bringt, hat dem Menschen die Fähigkeit genommen, Gewalt abzulehnen. Es ist dies ein Akt der Massenverdrängung. Nur so kann der Mensch wohl überhaupt mit ihr leben. Würde er das Ausmaß selbst erfassen müssen, ginge er daran zugrunde.
Deshalb ist sie für uns zu einem notwendig erscheinenden Zubehör des Friedens geworden. Ein solcher Bestandteil unseres Alltags, dass wir sie erst wahrnehmen, wenn unser eigener Schmerz uns darauf hinweist. Der Schmerz des Anderen bleibt hinter der Netzhaut stecken. Manchmal auch schon davor.

Als schreibender Mensch nehme ich mit großer Bestürzung eine Veränderung der Sprache zur Verrohung wahr, die einerseits eine logische Folge ist, andererseits natürlich enorm dazu beiträgt, die unerkannte Gewalt hinzunehmen.
Dies ist aber leider nicht nur in der Umgangssprache so, sondern wird von den kulturellen Trägern bereitwilligst übernommen.

Wenn wir uns näher anschauen, in welchen Worten heute veröffentlicht wird, dann werden wir rasch erkennen, dass in Texten, Theaterstücken und Drehbüchern nur wenig an Friedfertigkeit vorhanden ist. Nicht nur vom Inhalt her, sondern auch die Sprache an sich hat an Aggressivität enorm zugelegt. Ich bin keine große Fernseherin, aber wenn ich gerade am Fernseher mal vorbeigehe, dann fällt mir auf, dass da beinahe immer nur herausgebellt wird.

Ich kann mich erinnern, dass in früheren Jahren, vor allem von den öffentlich rechtlichen Anstalten, großer Wert auf eine sorgfältige und richtige Sprache gelegt wurde. Handelte es sich doch wohl auch um einen Kulturauftrag. Es galt schon als Skandal, wenn ein Nachrichtensprecher einen grammatikalisch falschen Satz sprach.
Abgesehen davon, dass heute Redewendungen verwendet werden, die von Sprachkultur weit entfernt sind, wird den Produktionen, die natürlich der Quote geschuldet sind, eine Normalität zugrundegelegt, in der sich die Protagonisten ausschließlich rüden Umgangstones befleißigen. Fäkalsprache, Schimpfworte, Hetze eingeschlossen. Selbst in Liebesszenen gibt es keine leisen Töne mehr, sondern muss geschrieen und verstümmelt gesprochen werden.
Und interessanterweise bringen solche Produktionen tatsächlich die besten Quoten und auch die größte Resonanz.

Die Literatur konnte sich diesem Wandel selbstverständlich nicht entziehen. Waren es früher wohl Ausnahmen, wenn umgangssprachlich veröffentlicht wurde, so ist das nicht Thema meines heutigen Beitrags. Die Verwendung der Umgangssprache an sich ist nicht das Verhängnis, sondern WIE sich die Umgangssprache verändert hat. Und wie sich durch deren Veröffentlichung die unerkannte Gewalt in unser tägliches Leben schleicht.

Ich habe vor einiger Zeit eine Serie über die Schreibtischtäter geschrieben. Die Reaktionen haben mir gezeigt, wie wenig die Sensibilität für dieses Problem in der Allgemeinheit verankert ist. Wie sehr das Nichtkönnen der Friedfertigkeit als normal – ja darüber hinausgehend sogar als wertvoll, weil angeblich künstlerisch – angesehen wird.

Heute wende ich mich deshalb nicht an die Ausführenden, sondern an die Leser, Konsumenten, Nutzer und Anwender.

Frieden beginnt mit Friedfertigkeit und die Sprache ist ein wichtiges Instrument dafür. Erkennen wir die unerkannte Gewalt in unserem Sprachgebrauch und tragen wir selber dazu bei, Friedfertigkeit auf diese Weise in die Welt zu tragen. Ein erster – aber sehr wichtiger Schritt!

© evelyne w.

 

Gedanken über . . . die unerkannte Gewalt – II. Friedfertigkeit


Die Friedfertigkeit hat mich nun noch weiter beschäftigt.

Wenn ich schreibe, schreibe ich so gut wie nie losgelöst von mir. Ich schreibe eigentlich immer für mich. In der Lyrik meistens, um mich auszudrücken und daraus zu erkennen, wie authentisch ich mich fühle. In Prosatexten, entweder um etwas zu erzählen, das mich gerade interessiert, aber meistens (sogar in meinen Romanen) um etwas zu erkennen, etwas in mir zu hinterfragen und um Ordnung in Gedankenschleifen zu bekommen.
Wenn ich damit hinausgehe, dann um anderen Menschen Perspektiven zu bieten. Denn auch ich bin ja oft froh darüber, Anregungen zur Hinterfragung zu bekommen.

Aber ich schreibe niemals, um Anderen meine Meinung als einzig richtige Weltsicht aufs Auge drücken zu wollen und schon gar nicht, um Anderen Schuld zuzuschieben.

Ich gehöre zu den Menschen, die sich fast nie als Opfer Anderer sehen. Aus dem Grund, weil ich immer versuche, meinen Ausgangspunkt zu erkennen, wo ich im Hier und Jetzt meinen nächsten Schritt setze. Und manchmal ist es dafür wichtig, sich den Schuh eines Anderen anzuziehen.

Deshalb habe ich selbstverständlich darüber nachgedacht, wie es mit meiner eigenen Friedfertigkeit aussieht. Z. B. auch, ob solche Texte denn nun der Friedfertigkeit dienen, sich ihr unterordnen.
Das Ergebnis findet sich hier in der Einleitung.
Aber – es bestärkt mich auch in meinem Bestreben, selber Friedfertigkeit zu lernen, dort wo ich sie noch nicht in mir finde. Denn dass das der Fall ist, erkenne ich auch in so manchen meiner Texte.

Dafür erscheint es mir wichtig, die Friedfertigkeit näher zu beleuchten, um vor allem, die unerkannte Gewalt aufzuspüren. Nicht in der Anprangerung, sondern von der anderen Seite kommend. Nur so kann wirkliches Friedlichsein erreicht und von mir echter Frieden in die Welt getragen werden.

Ich möchte einfach zu dieser Gruppe der Menschheit gehören. Und nicht zu den Anklägern, Anprangern und selbsternannten Weltreinigern. Was mich logischerweise zum Begriff der Besserwisserei führt, die mit Sicherheit auch ein Bestandteil der unerkannten Gewalt ist.
Ich weiß nicht, wie Andere es besser machen könnten oder sollten, aber ich weiß, wie ich es machen möchte. Und dort orientiere ich mich.

Wie nun also würde eine Welt der Menschen aussehen, die die Kunst der Friedfertigkeit in diese bringen.
Friedfertigkeit würde jeden Konflikt beenden.Vielmehr noch, würde sie sogar gar nicht erst zu Konflikten führen.
Unvorstellbar?
Nur dann, wenn man die unerkannte Gewalt nicht in erkannte Gewalt umwandeln kann.

Was uns Menschen leider viel zu sehr fehlt, ist die Sorg(viel)falt, die ihren Wortbegriff, wie man sieht, für mich aus der Vielfalt an Sorge bildet: Fürsorge, Obsorge, Vorsorge …

Sorglicher Umgang, womit auch immer, veträgt sich in keinster Weise mit Gewalt. Erkannter und unerkannter.
Der sorgliche Umgang mit uns selbst beinhaltet, die Gemeinschaft ebenfalls sorglich zu behandeln. Weil das Eine ohne das Andere nicht möglich ist.
Der sorgliche Umgang mit dem, was unsere Erde uns bietet, könnte niemals zu Machtübergriffen führen, die ja wie wir alle wissen, die Grundlage jedes Unfriedens bilden.
Der sorgliche Umgang mit Wissen würde Bildung für alle auf dem Niveau ihres Seins beinhalten und die Wissenschaft ausschließlich in den sorglichen Dienst der Menschheit stellen.

Friedfertigkeit zu erlangen bedeutet also, sich in Sorgfalt zu üben.
Obsorglich damit umzugehen, was uns gegeben ist und vorsorglich darauf zu achten, dass es nicht zerstört wird. Fürsorglich darauf zu schauen, dass es auch Anderen zugänglich gemacht werden kann. Unerkannte Gewalt in diesem Prozess ist dann logischerweise, wenn wir das Prinzip der Sorgfalt aushebeln und beispielsweise darauf achten, dass etwas, das uns gegeben ist, nicht zerstört wird, indem wir das, was Anderen gegeben wird zerstören. Weil alles UNS gegeben ist.

© evelyne w.

 

über die übermacht

 
du sagst: es ist die übermacht.
ich sage: übermacht? die gibt es nicht.
du hast die macht. nur du allein.
für dich und über dich und deinen willen.

kommt die gewalt, dann kann es sein,
dass du dich ihr geschlagen geben musst.
doch macht erreicht sie niemals über dich.

erst wenn du sie ihr gibst.

© evelyne w.

 

Die Schreibtischtäter I. – Die Macht der Gemeinschaft

Es ist einfacher die Leute zu täuschen
als sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht wurden.

Mark Twain

Die Macht der Gemeinschaft
 

Wie konnte das passieren?

Seit vielen Jahrzehnten stellen wir uns diese Frage.
Wie konnte ein kleiner, seltsamer, offensichtlich psychisch verformter Mann die Welt in sein krankes Denken ziehen und sie in diesen furchtbaren Abgrund stürzen.

Die Erklärung läuft immer dort hinaus, dass die Menschen damals arm waren, dass Hitler ihnen Arbeit versprochen (und ja auch gegeben) hat und was er tatsächlich wollte und trieb, lange Zeit verborgen blieb. Und sie später gezwungen wurden …

Dass es daran nicht lag, erscheint mir persönlich absolut logisch.
Ihr werdet vermutlich alle nicht „Mein Kampf“ gelesen haben, weil er jetzt ja verboten ist. Aber damals war er es nicht. Und dieser Hass, der dort aus jeder Zeile sprang, den konnte niemand verleugnen. Und auch wenn die meisten keinen Zugang zu diesem Buch hatten, oder überhaupt weder Kopf, Zeit noch Geld dafür hatten, zu lesen, so gab es doch eine große Anzahl von Personen, die darauf hinwiesen und laut warnten.

Erfreulicherweise ruhen sich ja auch heute viele nicht auf dieser Erklärung aus. Sondern versuchen, das zugrundeliegende Phänomen aufzuzeigen, um so den nachkommenden Generationen die Möglichkeit zu geben, Frieden mit der Vergangenheit zu machen, um Frieden für die Zukunft daraus erwachsen zu lassen.

Wie wir alle wissen, werden diese Fakten von der Gemeinschaft in der Gegenwart genauso wenig umfangreich genug aufgenommen, wie damals.
Die rechte Szene blüht stärker denn je.
Heute wird diese Maschinerie auf die „Fremden“ angesetzt, jedoch sind auch diese nur das „Aushängeschild“. Der Faschismus lebt in allen menschlichen Beziehungsgruppen.

Spricht man mit einzelnen Personen, so ist das gar kein Thema. Alle sind friedliebend, sozial, offen, human und menschenfreundlich.
Die Geschehnisse des Holocaust sind ihnen so unverständlich wie die heutigen Kriege oder die Übergriffe der Hooligans.

Alle wissen, wie es sein könnte, wenn die Anderen nur endlich Ruhe gäben. Sie selber sind nicht daran beteiligt.

Dass dies genauso wenig möglich ist, wie damals als Hitler hochkam, will niemand hören. Dass die Verantwortung beim Einzelnen liegt, den Frieden mit seinem Selbst in die Welt zu tragen, ist eine Wahrheit, die viel zu unbequem ist.
Es ist wesentlich bequemer, sich hinter den Anforderungen des Alltags zu verstecken und die Schuld Anderen zuzuschieben.

Und das ist der springende Faktor. Dort liegt der Knackpunkt, den jeder Machthaber für sich nützt.

Um seine persönliche Verantwortung abzugeben und diesem Prinzip folgen zu können, braucht der Mensch ein Feindbild.
Und jeder hat eines. Es gibt keinen Menschen, der kein Feindbild hat. Ich glaube, nicht einmal Mutter Teresa hatte keines …
Natürlich liegt der Kern der Verantwortung deshalb darin, wie wir mit unserem Feindbild umgehen.
Dort liegt der Knopf, der entweder in Humanität oder Faschismus führt.
Und dort entscheidet sich, ob wir Frieden oder Hass in die Welt bringen, also in welcher Weise wir zur Gemeinschaft etwas beitragen. Und damit die Macht der Gemeinschaft prägen.

Warum ich das alles gerade jetzt schreibe?

Nein, nicht weil wieder Wahlen in Österreich anstehen, und sich die rechtsgerichteten Parteien im Vormarsch befinden. Dieses Phänomen konnte ich mir – wie man sieht – bisher ja sehr gut erklären.

Doch in den letzten Tagen wurde ich persönlich in einen Fall involviert, der mich fassungslos zurückließ. Und ich kann oft nicht anders verarbeiten, als darüber zu schreiben.

© evelyne w.

 

Die Schreibtischtäter II. – Die Aufrüttler

 
Die Aufrüttler
 

Menschen verdrängen das Böse das von Anderen ausgeht, und sie nicht unmittelbar selbst betrifft, oft so lange, bis es absolut nicht mehr geht. Sie wollen es nicht erkennen, weil es ihre Ängste schürt und ihre Ruhe stört. Weil es sie zu eigenverantwortlichen Handlungen auffordern müsste. Und deshalb verteidigen sie ihre Position mit Rationalisierungen und stellen sich gegen den Aufdecker.

Allerdings – psychologische Erklärungen konnte ich mir früher auch schon geben. Aber bisher habe ich noch nie unmittelbar erlebt, wie so etwas in der Realität abläuft.

Meine persönliche Einstellung liegt erklärtermaßen darin, dass nur die Verbreitung von Frieden auch tatsächlich Frieden bringt.
Die Verbreitung von Gräueltaten unter dem Vorwand „aufrütteln zu wollen“, kann meines Erachtens nach nicht zum Frieden beitragen.
Selbstverständlich muss darüber informiert werden. Verbreitung von Information ist äußerst wichtig.
Aber auch hier – was daraus gemacht wird, ist wesentlich dafür, in welche Richtung diese Infos treiben.

Die Aufforderung Täter zu hetzen, zu quälen, zu ermorden zeugt niemals von friedlicher Gesinnung! Egal, welches Mäntelchen man sich dafür umhängen möchte.
Aus einem Rachefeldzug kann niemals eine Friedensdemo werden!
Mit der Darstellung von brutalisierten oder missbrauchten Opfern kann niemals deren Würde wiederhergestellt werden! Im Gegenteil … man nimmt sie ihnen immer aufs Neue.

Wer meinen Flossenbürg-Bericht kennt (man muss ihn nicht kaufen, man kann ihn auch hier auf meinem Blog lesen und sich Teile daraus im Video vorlesen lassen), der kennt auch meine Vorgabe, wie man aus tragischen Erlebnis-Situationen, in friedvolle Richtungen einschwenken kann.

Immer-Wieder-Aufrührungen der Geschehnisse unter Zuhilfenahme von vor Grauen strotzenden Bildern und Berichten schrecken niemanden der so etwas tun will, von weiteren solcher Handlungen ab! Und sie rütteln auch nicht die Konsumenten dieser Werke auf, genauer hinzusehen, wo die Grundlagen in Wahrheit zu suchen sind. Sie bedienen lediglich den Voyeurismus, bedienen eine Klientel, die sich an der Hilflosigkeit von Opfern aufgeilt.
Darüber habe ich schon in meinem Artikel Von der Dummheit der Menschen“ geschrieben.

Und sie verhetzen an sich friedfertige Menschen, treiben sie in eine Ecke ihrer Angst, in der sie in einen Kreislauf der Gewalttätigkeit eingebunden werden und sich deshalb nie mehr daraus befreien können.
Doch Machtgeile, Böse oder auch „nur“ Zyniker setzen genau dort ihre Hebel an.

An und für sich wären solche Typen leicht erkenn- oder durchschaubar. Sollte man meinen.
Kein Mensch, der wahren Frieden anstrebt, würde diesen jemals mit Brutalität oder Erbarmungslosigkeit zu erreichen versuchen. Ist ja wohl auch ein Widerspruch in sich. Oder?

Leider musste ich wieder einmal feststellen, dass schreibende Menschen, die sich ja so gern zur Denker-Elite zählen, das häufig nur als Lippenbekenntnis so sehen wie ich und sich ebenfalls oft als Ausgelieferte ihrer eingangs von mir beschriebenen Ängste demaskieren. Obwohl sie so gerne ihre Überlegenheit über das Fußvolk der Nichtdenkenden demonstrieren wollen.

Von der Pflicht zum Aufrütteln wird dann gesprochen. Von Kunst, die diese Pflicht angeblich hat. Und unter diesem Deckmantel wird Hass in die Welt geschleudert.
Werden Anprangerungen und Verfolgungen gerechtfertig. Wird für Selbstjustiz plädiert und Verständnis für Übergriffe gezeigt. Wird die Todesstrafe nicht nur gut geheißen, sondern sogar als zu milde eingestuft und dgl. mehr.
Und der Einwand, dass all das auch Unschuldige treffen könnte, wird mit dem Argument abgeschmettert, dass wohl der Eine oder Andere für eine Hundertschaft schon mal geopfert werden könne.

Nun frage ich mich – und jetzt auch meine Leser:
Kann man auf diese Weise wirklich aufrütteln? Und wenn ja – möchte jemand hier zu Ende denken, wozu damit aufgerüttelt wird?

Wurde schon jemals durch die Darstellung brutaler Szenen ein Mord oder eine Vergewaltigung verhindert?
Wurde schon jemals durch das Zeigen von Leichenbergen oder verstümmelter Kriegsopfer ein Krieg verhindert?
Wurde schon jemals durch die Ermordung von Tätern die Flut der Gewalt eingedämmt?

Glaubt das wirklich irgendjemand da draußen?

© evelyne w.

 

Die Schreibtischtäter III. – Das künstlerische Grauen

 

Das künstlerische Grauen
 
Also frage ich mich: Was wollen Autoren, die Geschichten, Romane oder Drehbücher schreiben, in denen Brutalität und Grauen im Mittelpunkt stehen? Was wollen Künstler, die solche Filme drehen?

Eine Antwort könnte sein: Sie wollen unterhalten!
Eine weitere: Sie wollen etwas aufzeigen (Nur weil es schon Diskussionen hier gab: für mich ist „aufzeigen“ etwas anderes als „aufrütteln“. Ist eine persönliche Wortwahl, aber ich möchte es gerne unterschieden wissen)
Eine dritte: Sie wollen zu Entlastung beitragen. Zu ihrer eigenen und auch zu der Anderer.

Und ja, da bin ich voll auf der Seite dieser Kunstschaffenden.
Leider ist der Mensch so angelegt, dass er höchst dunkle Seiten in sich trägt. Mit denen er nur umzugehen lernen kann, wenn er sich mit ihnen konfrontiert. Wenn er Möglichkeiten findet, diese auf eine Art und Weise zu entlasten, dass niemand dabei zu Schaden kommt. Also er selbst nicht und auch kein Anderer. Jede Therapie zielt darauf ab. Jedes Märchen soll diesem Effekt dienen.
Ich finde deshalb auch nicht, dass solche Werke an sich zur Gewalt aufrufen. Oder Indizien für den „bösen“ Charakter des Autors sind.

Aber es muss klar sein, dass es sich um ein Werk handelt! Auch wenn reale Szenen beschrieben werden. Dass es Geschichten, Gedichte, Bücher, Filme sind … in denen etwas dargestellt wird.

Wenn sich diese Autoren allerdings als Aufrüttler des Universums damit selber darstellen und deshalb darin Botschaften unterbringen, die dazu aufrufen, Andere zu verfolgen, egal aus welch immer gearteten Gründen, sie als Freiwild anzusehen oder zu Tode zu hetzen, dann hört sich für mich der unterhaltende Lernprozess schlagartig auf.

Nun könnte man glauben, dass dies eh auch logisch ist und dass dies doch jeder sofort durchschaut.
Aber dem ist leider absolut nicht so.
Wie habe ich schon geschrieben: die Angst vor dem Bösen lässt die Menschen das Böse nicht erkennen!

In der Darstellung von Gewalt gibt es viele Schlupfwinkel für Manipulierer.
Weil es eben eine große Kunst ist, Gewalt zur Unterhaltung und für Lernzwecke richtig aufzubereiten. Und es aber viel mehr kleine selbstgerechte Möchtegern-Schreiberlinge gibt als Autoren großer künstlerischer Unterhaltung.

Das erkennt man oft erst dann, wenn Autoren in dieser Form zu ihren Werken Stellung nehmen.
Deshalb ist es wichtig, auf Indizien zu achten, um sich selbst die richtige Meinung bilden zu können, was man von einem Werk zu halten hat.

Und deshalb ist die Antwort „sie wollen aufrütteln“ immer mit großer Vorsicht zu behandeln.
Denn man kann auf diese Art nicht aufrütteln, wie im vorigen Kapitel bereits beschrieben.
Man kann nicht einmal aufzeigen.
Da gibt es nichts Neues dran und wenn jemand die Morde der Naziherrschaft leugnen will, dann leugnet er sie nach dem x-millionsten Schreckensfoto immer noch.
Und wenn jemand die Schreie der Nachbarkinder nicht hören will, dann hört er sie nach dem noch so detaillierten Bericht einer Vergewaltigung, mit anschließendem Aufruf zur Täterhatz, auch nicht.

Deshalb erkennt man an dieser Antwort sofort die Überheblichkeit dieser selbsternannten Elite-Denker, die sich als die Einzigen ansehen, die sich mit solchen Situationen auseinandersetzen und den Durchblick haben.

Doch man kann noch etwas erkennen, wenn man aufmerksam bleibt.

Ich spezialisiere mich nun auf das Holocaust-Thema, es steht allerdings hier für alle Bereiche der Gewaltanwendung. Lässt sich aber daran am besten transparent machen.

Wer in eine Gedenkausstellung geht, und dort die Bilder und Dokumente des Grauens anschaut, der zeigt sich zunächst fassungslos. Und denkt und sagt: Wie konnten „Menschen“ nur so etwas tun. Oder: So etwas darf nie wieder passieren.
Doch dann geht er hinaus und fordert seine Mitmenschen auf, diese Täter nicht nur zu suchen und ihrer Bestrafung zuzuführen, die Gesellschaft also vor ihnen zu beschützen, sondern sie zu jagen, sie zu malträtieren, sie zu foltern, sie zu erschlagen, weil alles andere viel zu human für sie ist. Und um diese Forderung zu untermauern, verwendet er immer wieder Bilder der Opfer.

Wieder muss ich fragen:
Wie unterscheiden sich diese Menschen nun von den damaligen Tätern?
Wenn sie mit einseitiger Propaganda Feindbilder schaffen und die Gemeinschaft dazu auffordern, diese brutalst zu behandeln und zu ermorden. Am besten mit kurzem Prozess. Oder ohne, weil eh alles klar ist.

Das Einzige, das sie unterscheidet ist, dass sie Schreibtischtäter sind, und sicher zu feig , selber Hand anzulegen. Sondern von ihrem Schreibtisch aus die Mittel der Verhetzung und Aufhussung wählen.
Aber – wie lange? Doch sicher nur so lange, bis sie eine Mehrheit zusammengerottet haben, die ihre Ansinnen unterstützt.
Dann legen sie auch in der Realität (wieder) los.

© evelyne w.

 

Die Schreibtischtäter IV. – Im Namen der Gerechtigkeit

Alle grausamen Menschen
tarnen sich als gerecht.

Tennessee Williams

IV. Im Namen der Gerechtigkeit
 

Dass es auf der Welt niemals Gerechtigkeit geben kann, ist wohl auch eine Tatsache, gegen die anzukämpfen einfach vergeudete Energie ist. Weil Menschen lediglich zur Selbstgerechtigkeit fähig sind und diese keine allgemeingültige Gerechtigkeit erzeugen kann. Nicht einmal Gott ist gerecht, wie ja von allen Religionsgegnern zur Genüge proklamiert wird.
Und warum? Weil Gerechtigkeit im Auge des Betrachters liegt.

Deshalb kann man auch hier gleich erkennen, dass da irgendetwas nicht stimmen kann, wenn unter diesem Deckmantel Sanktionen gefordert werden. Dass da nur jemand seine eigene Gerechtigkeit durchsetzen will.

Ich möchte diesen Autoren nun keineswegs pauschal unterstellen, dass sie grundsätzliche Aufwiegler sind. Leider ist es auch so, dass viele vor lauter Gerechtigkeitseifer gar nicht erkennen, dass sie Gift und Galle in die Welt sprühen, sich als Rächer der Schwachen und Geschundenen wähnen und dabei nichts anderes machen, als Schulterschließer zu suchen, um ihrer eigenen Angst nicht ausgeliefert zu sein.
Und der Großteil – ist sowieso schlichtweg zu dumm, um aus eigenem Antrieb gefährlich sein zu können. Zu dumm, um andere Perspektiven einbeziehen zu können.

Das ändert jedoch nichts daran, dass sie keine Friedensstifter sind, als die sie sich gerne selbst darstellen, sondern Menschen, die das Böse in der Welt vermehren.
Und dort liegt ihre enorme Gefährlichkeit.

© evelyne w.

 

Die Schreibtischtäter V. – Widerstand

Der wichtigste Widerstand ist
der Widerstand der Gedanken

evelyne w.

V. Widerstand
 

Den Schreibtischtäter haben wir nun einigermaßen enttarnt.
Man könnte ihn nun getrost seinem Schicksal überlassen. Er könnte schreiben, bis seine Finger wund wären und nichts würde geschehen.

Doch ich begann meine Abhandlung ja mit den Worten:

Wie konnte das passieren?
Wie konnte ein kleiner, seltsamer, offensichtlich psychisch verformter Mann die Welt in sein krankes Denken ziehen und sie in diesen furchtbaren Abgrund stürzen

Ja, wir haben den Schreibtischtäter entlarvt.
Aber leider werden seine Leser meinen Bericht nicht lesen.

Und leider kommt nun der Teil meiner Erfahrung, der mich fassungslos machte.

Ich musste miterleben, wie Leser sich mit solchen Ergüssen plötzlich solidarisch zeigten. Und dies in einem Atemzug mit der Verkündung, gegen Gewaltverherrlichung zu sein, mit Brutalitäten nichts am Hut zu haben und den Rechtsradikalismus zu verurteilen.

Weil das verhängnisvolle Phänomen auftrat, das ich schon beschrieben habe. Die Menschen sehen nur eine Seite der Medaille. Und zwar jene, die ihnen Unterstützung in ihren Ängsten bietet.

Um welche Ängste geht es nun hier überhaupt?

Die größte Angst hat der Mensch vor seiner eigenen Grausamkeit, die ja in jedem Menschen vorhanden ist, wie schon vorher geschrieben. Sie kann ihm nämlich den größten persönlichen Schaden zufügen. Nicht die Bösartigkeit Anderer sondern die eigene!
Ich könnte hier nun neuerlich eine Abhandlung über die Achse Selbstliebe/Liebe einfügen, aus der diese Angst vor der eigenen Bösartigkeit genährt wird, möchte aber das Thema nicht noch weiter verbreitern. Wen eine genauere Erklärung zu diesem Punkt interessiert, der findet sie in meinem Buch „Lerne.Selbst.Lieben“.

Hierher stelle ich deshalb diese Aussage nur als Faktum.

Die eigene Gewaltbereitschaft, von der das Unterbewusstsein jedes Menschen weiß, dass sie immer ihm selbst schadet, erzeugt eine Angst, die er auf Bewusstseinsebene auf reale Ängste umlegt.
Und zwar auf diese, die ihm als existentiell im Blickpunkt liegen. Also z. B. jene vor der Arbeitslosigkeit, vor dem damit einhergehenden Verlust von Lebensqualität, weitergehend zu Armut, Hunger und Not. Oder vor der Schutzlosigkeit des Einzelnen, was DIE Urangst des Menschen ist. Weil er ein Herdenwesen ist, das sich seiner Abgetrenntheit von der Herde bewusst ist. Deshalb die große Angst des Menschen, dass er sich durch Bösartigkeit von der Herde selbst abtrennt.
Über diese Angst kann man logischerweise die allermeisten Menschen manipulieren.

Deshalb lesen Menschen oft – wie Querleser – nur die Punkte, die sich darauf beziehen, diese Ängste in irgendeiner Form in den Griff zu kriegen.
Was bedeutet, dass sie nur das Böse wahrnehmen, das auf Andere hinweist.
Ein sicher sehr bekanntes Muster, dass der Mensch um von sich abzulenken, auf Andere weist.

Also achtet er nur darauf, dass ihm jemand den Arbeitsplatz streitig macht, oder seine Kinder bedroht und dgl.
Aber nicht darauf, dass jemand ihn auffordert, zum Täter zu werden. Denn das würde ja bedeuten, dass er seine eigene Grausamkeit akzeptieren und sich dafür verantwortlich zeigen müsste, indem er zustimmt oder nicht. Dazu kommt, dass er sich in der Menge Gleichgesinnter ein trügerisches Sicherheitsgefühl aufbaut.

Und hier schließt sich der Kreis.
Wenn nun ein Schreibtischtäter auf einen nicht aufgeklärten Leser trifft, dann kann er ihn wunderbar manipulieren.

Und das musste ich miterleben. Und zwar in einer Form, die zeigte, wie sich innerhalb kürzester Zeit diese Manipulation zu einer Welle verdichtete und Andersdenkende und aufklärend Argumentierende persönlich verhöhnt und denunziert wurden (die Bezeichnung „Welle“ ist nicht von ungefähr gewählt, lehnt sich mit Absicht an den gleichnamigen Film an, der eine solche Dynamik in einem Experiment aufzeigte).
Was mich daran ganz besonders betroffen gemacht hat war, dass es sich nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, um ungebildete Leser handelte, sondern um ein Publikum, das sich ebenfalls zur denkenden Elite zählte. Nämlich weitere Autoren.

Den Rest können wir uns nun an den Fingern einer Hand abzählen. Wohin dies schneller führen kann, als jemand auch nur denken möchte.
Wenn Vordenker zu wenig nachdenken und sich der Masse anschließen, von der sie sich eigentlich distanzieren, bzw. über die sie sich erheben wollen.
Wenn Warner zu Feindbildern gemacht werden, um die trügerische Solidarität zu fördern.
Dann hat bald niemand mehr etwas GEGEN das Böse zu setzen.

Und hinterher wird man fragen:
Wie konnte das geschehen?

Die Antwort: Weil ALLE daran beteiligt waren, die dem Bösen keinen Widerstand boten.
Doch das Böse ist nicht nur in den Taten Anderer zu finden, sondern auch im eigenen Rachegefühl.
Es ist wichtig, damit rechtzeitig umgehen zu lernen, damit nie wieder ein kleiner, seltsamer, offensichtlich psychisch verformter Mann die Welt in sein krankes Denken ziehen und in einen furchtbaren Abgrund stürzen kann.

 

Und dies ist das Anliegen meiner kleinen Textserie:

Zu versuchen, auf dem Wege der Aufklärung dazu beizutragen, dass Leser aufmerksam werden, wenn es in Texten um Gewalt und Hass geht. Es reicht nie, zu sagen, das habe ich nicht gewusst …
Weil nicht nur Autoren Verantwortung haben, das Böse nicht in die Welt zu tragen, sondern auch Leser, es nicht in ihre Welt zu lassen, und auf diese Weise zu verbreiten.
Denn dann verliert es die Macht von allein.
Und das ist mit Sicherheit der friedlichste Weg den es gibt.

© evelyne w.

– Ende –