Die Schreibtischtäter I. – Die Macht der Gemeinschaft

Es ist einfacher die Leute zu täuschen
als sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht wurden.

Mark Twain

Die Macht der Gemeinschaft
 

Wie konnte das passieren?

Seit vielen Jahrzehnten stellen wir uns diese Frage.
Wie konnte ein kleiner, seltsamer, offensichtlich psychisch verformter Mann die Welt in sein krankes Denken ziehen und sie in diesen furchtbaren Abgrund stürzen.

Die Erklärung läuft immer dort hinaus, dass die Menschen damals arm waren, dass Hitler ihnen Arbeit versprochen (und ja auch gegeben) hat und was er tatsächlich wollte und trieb, lange Zeit verborgen blieb. Und sie später gezwungen wurden …

Dass es daran nicht lag, erscheint mir persönlich absolut logisch.
Ihr werdet vermutlich alle nicht „Mein Kampf“ gelesen haben, weil er jetzt ja verboten ist. Aber damals war er es nicht. Und dieser Hass, der dort aus jeder Zeile sprang, den konnte niemand verleugnen. Und auch wenn die meisten keinen Zugang zu diesem Buch hatten, oder überhaupt weder Kopf, Zeit noch Geld dafür hatten, zu lesen, so gab es doch eine große Anzahl von Personen, die darauf hinwiesen und laut warnten.

Erfreulicherweise ruhen sich ja auch heute viele nicht auf dieser Erklärung aus. Sondern versuchen, das zugrundeliegende Phänomen aufzuzeigen, um so den nachkommenden Generationen die Möglichkeit zu geben, Frieden mit der Vergangenheit zu machen, um Frieden für die Zukunft daraus erwachsen zu lassen.

Wie wir alle wissen, werden diese Fakten von der Gemeinschaft in der Gegenwart genauso wenig umfangreich genug aufgenommen, wie damals.
Die rechte Szene blüht stärker denn je.
Heute wird diese Maschinerie auf die „Fremden“ angesetzt, jedoch sind auch diese nur das „Aushängeschild“. Der Faschismus lebt in allen menschlichen Beziehungsgruppen.

Spricht man mit einzelnen Personen, so ist das gar kein Thema. Alle sind friedliebend, sozial, offen, human und menschenfreundlich.
Die Geschehnisse des Holocaust sind ihnen so unverständlich wie die heutigen Kriege oder die Übergriffe der Hooligans.

Alle wissen, wie es sein könnte, wenn die Anderen nur endlich Ruhe gäben. Sie selber sind nicht daran beteiligt.

Dass dies genauso wenig möglich ist, wie damals als Hitler hochkam, will niemand hören. Dass die Verantwortung beim Einzelnen liegt, den Frieden mit seinem Selbst in die Welt zu tragen, ist eine Wahrheit, die viel zu unbequem ist.
Es ist wesentlich bequemer, sich hinter den Anforderungen des Alltags zu verstecken und die Schuld Anderen zuzuschieben.

Und das ist der springende Faktor. Dort liegt der Knackpunkt, den jeder Machthaber für sich nützt.

Um seine persönliche Verantwortung abzugeben und diesem Prinzip folgen zu können, braucht der Mensch ein Feindbild.
Und jeder hat eines. Es gibt keinen Menschen, der kein Feindbild hat. Ich glaube, nicht einmal Mutter Teresa hatte keines …
Natürlich liegt der Kern der Verantwortung deshalb darin, wie wir mit unserem Feindbild umgehen.
Dort liegt der Knopf, der entweder in Humanität oder Faschismus führt.
Und dort entscheidet sich, ob wir Frieden oder Hass in die Welt bringen, also in welcher Weise wir zur Gemeinschaft etwas beitragen. Und damit die Macht der Gemeinschaft prägen.

Warum ich das alles gerade jetzt schreibe?

Nein, nicht weil wieder Wahlen in Österreich anstehen, und sich die rechtsgerichteten Parteien im Vormarsch befinden. Dieses Phänomen konnte ich mir – wie man sieht – bisher ja sehr gut erklären.

Doch in den letzten Tagen wurde ich persönlich in einen Fall involviert, der mich fassungslos zurückließ. Und ich kann oft nicht anders verarbeiten, als darüber zu schreiben.

© evelyne w.

 

12 Gedanken zu „Die Schreibtischtäter I. – Die Macht der Gemeinschaft“

  1. Liebe Lintschi,

    du schreibst:

    „(…) Natürlich liegt der Kern der Verantwortung deshalb darin, wie wir mit unserem Feindbild umgehen.
    Dort liegt der Knopf, der entweder in Humanität oder Faschismus führt.
    Und dort entscheidet sich, ob wir Frieden oder Hass in die Welt bringen, also in welcher Weise wir zur Gemeinschaft etwas beitragen (…)“

    Oh ja. Alles beginnt im Kleinen, bei einem selbst!

    Wie recht du hast mit deinen Worten, liebe Lintschi.

    „Wie das passieren konnte“, tja, leider ganz einfach, nicht wahr. (Ich muss zB an den Roman/ das Experiment „Die Welle“ denken). Jederzeit könnte so etwas wieder geschehen! Deswegen sollte jeder einzelne wachsam sein, aufmerksam bleiben – auch was sich selbst angeht.

    (Erwähnenswert finde ich in diesem Zusammenhang auch, dass gestern der 70. Jahrestag der Festnahme der Geschwister Scholl (Weiße Rose) war.)

    Bin gespannt auf die Fortsetzung!

    Liebe Grüße
    Diana

    1. ach diana,
      ich schicke dir augenblicklich eine ganz dicke umarmung!

      du hast mich so gut verstanden und hast genau das gebracht, was meinen gedanken zugrunde liegt. auch ich ging von der welle aus – denn ich bin zeuge von anfängen eines solchen prozesses geworden. und möchte eigentlich gar nicht wissen, wie es weitergeht. aber es war auf der stelle selbsterklärend für mich.

      und auch ich habe in meinem konzept die geschwister scholl schon drinnen …

      ich danke dir und für menschen mit deinem verständnis lohnt es sich für mich, weiter zu schreiben!
      weil wir uns dadurch für eine macht der gemeinschaft positionieren, die als einzige frieden erzeugen kann!

      ganz herzlich
      deine lintschi

    2. Ich sah mir mit meinen Sohn, nach seiner Empfehlung, „Die Welle“ als Spielfilm mit Jürgen Vogel an. Und ja, die Erklärung wie so etwas passieren kann, ist ganz einfach. Ich denke, so ein Film sollte an Schulen zum Unterricht gehören, weil ich glaube, dass man damit sehr viele junge Menschen erreichen kann.

      Herzliche Grüße,
      Michael

      1. den deutschen film habe ich nicht gesehen.
        ich kenne nur die amerikanische erstversion aus den 80ern.
        gruselig beeindruckend …
        genauso wie das milgram-experiment.

        diese beiden haben mich sehr wach gemacht!

        danke michael, ich bin sehr erfreut, dich hier ebenfalls vorzufinden!

        lieben gruß
        evelyn

  2. Ich habe den Film nicht gesehen und kenne auch seine Handlung nicht, aber um Deine Zeilen zu verstehen Lintschi, ist das auch gar nicht notwendig.
    Zitat von verspielerin:
    „(…) Natürlich liegt der Kern der Verantwortung deshalb darin, wie wir mit unserem Feindbild umgehen.
    Dort liegt der Knopf, der entweder in Humanität oder Faschismus führt.
    Und dort entscheidet sich, ob wir Frieden oder Hass in die Welt bringen, also in welcher Weise wir zur Gemeinschaft etwas beitragen (…)“ Zitat Ende.
    ABSOLUT!
    Würde jeder einzelne Mensch NUR Friedensgedanken hegen und diese in die Welt hinaus tragen, einbringen, würde es keinen einzigen Krieg auf unserer so kostbaren Erde geben.
    Das Prinzip „Ursache und Wirkung“ wird leider sehr unterschätzt, oder nicht so recht verstanden, aber es funktioniert trotzdem so.
    Hass erzeugt nur wieder Hass – Wahrer Frieden erzeugt nur wieder Frieden. Ein Miteinander könnte so tatsächlich funktionieren.
    Dass Friedensgedanken auch für die „eigene Zufriedenheit“ sorgt, erkennen leider auch viele Menschen nicht. Das beginnt zum Teil schon in der eigenen Familie und weitet sich auf das Umfeld und somit auch im Lebensfluss aus.
    Ursache und Wirkung
    Leider nimmt vieles wieder zu, was mich sehr traurig macht. Man sollte meinen, aus der Geschichte gelernt zu haben. Das trifft leider nicht zu.
    Mit diesen Zeilen möchte ich gerne meine „Friedensgedanken“ einfließen, hier lassen und Lintschi danken, dass sie sich der schwierigen Thematik mit ihrer Ehrlichkeit und Offenheit stellt.
    Liebe Grüße
    Fini

    1. genau, das hast du gut ausgedrückt.
      ich sehe das auch so.
      ein prinzip muss man bis ins letzte extrem verfolgen, um seinen wahrheitsgehalt erkennen zu können.
      dass es hypothesen sind, ändert daran gar nix.

      aber wenn man immer nur frieden gibt, dann ist immer frieden.
      wenn man nur hetze und hass gibt, dann … genau!

      und selber entscheidet man, in welcher gemeinschaft man sich bewegen will.

      und das hat nichts mit blauäugigkeit zu tun, wenn man die macht der gemeinschaft als frieden anstrebt, als sich immer wieder vom hass bestimmen zu lassen.

      danke fini!
      und lg
      deine lintschi.

  3. psychischch verformt war er und keiner bemerkte es
    oder wurde es doch öfter bemerkt, als mensch denkt? Nur passte es vielen in den Kram u. diese unterließen natürlich jede negative Bemerkung, sie nutzten die Situation für die eigenen „Bedürfnisse“
    Wie war dieser Mann geschickt. Nutzte alle Menschen für seine eigenützigen Zwecke, kontrollierte ein ganzes Volk u. die, die nicht reinpasten, wurden kurzerhand ausgemerzt. Seine Schergen fand er an allen Ecken… und auch heute sind die „Springerstiefel“ vorhanden. Sie sind nur nicht so leicht zu erkennen.

    Die weiße Rose – GottseiDank gab es auch Widerstand, doch dieses Regime wiederstand viel zu lange u. sein Gedankengut ist in so vielen immer noch vorhanden

    LG von Bruni
    und danke für Deinen so sehr guten Artikel, liebe Lintschi

    1. nun ja, liebe bruni,

      es ist aber doch so, dass für das ausmerzen ja auch erst mitstreiter gefunden werden mussten. und in DIESER zahl!
      die konnten doch auch nur so groß werden, weil die MASSE mitzog!

      und die masse zog mit, weil sie nur die vordergründigen botschaften hörte und sah.
      aber das böse dahinter wurde nicht verschwiegen, sondern nicht wahrgenommen!

      und das passiert leider heute noch ganz genau so.

      und deshalb kann kein frieden entstehen.

      die menschen können leider aus der geschichte nicht lernen. sondern werden immer wieder mit propaganda gefüttert, die wieder in diesen kreislauf hinein führt.
      genau darum geht es mir hier.

      dass nicht nur einseitig auf das böse hingewiesen werden darf, nicht die menschen zur rache aufgefordert werden dürfen, unter dem mäntelchen selber „pazifist“ zu sein.
      und die schreibtischtäter tun das aber. sie wollen sich als die vordenker etablieren, die dem nichtdenkenen fußvolk überlegen sind, und binden diese wieder in eine machtmaschine ein, weil sie es so machen, dass der einzelne nur das für sich mitnimmt, was in sein eigenes angsttöpfchen fällt. die randerscheinungen nicht wahrnimmt.

      das ist so, wie wenn heute ja leider immer noch welche sagen:
      ein hitler müsste wieder her, denn damals hats keine arbeitslosigkeit gegeben und – was ja total faszinierend ist für mich: damals wurden kleine gewalttaten ja gleich und mit kurzem prozess geahndet. und das wird noch immer als positives beispiel angeführt! dass dies oder jenes damals nicht möglich gewesen wäre. weil zucht und ordnung geherrscht hat.

      dass aber auf der anderen seite millionen von menschen brutalst umgebracht wurden, das wird dann abgetan mit einem handwinker – naja DAS, natürlich, DAS war nicht gut, aber das andere … da wärs schon gut, wenns wieder einen solchen gäbe …

      es gibt nicht so und so. es gibt nur so oder so!

      wer gewaltfrei leben will, darf gewalt auch nicht von anderen fordern!

      und wer das tut, ist ein täter!

      die weiße rose – ein gutes beispiel, widerstand mit dem mittel der aufklärung! nicht mit dem aufruf, das regime zu ermorden.

      danke liebe bruni
      und herzlichste grüße
      lintschi

      1. ich stimme Dir mit jedem Wort zu. Es muß zu erkennen gewesen sein, doch jeder schwieg, jeder hatte seine Gründe, oder war nur zu uninterssiert, so lange es nicht ihn selbst betraf.
        Leider lehrt die Geschichte tatsächlich keinen Frieden. Oder wir sind zu dumm, um zu begreifen.

        Wie recht Du hast:
        Wer Gewalt fordert, ist selbst Täter

        Z.B. aus diesem Grunde bin ich generelll gegen die Todesstrafe. Kein Mensch hat das Recht, den Tod eines anderen zu fordern

        LG zu Dir, liebe Lintschi

        1. ach bruni,
          da sind wir sowas von auf einer linie!

          jede art von gewollter tötung ist für mich ein mord. man kann das nicht einmal so sehen, und einmal so. das unbewusste kann nicht unterscheiden, also bringt die splittung über bewusstsein enorme ambivalenz, die mit sicherheit zu neurose führt.

          ein anderer bereich, wo ich ja mit meinen mitteln „kämpfe“, ist der umgang mit den demenzkranken. denen ja auch gerne der lebens“wert“ abgesprochen wird. und wo man auch mit der geforderten oder zumindest gedanklichen tötung leicht bei der hand ist. auch unter dem mäntelchen der „humanität“. siehe auch meine rezension zum film Die Auslöschung.

          also man sieht, wenn man einmal beginnt, über „unwertes“ leben (wie das von tätern) zu richten, kommt man ganz leicht in andere fahrwasser auch. und woran erinnert uns das?

          ich danke dir sehr, liebe bruni!
          es ist immer eine wohltat für mich, gleichgesinnte zu finden.

          schönes wochenende!
          lintschi

  4. liebe Lintschi
    und auch alle ihr lieben Kommentatoren,
    ich umarme und grüße euch ganz herzlich.
    Jedes Wort kann ich nur unterschreiben.
    Wir werden aufpassen und wir werden darum kämpfen, dass das Böse nicht überhand nimmt.
    herzlich Dir liebe Lintschi
    und allen hier
    Ilona

    1. liebe ilona,

      ich danke dir herzlichst, dass du hierhergekommen bist und natürlich auch für deine zustimmung!
      ich weiß, dass wir beide diesbezüglich auf einer linie liegen …

      und es ist gut, dass es solche menschen gibt. die auch dafür einstehen.
      denn nur so können wir eine andere macht der gemeinschaft herbeiführen.

      schönen sonntag#
      und lieben gruß zu dir
      lintschi

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