nach dem regen

 

ein wildes treiben zwischen den zeilen glanztriefenden weines. der salbei drängt sich mit violettem strahl an der kamille zarten leib. die malve schmiedet ihre ränke über das taumeln des weißen klees. es wogt der busen aufgeschossener jugend unter dem schwülen fordern ungestümer luft. benässt und trunken bettet die dunkle flur sich unter das feuchte spiel.

© evelyne w.

nach dem regen - audio

 

regenfall

 
regenfall

 

grau wälzt der himmel sich über der hänge trockene münder. öffnet ein wolkenband. tropft feuchte küsse auf die hälse wogender sehnsucht. trommelt sein nass an die hüften junger rieden. und dann der sturm. er peitscht die triebe. biegt ihre schlanken arme tief zu boden. doch stark sind ihre rücken. nach dem erguss bäumen sie sich empor. zu süßen ihre säfte.

© evelyne w.

 

im weintau

 

dann ist hier dieser tag. der aus der nacht steigt wie venus nach dem bade. rosige wangen in den horizont legt. und grünwallend sein haar im winde flattern lässt. der blick den langsam er erhebt erglänzt am wimpernkranz des sees. vor seiner scham kein feigen-blatt. es ist der wein in diesem paradies. der seine nacktheit ziert.

© evelyne w.

im weintau - video

 

frühlingsrausch

 

und ich tauche in die tage. aus denen sich der frühling windet. in krokusgelb und fliederweiß. und aus den rieden treibt der kleine rausch des anfangs. reibt sich an kirschenmündern rot und färbt mein blut. das schäumend durch die adern brandet. um sich zu stürzen in das spiegelblau des sees. der diese heimat mir zur wollust flutet.

© evelyne w.

 

MemMini No. 02 – Schürzenkinder

 
Schürzenkinder

Als ich ein Kind war …

trugen wir Schürzen.
Die Kleider mussten geschont werden. Manche hatten nur eines.
Ich trug Kleiderschürzen mit Rüschen an den Armen.
Andere trugen Latzschürzen mit großen Schleifen auf dem Rücken.

Alle Mädchen fanden sie lästig
und freuten sich, wenn es ihnen gelang,
einmal ohne Schürze zu entwischen.

© evelyne w.

schuerzenkind

 

Dementia Poetry – Die Idee II.

 

Memory in miniatures

Bei der geistigen Vorbereitung einer Lesung bin ich auf eine weitere Facette gestoßen. Es gibt in diesem Hörerkreis Menschen in unterschiedlichen Stadien der Demenz.
Man darf also nicht alle auf das fortgeschrittenste Stadium reduzieren. Es muss auch für die anderen etwas angeboten werden.
Die weiter fortgeschrittenen Personen werden dabei einerseits einfach als Anwesende integriert. Können aber vielleicht sogar ebenfalls noch mit dem Vortrag, oder einzelnen Erinnerungsworten angesprochen werden.

Deshalb werde ich meine Dementia-Poetry-Serie um eine Sparte erweitern:
Die Memory-Miniaturen = MemMinis.

Es handelt sich dabei um kurze einfache Prosatexte, die sich mit Erinnerungen aus längerfristig zurückliegenden Situationen beschäftigen.
Um den Bogen besser vom Vortragenden zum Hörer schaffen zu können, wähle ich als perspektivischen Eingangssatz:
„Als ich ein Kind war …“

 

Booklet „Flossenbürg 2011“

Aus meinen Blogeinträgen wurde nun ein Booklet gemacht
Erschienen im hs-Literaturverlag. Geplante Veröffentlichung 1.Oktober 2011

flossenbuerg

hsl
70 Seiten
€ 7,50
ISBN 978-3951-99072-9

Klappentext:

Gedenken ist so wichtig.
Aber Gedenken ist nicht das Anprangern von Gräueltaten, das Zeigen von Bildern tiefster Not.
Nur wenn Gedenken zu Liebe führt, uns nicht in Angst und Entsetzen abwenden lässt, ist es gesund. Für den Einzelnen, wie auch für die Gesellschaft.

Wir wollen weder Täter noch Opfer sein.
Doch wer wollen wir sein?
Wenn wir diese Frage beantworten können, stärken wir auch unser Wollen. Dafür müssen wir uns der Vergangenheit liebend zuwenden, denn sie ist unsere Wurzel. Sie spricht zu uns, damit wir aus ihr lernen.
Doch so lange sie keine Liebe in uns auslöst, befinden wir uns nach wie vor in den Krallen des Grauens. Und Grauen kann niemanden davor beschützen, selber Täter oder Opfer zu werden.

Ein Gang durch die Gedenkstätte KZ Flossenbürg im Mai 2011 hat mir einen Ort gezeigt, an dem Gedenken in Liebe möglich ist.

 

Hierzu der Video-Trailer:

flossenbuerg trailer

 

 

In der Umarmung des Vergessens VIII.

 

Die Kinder waren wieder da

»Die Kinder waren wieder da.«
»Welche Kinder?«
»Ich kenne sie nicht. Aber sie hüpften auf dem Bett herum.«
»Waren sie allein?«
»Sie hüpften und warfen mit den Pölstern.«
»Hast du ihnen nicht gesagt, sie sollen aufhören?«
»Nein, es waren doch Kinder.«
»Und du? Was hast du gemacht?«
»Ich setzte mich hin und sah ihnen zu.«
»Waren sie lange hier?«
»Ich weiß nicht …«
»Wann waren sie hier?«
»Ich weiß nicht …«
»Warum hast du nicht die Schwester gerufen?«
»Ich konnte sie doch nicht allein lassen. Es waren doch Kinder.«
»Hat sie jemand abgeholt?«
»Nein.«
»Wo sind sie hingekommen?«
»Ich weiß nicht …«