Heilsam


Er sagte:
Steh auf, nimm dein Bett und geh!
Ich sagte:
Ich kann nicht.
Herr, bitte hilf mir!
Er sagte:
Steh auf, nimm dein Bett und geh!
Ich sagte:
Ich kann nicht.
Herr, warum hilfst du mir nicht?
Er sagte:
Steh auf, nimm dein Bett und geh!
Ich sagte:
Herr, warum willst du mir nicht helfen?
Er sagte:
Steh auf, nimm dein Bett und geh!
Ich sagte:
Herr, warum hörst du mir nicht zu?
Ich kann nicht!
Er sagte:
Steh auf, nimm dein Bett und geh!
Ich sagte:
Herr, warum antwortest du mir nicht?
Er sagte:
Steh auf, nimm dein Bett und geh!
Ich weinte:
Herr, warum lässt du mich so leiden?
Er sagte:
Steh auf, nimm dein Bett und geh!
Ich schluchzte:
Herr, was habe ich getan
dass du mir nicht helfen willst?
Er sagte:
Steh auf, nimm dein Bett und geh!

Ich schrie:
Herr, hörst du nicht?
Ich kann nicht!
Warum hilfst du mir nicht?
Er sagte:
Steh auf, nimm dein Bett und geh!
Ich wurde zornig:
Herr, warum lässt du mich hier liegen und tust nichts?
Er sagte:
Steh auf, nimm dein Bett und geh!
Ich schrie noch lauter:
Ich will es nicht mehr hören!

Da drehte Er sich um und ging.

Ich rief:
Herr, bitte komm zurück.
Lass mich nicht allein.
Er blickte über die Schulter und sagte:
Steh auf, nimm dein Bett und geh!
Ich krümmte mich zusammen
und heulte vor Angst und Schmerz in mich hinein.

Doch Er ging langsam weiter
und drehte sich nicht mehr um.

Voller Zorn stand ich auf
warf mein Bett hinter ihm her und schrie:
Das kannst du doch nicht machen
Du darfst mich nicht allein lassen,
wo ich dich so brauche.
Herr, bitte erkläre es mir doch wenigstens.
Ich kann es nicht verstehen.
Warum hilfst du mir nicht?

Da drehte Er sich um, lachte und sagte:
Na, endlich!

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8 Gedanken zu „Heilsam“

  1. Liebe Lintschi, das ist so stark! Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.
    Der Mensch ist zu mehr fähig als er denkt.

    Vielen Dank! Ein ganz herausragender Text!

    Ganz lieben Gruß von Gisi

    1. liebe gisi,

      herzlich willkommen hier!.
      da sieht man erst, wie groß gottes geduld mit uns ist …
      es wäre so wichtig, ihm genau zuzuhören, was er sagt. nicht immer nur von ihm zu fordern.

      lieben gruß lintschi

  2. wow! das ist klasse!

    wenn jemand sich selbst ins gefängnis seines „nicht-können-wollens“ sperrt …
    „nur“ aufstehen und losgehen scheint manches mal ein großes hindernis zu sein – und wenn’s einer tut, ist es womöglich das eigentliche wunder 🙂

    1. ich glaube, es ist ein großes problem der menschen im umgang mit sich selbst, dass sie sich zu wenig zutrauen und deshalb hilfe von außen „fordern“.
      und wenn sie nicht gegeben wird, dann vergeuden sie ihre energie, die sie fürs „aufstehen“ brauchen würden mit hadern.
      und wie man sieht, auch zorn kann einen großen energieschub auslösen. wichtig ist, dass es sich um den „heiligen“ zorn handelt, und nicht um einen, der sich gegen irgendjemanden (auch nicht gegen sich selbst) richtet.

      danke tabea!

  3. Gänsehaut. Der kleine Mensch wird immer röter, immer verzweifelter, immer hilfloser. Gott stoisch. Unbeirrt. Und doch stabil, fest. Wie auch die immer wiederkehrenden Reim, die Stabilität, Konstanz Gottes sind. Besonders aber, wenn Du es mit Deiner warmen Stimme vorliest. Da ist Dir etwas Festes gelungen. Etwas von Dauer.

    1. der witz dabei ist, dass der kleine mensch ja nur glaubt, dass er das alles ist. und dass er gott nicht genau zuhört, was er ihm sagt. denn sonst hätte er doch sofort aufstehen können.
      aber nein, er versucht, gott die schuld zuzuweisen, dass es ihm nicht gut geht, er möchte mit ihm (ver)handeln, er möchte lieber, dass gott etwas tut, als selber was zu tun.

      doch mit gott kann man nicht handeln. der ist kein krämergeist. er ist unverrückbar. und der mensch täte gut daran, sich nach ihm auszurichten zu versuchen, anstatt ihm dauernd irgendeine meinung oder interpretation oder gar menschliche besserwisserei unterjubeln zu wollen.
      denn gott bleibt davon unbeeindruckt und der mensch schaufelt sich nur sein verderbnis.
      niemals gott!

      und danke für dein kompliment für die lesung. aus dem mund einer schauspielerin und profisprecherin natürlich ein ganz besonders geschätztes lob.
      und ich muss sagen – es ist tatsächlich immer ein highlight bei meinen lesungen …

      alles liebe!

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